Autismus Wutausbrüche?

4 Antworten

Es sind keine "Wutausbrüche", auch wenn uns das oft so vorkommt. Unter Autisten spricht man vom "meltdown", - ein Begriff, der eigentlich die Kernschmelze in einem Atomreaktor bezeichnet, wenn dort die Kühlung und de Steuerungsmechanismen versagen.

Dem "meltdown" bei einem Autisten geht ein "overload" voraus: das Überladen des Gehirns mit vielen Sinnesreizen, die gleichzeitig und ungefiltert auf ihn einprasseln. Das Gehirn kann nicht, wie bei Nichtautisten, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden und das Unwichtige einfach ausblenden. Hinzu kommt, dass viele Autisten Sinnesreize unglaublich stark wahrnehmen: ein normales Gespräch ist irrsinnig Laut, eine Neonröhre gibt ein schrilles, nervtötendes fiepen von sich, eine Schreibtischlampe blendet wie ein Flutlichtscheinwerfer, der Mensch neben mir stinkt wie die Hölle...

Für den Autisten ist es dann wichtig, so schnell wie möglich aus der reizüberfluteten Umgebung herauszukiommen und sichan einem stillen, ruhigen Ort zu erholen.

Aber oft geht das nicht, oder der Autist ist schon so überlastet, dass er es nicht mehr schafft. Dann kommt es vor, dass er in völliger Verzweiflung um sich schlägt, schreit oder sich selbst verletzt. Von außenstehenden wird das als Wutausbruch gedeutet, es handelt sich aber nicht um gegen eine bestimmte Person gerichtete Agression oder eine Äußerung enes cholerischen Temperamentes, sondern es ist schlichtweg Hilflosigkeit gegenüber den gnadenlos auf ihn einprasselnden Umweltreizen.

Ein overload kann auch zu einem "shutdown" führen. Der Betroffene wird dann vollkommen still und apathisch, er kann sogar bewusstlos werden. So wie ein überlasteter Computer einfach "stehenbeleibt" oder sich runterfährt und dann erst wieder neu gestartet werden muss.

Teifi  23.01.2021, 13:48

super gut erklärt! Vielen Dank!

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Weil für sie manche Reaktionen ihrer Umwelt absolut unverständlich sind und sie nur wenig andere Möglichkeiten haben, damit klar zu kommen .

Und: "Menschen mit Autismus sind in der Kommunikation oft beeinträchtigt. Die Kommunikationsstörung führt oft zu Anspannung. Daraus resultieren oft aggressive oder destruktive Impulse, die unter Spannung nicht genügend kontrolliert werden können." https://www.stiftung-liebenau.de/fileadmin/benutzerdaten/bildung/pdf/04_Mediathek/Autismus/bildung-autismus-impulskontrollstoerungen-meir-2017.pdf

und:

Menschen mit frühkindlichem Autismus haben oft wenig Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu äußern. Aggressive Verhaltensweisen sind oft ihre einzige Möglichkeit, Unzufriedenheit und Frustration auszudrücken.

Ich erinnere mich an die Frustration, nicht sprechen zu können. Ich wusste, was ich sagen wollte, aber ich konnte die Worte nicht herausbekommen, also habe ich geschrien.

Temple Grandin

Natürlich ist Aggression nicht akzeptabel. Aber um das Problem zu lösen, muss man hinter das Verhalten schauen: Was sind mögliche Gründe? Was kann man an der Situation ändern? Wie kann der Weg zu einer besseren Kommunikation aussehen?

https://autismus-kultur.de/autismus/fruehkindlicher-autismus.html

Weil die Dinge nicht in ihre Routine passen werden sie unsicher und ängstlich und aufgewühlt

aber auch nur bei starken Ausprägungen

Warum haben Autistische Menschen meist eine schwere Form so häufig Wutausbrüche?

Das finde ich eine etwas fragwürdige Frage. Meinst du Menschen mit Autismus, in einer schwereren Form, haben so häufig Wutausbrüche oder Menschen mit Autismus haben häufig schwere Wutausbrüche?

Bei ersterem: das kann viele Gründe haben. Mein Highlight ist sensorische Überreizung. Hyperfokussierung auf Außenreize, unbewusst, kann sehr nervig sein.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Sozialpädagogischer Zug / Berufserfahrung