Antikes Rom sowie Athen: Gesetzgebung?

1 Antwort

Ein sinnvoller Vergleich mit Gemeinsamkeiten und Unterscheiden bei der Gesetzgebung ist zwischen Athen und Rom nur in Beziehung auf eine bestimmte politische Ordnung, die es in einem Zeitraum gegeben hat, möglich.

Ich versuche einen Entwurf für die athenische Demokratie und die römische Republik.

Gemeinsamkeiten

  • Gesetzgeber/Befugnis zur Gesetzgebung: Die Gesetze wurden von Volksversammlungen beschlossen.
  • Beteiligte an der Gesetzgebung durch Abstimmung in Volksversammlungen: An den Volksversammlungen konnten volljährige Bürger teilnehmen. Keine politischen Rechte hatten: Frauen, Kinder, Ausländer/Nichtbürger, Sklaven.
  • Mehrheitsprinzip: Die Volksversammlungen beschlossen Gesetze aufgrund einer Mehrheit bei der Abstimmung.
  • Möglichkeit der Aufhebung bereits beschlossener Gesetze: Von Volksversammlungen konnten unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich aufgehoben werden.

Unterschiede

  • Arten der Volksversammlung: In Athen gab es ein einzige Art von Volksversammung, die ἐκκλησία (ekklesia). In Rom gab es vier Artten von Volksversammlungen. 1) Die Curiatskomitien (comitia curiata) waren Versammlung der 30 Sippen (curiae; Kurien), in der späteren Zeit der römischen Republik durch 30 Liktoren (Amtsdiener) vertreten mit hauptsächlich sakraler Funktion (religiöse Zeremonie und formale Bestätigung der Gültigkeit von Staatsakten) und Mitwirkung bei einigen Familien- und Erbangelegenheiten (z. B. Adoptionen). 2) Die Zenturiatskomitien (lateinisch: comitia centuriata) waren nach Zenturien (die Bezeichnung ist aus der Heeresorganisation übertragen) genannten Körperschaften gegliedert. Es gab vermutlich 193 Zenturien, bei denen es eine Unterteilung nach Vermögensklassen bestand. 3) Die Tributkomitien (lateinisch: comitia populi tributa bzw. kurz comitia tributa) waren nach Bezirken (lateinisch: tribus) gegliedert. Es hat 4 städtische Bezirke (lateinisch: tribus urbanae) und 31 ländliche Bezirke (lateinisch: tribus rusticae) gegeben, also insgesamt 35 Körperschaften. Nach tatsächlichen Wohnorten war die Gliederung nur anfangs, dann wurden die Bürger durch Listeneintragung zugewiesen. 4) Die Plebejerversammlung (lateinisch: concilium plebis) bestand nur aus Plebejer, keinen Patriziern. Sie war nach Bezirken (lateinisch: tribus) gegliedert.
  • Zählung nach Einzelpersonen oder Stimmkörperschaften: In Athen zählte die Stimme jedes einzelnen Bürgers in der Volksversammlung und gleich viel. In Rom wurde nach Stimmkörperschaften abgestimmt, wobei jede Stimmkörperschaft (Kurie, Zenturie oder Tribus/Bezirk) eine einzige Stimme (nach Mehrheit innerhalb dieser Einheit vergeben) hatte. Bei den Zenturiatskomitien waren die Unterschiede des Stimmengewichts groß (Reiter: 18, Fußsoldaten 1. Klasse 80, 2. Klasse 20, 3. Klasse 20, 4. Klasse 20, 5. Klasse 30, Handwerker 2, Musiker/Spielleute 2, [nahezu] Besitzlose [lateinisch: capite censi/proletarii] 1). Abgestimmt wurde in der Reihenfolge der Vermögensklassen (außer einer durch Los bestimmten centuria praerogativa aus der 1. Klasse), bis eine Mehrheit erreicht war. Jede Einheit (Zenturie) hatte nur eine Stimme (Mehrheit innerhalb der Einheit). Die Reichen hatten trotz weniger Mitglieder viele Zenturien und so ein größeres Gewicht.
  • Einberufung und Vorsitz: In Athen wurden Volksversammlung aus den eigenen Reihen der Bürger einberufen und geleitet. Es gab 40 regelmäßige Tagungen der Volksversammlung pro Jahr, zu weiteren außerordentlichen Tagungen konnte zusätzlich eine Volksversammlung einberufen werden. Der Rat (βουλή) der 500 bestand aus je 50 Bürgern der 10 Phylen, wobei die Ratsmitglieder aus den einzelnen Demen entsprechend ihrer Größe kamen. Mitglieder des Rates konnten Bürger über 30 Jahre werden. Je 1/10 des Jahres waren 50 Ratsmitglieder einer Phyle der geschäftsführende Ausschuß. Diese Ratsherren wurden Prytanen (πρυτάνεις [prytaneis]; Singular: πρύτανις [prytanis]; »Vorsteher«) genannt. Die Leitung hatte unter ihnen täglich wechselnd ein Vorsitzender (ἐπιστάτης [epistates]). Er hatte auch den Vorsitz des Rates und der Volksversammlung. Im 4. Jahrhundert v. Chr. hat es in einer Änderung aus den anderen Phylen 9 Vorsitzende (πρόεδροι [prohedroi]; Singular: πρόεδρος [prohedros]) gegeben und unter ihnen einen Vorsitzenden, der (ἐπιστάτης [epistates]) Sitzungen des Rates und Volksversammlung leitete. In Rom wurden Volksversammlungen von Magistraten einberufen und als Vorsitzende geleitet (Zenturiatskomitien gewöhnlich durch Konsuln oder Praetoren, Tributkomitien gewöhnlich durch Konsuln oder Praetoren oder Volkstribune, Plebejerversammlung durch durch Volkstribune).
  • Verhinderung von Beschlüssen: In Athen waren die Möglichkeiten zur Verhinderung von Beschlüssen sehr begrenzt. Es konnte eine Rechtswidrigkeit eines Antrages beanstandet werden und dann kam es darauf am, ob dies zumindest als Grund für eine Verschiebung anerkannt wurde. In Rom waren die Möglichkeiten zur Verhinderung von Beschlüssen größer. Es konnte gegen die Amtshandlung eines Magistraten, einen Gesetzesantrag zu veröffentlichen (promulgatio; mindestens 17 Tage vor Abstimmung) und vor der Volksversammlung zu stellen (rogatio), durch einen mindestens gleichrangigen Magistraten oder einen Volkstribun eine Interzession (intercessio; »Dazwischentreten«, Veto/verbietender Einspruch) eingelegt werden. Es konnte mit sakralrechtlichen Mitteln (z. B. Mitteilung, schlechte Vorzeichen beobachtet zu haben, was Abbruch der Volksversammlung erfordere) Obstruktion betrieben werden.
  • Mitwirkungsspielraum des Volkes: In Athen hat der Rat der 500 einen Vorbeschluß (προβούλευμα [probouleuma]) als Vorlage ausgearbeitet. Ihm wurden Wünsche und Anträge übermittelt. In der Volksversammlung hatte aber jeder Bürger Rederecht, konnte an der Beratung und Diskussion teilnehmen, Abänderungen von Anträgen vorschlagen und einen eigenen Antrag stellen. Bei Volksversammlungen in Rom, die Gesetze beschlossen, konnten die Bürger nur zustimmen oder ablehnen (Ja oder Nein-Entscheidung), nicht selbst einen Antrag stellen, nicht beraten und diskutieren/debattieren (es gab die contio, eine informelle Versammlung ohne Gesetzgebungsbefugnis, in der Politiker Absichten und Gesetzesentwürfe ankündigen und vorstellen konnten), keine Anträge abändern oder selbst eigene Anträge stellen. Oft waren Gesetzesanträge vorher im Senat beraten worden und hatten dort mehrheitlich Zustimmung erhalten. Dies änderte sich allerings in der späten Republik, als Politiker mehr auch am Senat vorbei bzw. gegen dessen Mehrheitsmeimung Gesetzesanträge stellten.
  • Inkrafttreten: In Rom wurden Gesetzesbeschlüsse formell durch Autorität der Patrizier (auctoritas patrum) bzw. des Senates (auctoritas senatus) rechtsgültig. Anfangs wurde nach Gesetzesbeschüssen entscheiden, was politische Bedeutsankeit gab, später im Voraus erteilt.
  • Stufen des Verfahrens: in Athen ist im späten 5. Jahrhundert v. Chr. eingeführt worden, bei grundlegenden Gesetzen eine Seite für und eine Seite gegen ein neues Gesetze reden zu lassen und dann ein Gremium von 6000 Gesetzeserlassern; Nomotheten [νομοθέται] mit Mehrhiet entscheiden zu lassen). In Rom hat es ein solches mehrstufiges Verfahren nicht gegeben.
  • Verfahren zur Aufhebung von Gesetzen: In Athen wurde wohl Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. eine Klage wegen Rechtswidrigkeiten (γραφὴ παρανόμων [graphe paranomon]) eingeführt, die Bürger gegen Beschlüsse erheben konnten, die gegen Verfahrensvorschriften oder ein bestehende Gesetz verstießen. Ein Volksgericht entschied dann. In Rom hat der Senat seit Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. ein Recht zur Kassation von Gesetzen beansprucht. Er hat so Gesetze wegen behaupteter formalrechtlicher Fehler annulliert (für nichtig erklärt). Als Gründe konnten Regelwidrigkeiten, Verstöße gegen Gesetze und Anwendung von Gewalt gegen Obstruktionsmittel angegeben werden.