Astrofotografie, Milchstraße kaum erkennbar?

11 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Jacke...,

bevor ich in Details steige, erstmal nen Wermutstropfen: Jetzt, im Winterhalbjahr bekommst du kaum beeindruckende Milchstraßenbilder hin. Plane es dir besser für die kurzen Neumondzeiten (je zwei Nächte) im Juli/August ein. Dieser Tipp erspart dir Enttäuschungen.

Wie hier schon von allen erwähnt, ist das "Seeing" / "Lichverschmutzung" (Google :) dein Hauptgegner. Es gibt solche Karten - über Hochgebirge, Helgoland, westl Ostfriesland und bei Dannenberg ist's pauschal am klarsten. https://colorationcheveuxfrun.blogspot.com/2017/05/lichtverschmutzung-deutschland-karte.html?m=1  Doch, unterschätze den üblen Mond nicht! Also besser zu Neumondzeiten probieren. Und auf jeden Fall weiiit weg (besser 50km oder mehr) von den leuchtenden Dunstglocken über Großstädten...!

Ein lichtstarkes, deutlich weiteres Weitwinkel als 35mm wäre schon sehr viel besser für schöne Milchstraßenfotos, zumal am aps-c Format. Doch, natürlich wirst du mit deinem 35er auch schon beachtliche Aufnahmen hinbekommen! Die 'Striche' durch die Langzeitaufnahmen werden jedoch durch einen weiten Bildwinkel deutlich kürzer, die möglichen Belichtungszeiten eben länger, das spart also ISO-Rauschen! ;- )

Das günstige Samyang-Fisheye hat eine unerhört hohe Auflösung, damit hast du auf deiner 1,6-Cropkamera einen Blickwinkel wie mit ner 13mm Optik - fast optimal. Das Samyang 14mm f2.8 gilt weltweit wohl als DAS Milchstraßenobjektiv, zumindest als bestes Einsteigerglas dafür...!

Oder auch weitere, versetzte, Aufnahmen zum nachträglichen Bildwinkelschummeln per Panorama? Dafür bräuchte es dann schon eine bildverarbeitende Software, (kostenfreies) Gimp.

Bloß, an der Sicht hapert's wohl am meisten. Am allerwichtigsten ist also klare Sicht und möglichst Neumond (der Mond sorgt oft für dumme Einstrahlungen und eben mieses "Seeing"). In der Nähe von Städten stören die Abgase und auch die Stadtlichter sehr. Ich fand die klaresten Himmelssichten in den Alpen und einmal in Portugal am Atlantik. Nach so einer Seeing Karte, oben (Google "Lichtverschmutzung"), soll in Deutschland die klaresten Himmelssichten bei Dannenberg (zwischen Hamburg und Berlin sein. Viel Erfolg dir, wenn du dadurch störungsfreie Sicht findest!

Die Milchstraße zieht ja nun durch die Erddrehung scheinbar einmal rum, pro Tag. Die beste Ansicht wirst du tatsächlich durch die ganze Nacht herausfinden, je nachdem wie der Mond zu der Milchstraßenstellung steht. Aber, der bewegt sich ja schnell. Nun kennst du andere Milchstraßenfotos und kannst dich ein bisschen danach richten. Auch sogar vor 22h kann es durchaus mal phänomenal sein! Außerdem, für solche Fotos lohnte sich jede Nacht-am-Stativ! ;- ) Ah, fällt mir gerade ein, denk an gemütliche Gartenstühle oder -liegen und dicke Kleidung!

Und für die spätere Aufnahme an zumindest eine hierfür sanft belichtete Aufnahme des Vordergrundes, der mit der Milchstraße zusammenkopiert eine umwerfende Tiefe des Bildes erzeugt! :- )

- Weiiitwinkel, offene Blende, bei Crop, nicht deutlich mehr als 15sec (wegen der plöden Striche). Bei Vollformat können es auch über 30sec. werden. Die Formel dazu 500 durch (Crop x Brennweite). Bei deinem 35er also knappe 9sec. Je weiter die Optik, desto kürzer die Striche.

- Mach den Bildstabilisator aus...! Das ist bei manchen IS o. VR brandwichtig!

- Und... zieh das Stativ besser nicht ganz aus - in nur einem Drittel der Höhe steht es (am Boden!) sehr viel stabiler!

- Kontrolliere genau den Fokus manuell, das kann erstaunlich viel ausmachen, denn unendlich ist am Objektiv eben nicht real unendlich! Profis wie wir suchen tagsüber an einem fernen Bergwipfel den realen Unendlichpunkt an der Objektivschnecke und markieren den! ;- ) Und nachts dann 10-fache Vergrößerung und gaanz vorsichtig die Schärfe am hellsten Stern prüfen! Den Autofokus kannst du dabei völlig vergessen.

- Fernauslöser ist besser als Selbstauslöser und der ist weit besser als Fingerdruck!

- Bei einer Spiegelreflex arbeitest du dann besser ohne Spiegelschlag, also mit Vorauslösung!

- Zum Herumfummeln im Dunkeln und überhaupt Nichtstolpern: kleine (am besten rot getönte) LED-lampe (Batterien dafür nicht vergessen!)

- Wenn du wählen kannst, nimm dazu ne Kamera mit dem größeren Sensor. Die Iso stellst du besser mal versuchsweise ein, denn jede Kamera rauscht unterschiedlich. Wenn du gar iso 2500/3200 mit erträglichem Rauschen schaffst, ist die Schlacht fast gewonnen! :- ) Wenn nicht, machst eben mehrere kürzere Aufnahmen zum Stacken - mal sehen. Ich sags gleich, die kleine Displaydarstellung ist leider wenig hilfreich, wenn's an den Iso hapert.

- Wenn du es zeitlich beeinflussen kannst, mach die Aufnahmen bei geringstem Mond (der strahlt nämlich sehr störend!) Mach eben mehrere Aufnahmen, die könnte man später vielleicht miteinander verrechnen.

Ich hab bestimmt noch was vergessen... *grübel*

Ach ja, wenn's an der Verschlussgeschwindigkeit oder an der Spiegelvorauslösung hapern sollte, machst'd es wie früher die Herren Fotografen im Knickebocker: Dunkles, dichtes Tuch über alles, auf "T" oder "B"/Feststell auslösen und dann das Tuch für die ermittelte Belichtungszeit ganz ruhig hoch- und danach wieder herunterheben...! :- )

Nun hängt natürlich alles nur von dem wirklich stattfindenen Motiv ab, von dem 'Seeing' ('ungestörte' Sicht) und eben solchen plöden Mondeinstrahlungen in der Atmosphäre. Ganz sicher auch von dem möglichen schwarzdunklen oder sogar zart beleuchteten Vorder-/Mittelgrund. Und ganz "vor allem" natürlich von der sichtbaren Ausbreitung der Milchstraße am Firmament (denk an die Erdumdrehung).

Unter Umständen wirst du sogar ne ganze Weile (Stunden?) warten oder auch ne kleine Strecke gehen müssen, um vielleicht attraktive Details als Silhouette in den Mittelgrund eines passenden Bildes zu bekommen (dann mit der Schärfe spielen!)... Ja, und denk an nötigen Kartenspeicher, volle Batterie dafür!

Noch etwas zu den Iso fiel mir beim Durchlesen gerade ein... Ich kenne nun nicht die die wirkliche Qualität deiner kamerainternen Rauschunterdrückung bei Langzeitaufnahmen. Deshalb solltest du beide Varianten einfach ausprobieren (Ich glaube 'normal' und 'stark' gibt es überall) und auch ganz ohne Rauschunterdrückung. Ich hatte mehrfach schon festgestellt, dass die kamerainterne Rauschunterdrückung von einer späteren Software noch verbessert werden konnte. Ich bin nach wie vor vom uralten "NEAT" bestens überzeugt. Prüfversion war damals for free. Na ja, mit den Milchstraßenaufnahmen wirst du mit der Bildbearbeitung ohnehin noch viel nachträglich retten können! :- )

Bis zum Juli ist ja vielleicht noch Zeit für das tolle14/f2.8 Samyang? Viel Freude dir bei der Vorplanung, bestimmt noch verschiedenen Nachtaufnahmen und absoluten Erfolg dir dann mit der astralen Straßenfotografie im Sommer! Nach getaner Arbeit melde ich mich jetzt ab in's Bett :- ) 


Jacke001 
Fragesteller
 25.10.2021, 06:40

Danke für deine Ausführliche Antwort! Soweit hab ich alles beachtet (Spiegelvorauslösung, Stativ, maximale Belichtungszeit, Selbstauslöser, usw.) außer der Jahreszeit und dem Ort.

Ich hatte letztes Jahr schoneinmal im Österreich Urlaub probiert, auch ohne wirklich gute Ergebnisse, allerdings fehlte mir da noch etwas das technische Wissen.

Nun dann werde ich mich wohl noch etwas gedulden müssen. Das Objektiv ist natürlich schon ein ganzschöner Happen vom Preis her (ich weiß, eigentlich noch recht günstig für ein Objektiv). Mal schauen ob ich mir das zulege.

Ich hab noch mein Kitobjektiv rumliegen, 18mm-55mm f3.5. Hab durchaus gelesen, dass man sich auch von der vergleichsweise kleinen Blende nicht unbedingt abschrecken lassen soll.

Danke auf jedenfall für deine Zeit und schöne Woche noch.

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Naiver  26.10.2021, 08:30

Hallo Jacke...,

hab Dank für deine hohe Auszeichnung, bis auf Jahreszeit und Ort hattest du jalles schon selbst gewusst. Zeige uns unbedingt deine Ergebnisse im Sommer! *wink* :- )

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Littlethought  29.10.2021, 22:17

Super Antwort ! Gruß von Littlethought.

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Das Problem ist einfach Lichtverschmutzung. Daher bekommst du in keiner Stadt tolle Milchstraßenfotos hin. Ab aufs Land, an Stellen wo nur wenige kleine Dörfer sind.

Selbst dieses hier mitten aus einer unbeleuchteten Burg im Pfälzer Wald, hat ein wenig Lichtverschmutzung von französischen Städten.

Bild zum Beitrag

Hier findest du eine Karte:

https://www.lightpollutionmap.info/

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Fotografiere in Hobby und Beruf seit 2003
 - (Computer, Technik, Technologie)

Zuerstmal das eigentliche aufnehmen:

Dein Fokus passt ja bereits und die Belichtungszeit ist grenzwertig (deine Sterne sind schon leicht eiförmig)

Den ISO wählst du so hoch dass im Histogramm der Berg auch deutlich vom linken Rand abhebt damit keine Details im dunklen Nachthimmel verloren gehen.

Jetzt nimmst du dir ein Intervallmeter und lässt die Kamera fotografieren bis dein Akku auf etwa 25% ist. Wenn du keine Nachführung hast richtest du die Kamera einfach auf einen markanten Stern den du dir merken kannst und richtest sie manuell alle paar Minuten nach.

Wenn deine Lights fertig sind machst du noch darks, die dienen zur Rauschreduzierung. Dazu machst du einfach Bilder mit den gleichen Einstellungen aber mit aufgesetztem Objektivdeckel. Wichtig ist auch das deine Kamera die gleiche Temperatur hat.

Das alle Aufnahmen im raw format geschehen versteht sich von selbst.

Die Bilder fütterst du in das Programm deep Sky stacker (kostenlos) heraus kommt dann ein 16bit TIFF welches du in deinem gewohnten Programm nachbearbeiten kannst. Video-Tutorial

Beim nachbearbeiten ist es dein Ziel den Berg im Histogramm auseinander zu ziehen, in diesem befindet sich nämlich alles interessante.

Bild zum Beitrag

Wenn du jetzt auch noch Landschaft im Vordergrund möchtest so ist es ratsam diese separat in einer Langzeitbelichtung aufzunehmen, gesondert zu bearbeiten und nachträglich würdet einzufügen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Administrator mit über 12 Jahren Berufserfahrung
 - (Computer, Technik, Technologie)

Jacke001 
Fragesteller
 25.10.2021, 12:00

Danke, mit dem Programm hatte ich mich auch schon etwas beschäftigt. Wie viele Lightframes macht man denn? Einfach so viele wie möglich?

Wie sieht es mit Bias und Flat Frames aus, du hattest sie ja jetzt nicht genannt. Brauch ich die unbedingt, oder geht es auch ohne?

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Krabat693  25.10.2021, 12:18
@Jacke001
Wie viele Lightframes macht man denn?

So viel wie geht, mehr ist hierbei besser.

Wie sieht es mit Bias und Flat Frames aus

Grundsätzlich sind sämtliche kalibrierungsframes optional, aber sie verbessern deutlich dass Endergebnis ein sie richtig gemacht wurden.

Ich habe mich erstmal nur auf dark Frames neigen da diese einfach aufzunehmen sind und sie den größten Effekt haben.

Bias Frames sind dazu da das Ausleserauschen zu reduzieren. Das fällt bei Kameras mit CMOS Sensor aber kaum ins Gewicht. Um Bias Frames hinzuzufügen machst du nochmal ein Set Bilder, wieder mit Objektivdeckel, bei gleicher Temperatur und gleichem ISO aber mit der kürzest möglichen verschlusszeit.

Flat Frames korrigieren Fehler in der Optik, zb vignetting oder Staub. Für korrekte flatframes kannst du zum Beispiel ein Tablet nehmen, einfach ein komplett weißes Bild anzeigen lassen und das Tablet auf das Frontelement legen. Dein Fokus, Blende und deine Brennweite darf sich aber nicht ändern. Jetzt stellst du deine Kamera auf zeitautomatik damit deine Kamera selbst bestimmt wie das Bild optimal ausgeleuchtet ist. (Deine Kamera belichtet automatisch auf neutral grau)

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Das aller größte Problem ist die Lichtverschmutzung. Schau mal bei Lightpolutionmap fahr an einen Ort wo wenig lichtverschmutzung ist und probiers nochmal. Außerdem solltest du deine Bilder stretchen

Du brauchst auf jeden Fall einen Oiii Filter und solltest den IR Sperrfilter aus der Kamera nehmen.
Außerdem solltest du die Bilder stacken, also viele Bilder mit 6 sek belichten und von einer Software zusammenrechnen lassen, z.B. DeepSkyStacker.

Du solltest auch darauf achten, dass kein Streulicht auf den Sensor trifft, so wie es in deinem Fall durch die Lichter passiert.


Jan235J  25.10.2021, 11:17

Genau denn nur mir Filter bekommt man gute Bilder ohne geht's nicht ;] Das stacken ist Völliger Schwachsinn bei Milchstraßen Fotografie. Lohnt meist nur bei hoher Brennweite.

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