Brauche Diagnose VON AUTISTEN?

6 Antworten

Niemand kann dich diagnostizieren, außer ein Neurologe/Psychiater, welcher auf Autismus spezialisiert ist.

Aber ich habe über meine Zeit hier schon einige, spontane und selbstverständlich nicht vollständigen Listen angefertigt, mit Verhaltensweisen/Denkweisen/Eigenschaften, welche auf Autismus hindeuten könnten.

Falls du viele Punkte also in dir selbst siehst, könnte es sein, dass du tatsächlich Autismus hast. Differenzialdiagnosen sind hier jedoch auch wichtig.

Ich verlinke mal ein paar Antworten von mir, die ich auf die Schnelle dazu finden kann (In manchen habe ich die einzelnen Punkte besser beschrieben als in anderen und natürlich werden sich die meisten Punkte wiederholen etc. pp.):

https://www.gutefrage.net/frage/woran-erkennt-man-authismus#answer-517199945

https://www.gutefrage.net/frage/habe-ich-autismus-16#answer-473698898

https://www.gutefrage.net/frage/was-unterscheidet-asperger-autisten-von-anderen-leuten#answer-487111203

https://www.gutefrage.net/frage/rueckblickend-auf-mein-leben-habe-ich-mich-schon-immer-anders-gefuehlt-habe-ich-adhs-autismus-oder-dergleichen#answer-520645073

Ich glaube, das reicht, da es sich - wie bereits erwähnt - größtenteils sowieso verholt. Falls du zu einzelnen Punkten noch Fragen hast, könnte ich versuchen, sie dir zu beantworten. (Falls ich mir nicht sicher bin, werde ich dir das ganz klar sagen.)

Ein Punkt, der mir gestern wieder richtig klar geworden ist, ist Folgender: Wir Autisten brauchen meistens sehr genaue Anweisungen. Ich weiß gerade nicht, ob ich den Punkt in einer meiner verlinkten Antworten angesprochen habe, doch wir müssen genau wissen, was geschehen wird. Wir müssen wissen: Wann, Was, Wo, Wer, Wie, Wieso?

Deshalb hassen wir ungenaue Angaben auch so sehr. Zum Beispiel, wenn ein Kumpel dir sagt "Ich ruf dich gegen Mittag an" - Wann ist Mittag? 12 Uhr? 11 Uhr? 12:30 Uhr? Wie lange wird das Gespräch ungefähr gehen? Über was werden wir reden? Oder das selbe mit Treffen ausmachen. Wir mögen auch selten Überraschungen.

Besonders das "Wieso?" ist wichtig und ich denke, unser Bedürfnis, alles erklärt zu bekommen und den tieferen, logischen Sinn hinter einer Aktivität/Aufgabe zu sehen, bringt uns schnell in Schwierigkeiten. Viele Eltern denken, wir würden "unnötig diskutieren" wollen, wenn wir sie fragen, weshalb wir etwas machen müssen. Aber dem ist nicht so. Wir müssen es nun einmal wirklich wissen. Weshalb muss ich jetzt mein Zimmer aufräumen? Was bringt mir das? Was bringt dir das? Was sind die logischen Konsequenzen? Es muss logisch für uns sein und wir müssen sehen, weshalb wir es machen müssen - oder es muss ein Spezialinteresse von uns sein -, ansonsten werden wir es nicht tun. bzw. werden wir viel länger brauchen, bis wir damit fertig sind/damit anfangen.

Im Prinzip stört das einige Autoritätspersonen so sehr, weil sie wirklich innehalten und überlegen müssen, weshalb etwas gemacht werden muss und welche positiven Folgen es mit sich bringt, etwas jetzt zu machen, sich dieses Wissen nun anzueignen, dies nun zu erlernen etc. Viele Menschen gehen stur ihrem Plan nach, ohne diesen zu hinterfragen. Viele fragen sich nicht, wo der logische Sinn dahinter ist. Viele Lehrer können ihren Schulstoff nicht genau erklären. (Und ich merke gerade, dass ich es auch nicht gut erklären kann, upps, aber ich bin ja auch keine Autismuslehrerin).

Es muss eben logisch für uns sein. Niemand konnte mich dazu bringen, am Sportunterricht teilzunehmen. Es ergab für mich keinen Sinn. Weshalb? Weil ich es nicht mochte. Weil es für mich nicht logisch war. Weshalb sollte ich genau hier, genau jetzt, genau mit diesen Leuten Sport machen? Was macht diesen Sport hier besser als z.B. Sport in einem Verein, oder Sport mit Freunden (Ich hatte in der Schule keine Freunde, eher außerhalb)? Weshalb muss ich nun um 11 Uhr rum Sport machen, wenn ich es auch um 14 Uhr machen kann oder ich es bereits um 9 Uhr hätte machen können? Weshalb soll ich eine Sportart ausüben, die mir nicht gefällt, nicht liegt? Was wird es mir im späteren Leben bringen, wenn ich lerne, wie man Fußball spielt, wenn ich zu 100% weiß, dass ich niemals irgendetwas mit Fußball am Schuh (HA!) haben werde? Wieso muss ich über einen Bock springen? Ich bin fast 25 und musste bisher (außerhalb vom Sportunterricht) noch nie über einen Bock oder ähnliches springen. Wie soll ich in eine Situation kommen, in der ich über einen Bock o.Ä. springen müsste?

Sport ist nicht mein Hobby, nicht in meinem Interesse. Weshalb sollte ich mich mit etwas abgeben, was mich nicht fasziniert? Werde ich dafür bezahlt, wenn ich mitmache? Nein. Also wo ist der Sinn dahinter? Ja, Sport ist gesund, aber Sport kann und darf sich niemals nur auf Schulsport beschränken. Zwanghafter Sport, Sportarten, die man nicht mag, ausführen, demotiviert einen. Lernt man im Sport, mit anderen umzugehen? Nicht wirklich. Wenn, dann war das, was gelernt wurde, bis zur nächsten Stunde längst wieder vergessen und man bekam sich wegen irgendetwas anderem in die Haare. War Sport gut fürs Auspowern? Ja, absolut. Nur eben nicht für mich. Ich brauchte nie Sport, um mich auszupowern. Deshalb hatte es für mich nie Sinn ergeben. Es folgte keiner Logik. Die Argumente waren nicht überzeugend. Also machte ich in den meisten Fällen nicht mit und wenn man es doch mal schaffte, mich dazu zu überreden, war ich grottenschlecht. (Motorikprobleme und so, man kennt's.) Und na ja, die meistens Überzeugungsversuche in meiner Schulzeit waren billige Androhungen von allen Seiten. Du konntest mich auch nicht damit ködern, dass ich dann eine 6 bekäme. "Na und?", dachte ich mir. "Eine 6 bedeutet mir nichts. Eine 1 bedeutet mir nichts. Mir ist es nicht wichtig, wie ich in einem Fach bewertet werde, in dem ich gar nicht gut sein will, weil es mich nicht interessiert, fasziniert, juckt."

Und so weiter und sofort. Da könnte ich noch länger drauf eingehen.

Selbst neurotypische Menschen lernen nicht gerne für Themen, für die sie keine tiefe Faszination haben, doch bei einigen von uns Autisten (so habe ich das oft über die Jahre gelesen und auch oft bei mir mitbekommen) ist das ja nicht einmal nur eine Sache des "Nicht-Wollens" sondern auch des "Nicht-Könnens". Ich kann meine Energie nicht für sowas aufopfern. Ich muss meine Energie für das aufopfern, was mir Freude gibt: Meine Spezialinteressen. Mir kam es stets so vor, als könnten neurotypische Menschen sich dazu zwingen und als würden sie nicht so sehr darunter leiden, dass sie sich nicht mehr so stark mit ihren Hobbys auseinandersetzen können.

Vielleicht kannst du dich damit auch ein bisschen identifizieren. Keine Ahnung. Ich denke, das ist bei manchen Autisten stärker ausgeprägt als bei anderen. Es ist einfach ... ein Bedürfnis nach tiefgründigem Wissen, nach exakten Details, bevor wir etwas (Neues) ausprobieren, bevor wir irgendwo hingehen etc. pp. Denn das hat etwas mit unserem Routinebedürfnis zu tun. Ergibt Sinn, oder? Wir haben einen starken Drang nach Kontrolle (Bei mir zeigte sich das früher z.B. darin, dass ich jedes Mal meinen Schulranzen überprüft hatte - alles wieder aus- und eingeräumt hatte -, obwohl meine Mutter ihn längst für mich gepackt hatte. Denn ich musste sichergehen, dass wirklich alles drin war. Das kann sich bei kleinen Kindern im Spektrum z.B. darin zeigen, dass sie ungerne Fantasie-Rollenspiele mit anderen Kindern spielen, weil diese viel zu oft vom inneren "Script", welches man sich ausgedacht hatte, abgehen und einfach ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Doch nein, Polly Pups Püppchen wird NICHT mit dem roten Auto fahren, denn das ist bereits für Clyde Frog reserviert! >:(" (Wieso fallen mir gerade nur die Namen von Cartmans Puppen ein? Help)

Wie du sehen kannst: Ich hatte das heute wieder richtig realisiert und ich musste das nun rauslassen (Infodumping). Ich hoffe, das war in irgendeiner Art und Weise hilfreich.

Wenn du Anfangs nur eine relativ kurze Antwort schreiben wolltest, aber eine Stunde später bemerkst du, du hast mal wieder einen Roman geschrieben. Würde ich so viel Zeit und Arbeit in mein Leben stecken, wäre ich wahrscheinlich Multi-Millionärin. Oder zumindest hätte ich ein eigenes Haus.

Und dennoch kann man sich mach einigen Themen richten, wie zb: 'Menschen sind wie Aliens für mich'

Oh ja, definitiv. Ich hab mich schon früh wie ein Alien gefühlt. Ich dachte echt, ich wäre irgendwie von einem entfernten Planeten, auf die Erde gestürzt, und meine "Mitaliens" hätten mich verstoßen, weil ich selbst für die nicht gut genug war. Es ist mit den Jahren deutlich besser geworden, aber man wird dieses Gefühl nie ganz los. Entweder ist man selber das Alien oder die anderen sind es. Egal wie rum: Das Gefühl ist nie schön.

Nun denn.

PS: Tippfehler u.Ä. (sollten sich welche eingeschlichen haben) eignen sich gut als Putzlappen. Waschbar bis 60 Grad, trocknergeeignet.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽
Chuchu764 
Fragesteller
 29.11.2023, 09:40

Wow, verrückt ... ich weiß jetzt nicht, ob ich weinen oder froh darüber sein muss, SO viele Ähnlichkeiten in mir aus diesem Text zu finden..

Genaue Anweisungen:

Brauche ich ebenfalls, weshalb ich auf der Arbeit wegen ungenaue Anweisungen immer wieder Fehler gemacht habe, weil ich es dann ganz anders verstanden habe, als der Rest.

Einen Sinn für etwas geben muss:

Ich hasse Spazierengehen. Warum soll ich spazieren gehen, das ist doch nicht sinnvoll.

Wenn ich anfange, mich zu erklären, dann rede ich sehr viel und kann mich meistens dann auch nicht mehr stoppen, weil ich das Gefühl habe, die Person versteht mich sonst nicht, was ich sage.

Entweder ich rede sehr viel oder ich erzähle nichts mehr von mir. Wegen Erfahrungen, dass man mich ständig unterbrochen hat.

Das letzte, wo du auf das Aliendenken von mir eingegangen bist, hätte mich fast zum Weinen gebracht.. ich denke oft, das ich nicht hierher gehöre, entweder ZU intelligent bin oder das komplette GEGENTEIL bin. Wer sind hier nun die Aliens, ICH, verdammt nochmal, oder SIE ALLE DA DRAUßEN..?

ich schaue mir die Links an.

Bitte, wenn dir der Text heimisch vorkommt, dann lass es mich wissen, denn ich weiß nicht, was mit mir falsch ist, aber irgendwas stimmt eindeutig NICHT mit mir.

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Zitruseulchen  29.11.2023, 16:10
@Chuchu764

Oh je, also ja, ich kann definitiv verstehen, weshalb du dir so anders vorkommst. Ich glaube es wäre wirklich das Beste, der Sache auf den Grund zu gehen.

ich weiß jetzt nicht, ob ich weinen oder froh darüber sein muss, SO viele Ähnlichkeiten in mir aus diesem Text zu finden..

Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Wenn du endlich die Antworten gefunden hast, wird das bestimmt erleichernd sein. Denn es ist besser, zu wissen, dass man ein normales Zebra ist, als sich sein ganzes Leben lang zu denken, man wäre ein komisches Pferd.

Wenn ich anfange, mich zu erklären, dann rede ich sehr viel und kann mich meistens dann auch nicht mehr stoppen, weil ich das Gefühl habe, die Person versteht mich sonst nicht, was ich sage.
Entweder ich rede sehr viel oder ich erzähle nichts mehr von mir. Wegen Erfahrungen, dass man mich ständig unterbrochen hat.

Ja, das kommt mir so bekannt vor! Das ist das "overexplaining". Dann sagen Leute "Ja, ich habs schon verstanden", aber haben sie es wirklich verstanden, denn oft sagt man A, aber sie denken, man meint B.

Ich kann mich definitiv zu einem großen Teil mit deinem Kommentar identifizieren. Außer die Sache mit den Spaziergängen. Ich mag Spaziergänge. Man kann immer wieder etwas Hübsches beobachten und nichts geht über frischgepflückte Walderdbeerchen. (Selbst im Winter bin ich in Frühlingsstimmung.)

Brauche ich ebenfalls, weshalb ich auf der Arbeit wegen ungenaue Anweisungen immer wieder Fehler gemacht habe, weil ich es dann ganz anders verstanden habe, als der Rest.

Das erinnert mich an etwas: Ich sollte mal in der Grundschule (oder war es in der 5./6. Klasse? Egal) einen kurzen Text schreiben. Betonung lag auf "kurz"! Also schrieb ich 2-3 Sätze ... Das war dann natürlich wieder zu kurz xD

Ich kann auch keinen Backrezepten folgen, die nicht genauestens beschrieben sind.

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ich weiß nicht, ob ich an Autismus leide, da ich doch schon Borderline und PTBS habe, aber ich will es jetzt gerne wissen.

Dann solltest du dich an einen Testpsychologen, Psychotherapeuten oder Facharzt für Psychiatrie wenden, der auf Autismus-Spektrum-Störungen spezialisiert ist. Eine ASS-Diagnose erfolgt immer in drei Schritten (Screening, spezifische Diagnostik, Ausschluss von Differentialdiagnosen) und kann nicht allein anhand einer bestimmten Symptomatik gestellt werden. Als Teil der spezifischen Diagnostik ist ein testpsychologisches Gutachten unabdingbar, Goldstandard sind hier ADOS-II und ADI-R.

Kann mir jemand, der ein Autist ist, ein paar Fragen stellen, worauf man feststellen kann, ob es in die Richtung geht oder nicht?

Wie bereits gesagt: Eine Befragung (Screening) ist lediglich der aller erste Schritt der Diagnostik und reicht für eine Diagnosestellung nicht aus. Ein positiver Befund rechtfertigt lediglich weitere Diagnostik.

Einen gängigen Fragebogen zum ASS-Screening bei Jugendlichen ab 16 Jahren und Erwachsenen kann ich dir hier aber gerne einmal verlinken.

https://ruhrgur.de/aq-test/

Für alles weitere wendest du dich bitte wie gesagt an einen Psychotherapeuten, FA für Psychiatrie oder Testpsychologen. Es gibt außerdem auch Beratungszentren, die teils auch Diagnostik anbieten, Ansprechpartner findest du diesbezüglich z. B. auf der Seite des Autismus Deutschland e. V.

https://www.autismus.de/ueber-uns/struktur-des-bundesverbandes/regionalverbaende-und-mitgliedsorganisationen.html

LG

Chuchu764 
Fragesteller
 29.11.2023, 10:00

Danke. Ich werde nachschauen.

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Eine richtige Diagnose kann dir kein Autist stellen, der nicht selbst Fachmann für das Thema ist. Ich bin selbst Autist und könnte dir schon sagen, ob du auch Autist bist oder ob ich Zeichen sehe, die daraufhin deuten, aber eine Diagnose kann wohl nur ein Fachmann bzw. eine Fachfrau stellen (schriftlich erst recht).

Hinzu kommt, dass sich Autismus nicht bei jedem Autisten 1/1 gleich äußert. Es gibt sicher Merkmale, die alle Autisten haben, aber kein Autist gleich dem anderen.

Guten Abend.

Autismus ist eine vielfältige Entwicklungsstörung, und die Merkmale können von Person zu Person unterschiedlich sein. Typische Merkmale umfassen Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, eingeschränkte verbale und nonverbale Kommunikationsfähigkeiten, repetitive Verhaltensmuster und oft besondere Interessen. Manche Autisten können empfindlich auf sensorische Reize reagieren. Das wären so die relevanten Punkte...

Es ist aber wichtig zu beachten, dass Autismus ein Spektrum ist, und Menschen mit Autismus können eine breite Palette von Fähigkeiten und Herausforderungen haben. Frühzeitige professionelle Diagnose und individuelle Unterstützung sind entscheidend, um den Bedürfnissen jeder Person gerecht zu werden.

Ich würde dies beim Arzt testen lassen.

Konnte ich weiterhelfen? Freue mich über eine Bewertung. Lg

Dafür müsste ich dich live erleben, dann könnte ich es eventuell sagen.

Chuchu764 
Fragesteller
 29.11.2023, 09:59

Das wäre mir total unangenehm, aber klar, hilfreich wäre das sicher allemal.

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