Detlev Peukert und Weimarer Demokratie?

2 Antworten

Detlev Peukert der Meinung ist, dass die Weimarer Demokratie hätte scheitern müssen
  • Peukert

Der Untergang der Weimarer Republik ist auf vier zerstörerische Prozesse zurückzuführen, die einzeln wohl hätten gemeistert werden können:

Die Verengung der Handlungsspielräume, deren die Ausgestaltung der Basiskompromisse bedurfte, transformierte die sozioökonomische Strukturkrise zur Destabilisierung des politischen und sozialen Systems der Republik.

  • Die sukzessive Zurücknahme dieser Basiskompromisse trug darüber hinaus zum Legitimationsverlust der neuen Ordnung bei. Schon vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise befand sich das politische System der Republik in einer Krise, wie sich vor allem im kontinuierlichen Anhängerschwund der bisherigen liberalen und konservativen Parteien zeigte. Der Positionsverlust der rechten Mitte trieb diese in eine um so schärfere Konfrontation mit der Sozialdemokratie, die selber wiederum durch den kommunistischen Konkurrenzdruck in ihrer Handlungsfähigkeit blockiert wurde.
  • Die Konzeption einer autoritären Wende, die die Repräsentanten der alten Eliten Anfang der dreißiger Jahre verfolgten, wollte die Basiskompromisse von 1918 ungeschehen machen und die Machtverhältnisse des Bismarckreiches restaurieren. Die Präsidialkabinette besaßen genügend Kraft, die verfassungsmäßige Ordnung zu zerstören, versagten aber [um Hitler zu verhindern und ggf. Artikel 48 Weimarer Reichsverfassung anzuwenden] angesichts des hohen Grads von Politisierung und massenhafter Mobilisierung, den die deutsche Öffentlichkeit inzwischen erreicht hatte [hin zu den Nazionalsozialisten]. Weder konnten sie das Abdriften der bisherigen Mitte-Rechts-Wählerschaft zu den Nationalsozialisten stoppen, noch konnten sie an eine dauerhafte Regierung ohne Massenbasis denken.
  • Die nationalsozialistische Alternative profitierte von diesem fundamentalen Autoritätsverlust der alten Eliten und ihrer liberalen und konservativen Traditionsverbände gleich zweifach: Die NS-Bewegung konnte angesichts der Krise der Jahre 1930 bis 1933 die ganze Dynamik einer modernen totalitären Integrationspartei entfalten; und sie konnte Anfang 1933 die Schlüssel zur Macht aus den Händen jener alten Eliten entgegennehmen, die bei der Zerstörung der Republik nur allzu erfolgreich, zur Restaurierung der Vorkriegszustände jedoch zu schwach gewesen waren. [...]

Detlev J. K. Peukert: Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne, Frankfurt/M. 1987, S. 269 ff.

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Peukert vertrat also nicht die These, daß die Weimarer Republik von Anfang an hätte scheitern müssen, sondern die oben genannten Umstände führten, in seiner Zusammenballung, seiner Meinung nach, zu deren Scheitern.

Grundsätzlich war der Verfassung die Möglichkeit eines Scheiterns immanent - denn sie war zwar eine demokratische Verfassung, beinhaltete aber autoritäre Regelungen (siehe Reichspräsident) - das war ein Verfassungskompromiß zwischen traditionellen und progressiven Kräften.

Was eigentlich zum Schutz der Demokratie gedacht war, wandelte sich in sein Gegenteil um - insbesondere war das auch mit der Person Hindenburg verbunden.

Ein von Beginn an vorhersehbares zwangsläufiges Scheitern kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht aufrechterhalten werden - Geschichte ist ein kontingenter Prozeß - manchmal haben auch zufällige Ereignisse eine enorme Auswirkung (z. B. ist Reichspräsident Ebert sehr früh gestorben - an einer, auch damals schon, banalen Blinddarmreizung, die er nicht behanden ließ, weil er meinte, keine Zeit zu haben, zum Arzt zu gehen)...


Floryus  10.03.2021, 11:06

Erstmal danke!!! Ich verstehe aber folgenden Teil nicht: "Die Verengung der Handlungsspielräume, deren die Ausgestaltung der Basiskompromisse bedurfte, transformierte die sozioökonomische Strukturkrise zur Destabilisierung des politischen und sozialen Systems der Republik."

Was meint er damit?

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DerSchopenhauer  13.03.2021, 07:02
@Floryus

Die Weimarer Republik konnte keinen entsprechenden Gründungsmythos (Identifikationsstiftung) anbieten.

Stattdessen hatte es eine Republikgründung im Zeichen der Kriegsniederlage gegeben und aufgrund der vielfältigen Konflikte gelangen in der Weimarer Gründungsphase lediglich Basiskompromisse zwischen unterschiedlichen Vorstellungen:

  • eine parlamentarische Republik
  • gewerkschaftliche Mitbestimmung
  • der 8-Stunden-Tag wurden eingeführt.
  • Verzicht auf Reformen der Wirtschaft und der Beamtenschaft, weil man die alten Eliten zu brauchen meinte.

Diese Basiskompromisse stellten fürs Erste zufrieden, waren aber brüchig, Kritik von extremen Positionen ausgesetzt und standen folglich einerseits auf wackligen Beinen, und konnten andererseits weder Begeisterung auslösen noch Identifikation stiften - schon gar nicht unter dem Eindruck der Wahrnehmung des Vertrages von Versailles.

Es war also notwendig, daß alle Kräfte durch Umsetzung der Basiskompromisse trotz wirtschaftlicher Probleme, die Republik vor einer Destabilisierung schützen konnten und es erst des Willens bestimmter Kräfte bedurfte, die Destabilisierung und Delegitimierung der Republik zu ihrer Destruktion zu nutzen.

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FanGeschichte  02.12.2022, 10:29

gibt es zu diesem Buch eine Zusammenfassung? ich verstehe das Buch sehr schlecht :(

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Ich kenne seine Arbeiten nicht.

Wiki sagt: "Den Nationalsozialismus deutete er als extreme Entwicklungsvariante moderner Gesellschaften und nicht als Einbruch mittelalterlicher Barbarei in eine moderne Zivilisation."

Dem kann ich folgen.

Warum er aber meinte, die Weimarer Republik habe scheitern müssen, kann ich mir nicht erklären. Fakt ist, dass sie gescheitert ist. Eine alternative Wahl hatte sie also nicht. Insofern sind solche Aussagen für mich immer etwas albern. :-)


Gabrijela153 
Fragesteller
 08.02.2021, 12:27

Vielen Dank.

Das hat mir schonmal etwas weitergeholfen:)

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