Angenomen man befindet sich in einem Zug der sich gleichförmig bewegt, ohne Fenster, ohne Vibration, wie könnte man feststellen ob der Zug gerade fährt?

10 Antworten

Hallo hallo439,

wenn der Zug auf der Erde bleiben soll, kann er nicht wirklich geradlinig fahren, sondern er muss einen Kreis von etwas weniger als 6400 km Radius beschreiben (immer vorausgesetzt, man baut im Zweifelsfall Brücken über die Ozeane; mit einem Flugzeug wie der Concorde ließe sich das allerdings viel billiger und unkomplizierter realisieren).

Bewegung „geradeaus“ auf der Erde

Die an Bord messbare Schwerkraft nimmt mit wachsendem Tempo ab, und zwar quadratisch:

(1) g_{eff} = g − v²⁄R = g − ω²·R

Dabei ist R natürlich der Bahnradius, v der Betrag der Geschwindigkeit und ω der der Winkelgeschwindigkeit und g ≈ 10¹ m⁄s² der Betrag der Gravitationsfeldstärke. Bei

(2) v₀ = √{R·g} ≈ 8×10³ m⁄s

(eigentlich etwas weniger, denn sowohl Radius als auch Gravitationsfeldstärke der Erde sind geringfügig kleiner) entspräche die Gravitation gerade der erforderlichen Zentripetalbeschleunigung, und an Bord wäre man schwerelos.

Wirklich geradlinig-gleichförmige Bewegung

Wäre man hingegen irgendwo im freien Weltraum mit einem Raumfahrzeug geradlinig-gleichförmig unterwegs, wäre man ohnehin schwerelos, es sei denn, an Bord würde eine Art künstliche Schwerkraft erzeugt. Es gäbe keinen rein physikalischen Weg, dem Fahrzeug eine Geschwindigkeit verbindlich zuzuordnen - nicht einmal über hochpräzise Messungen und Vergleiche der Lichtgeschwindigkeit in verschiedene Richtungen. Sie hat in alle Richtungen denselben Betrag c ≈ 3×10⁸m⁄s.

Wenn eines der grundlegenen Prinzipien schon der Klassischen Physik tatsächlich gilt, nämlich GALILEIs Relativitätsprinzip (RP), kann das auch gar nicht anders sein. Es sagt nämlich aus, dass die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen - nichts anderes sind Naturgesetze - unabhängig davon sind, welchen Bewegungszustand ein Beobachter hat bzw. sich selbst zuschreibt.

Licht wiederum wurde spätestens von MAXWELL als ein bestimmter Frequenzbereich elektromagnetischer Wellen identifiziert, und die Gleichung, die sie beschreibt, folgt direkt (das ist wichtig) aus seinen Grundgleichungen der Elektrodynamik, was sie selbst zum Naturgesetz macht, das wiederum dem RP unterliegt.

Dies ist die Grundlage der Speziellen Relativitätstheorie (SRT).

Insbesondere, wenn zwei Körper, z.B. Raumfahrzeuge oder Uhren an Bord von Raumfahrzeugen, nennen wir sie A und C, sich relativ zueinander bewegen, können wir jeden von ihnen als stationär beschreiben, und ein und dasselbe Lichtsignal hat relativ zu jedem der beiden das Tempo c.

Achtung: Mit der „Geschwindigkeit relativ zu A“ ist gemeint, dass wir A dann auch als stationär interpretieren! Es nicht nicht etwa so etwas wie „die Geschwindigkeit relativ zu A unter der Annahme, dass C stationär ist“ - dies ist nicht die Relativgeschwindigkeit, sondern sie könnte man als Differenzgeschwindigkeit bezeichnen. In der NEWTONschen Mechanik (NM), in der Geschwindigkeiten sich vektoriell addieren, besteht kein Unterschied zwischen beiden, wohl aber in der SRT.

Die „relativistischen Effekte“

Wenn von der SRT die Rede ist, wird immer gern von „den relativistischen Effekten“ gesprochen, was ich auch getan habe:

  1. „Zeitdilatation“ - „bewegte Uhren gehen langsamer“
  2. „Längenkontraktion“ - „bewegte Maßstäbe sind kürzer“
  3. Relativität der Gleichzeitigkeit

Heute tue ich das nicht mehr, denn ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die Relativität der Gleichzeitigkeit räumlich gesltrennter Ereignisse der relativistische Effekt ist. Die anderen beiden sind bestenfalls als Nebeneffekte zu betrachten und ihre Bezeichnung bestenfalls irreführend.

Was man als Wechsel des Bezugssystems bezeichnet, die LORENTZ-Transformation, ist mitnichten ein brutales Gezerre und Gequetsche, sondern eine ganz sanfte Uminterpretation. Stell Dir eine Zeichung auf einem unlinierten Blatt vor, auf das Du eine karierte, mit Koordinatensystem versehene Folie legst. Dadurch bekommen alle Punkte Koordinaten, und die ändern sich, wenn Du die Folie verschiebst oder/und drehst. An der Zeichnung ändert sich nichts.

So ist es auch in der Raumzeit - auch wieder etwas, das ich heute anders sehe als früher. Damals hätte ich gesagt, der enge Zusammenhang zwischen Zeit und Raum rechtfertige ihre Zusammenfassung zur Raumzeit. Unfug!

Zur Raumzeit zusammenfassen „könnte“ man selbst den „absoluten Raum“ und „die absolute Zeit“, wenn es denn eines von beidem gäbe. Damit ist ja noch nicht gesagt, in welcher Beziehung sie stehen. In jedem Fall klappt aber z.B. ein Date nur, wenn sich beide Partner über Ort und Zeit einigen konnten. Allgemein fallen auch zwei Ereignisse genau dann in etwa zusammen, wenn sie räumlich und zeitlich in etwa zusammenfallen.

Stellen wir uns zwei Straßen vor, die wir ebenfalls mit A und C bezeichnen und die in einem spitzen Winkel von knapp 37° zueinander verlaufen. Wenn man die Richtung von A als „vorwärts“ interpretiert, verlaufe C nach vorn links.

Dementsprechend muss A, wenn man die Richtung von C als „vorwärts“ interpretiert, nach vorn rechts verlaufen. Von zwei an A stehende Leitpfosten (Abstand 50m) steht demnach mit C als Vorwärtsrichtung nur 40m vor und dafür 30m rechts von dem anderen. Kein Mensch käme darauf, zu behaupten, die Strecke hätte sich durch die Interpretation von C als „vorwärts“ zusammengezogen.

Die Beziehung zwischen der Zeit und einer Raumdimension ist eine andere als die der Raumdimensionen untereinander, aber wenn man sich das folgene Diagramm anschaut, sieht man, dass die „gedehnten“ Zeitspannen und „zusammengezogene“ Strecke in der Raumzeit ganz anders liegen als die jeweils „normal langen“. Man sieht auch, warum ich den relativ zu A bewegten Körper C und nicht B genannt habe: B ist ein „dritter“ Körper, der relativ zu A stationär ist, mit Abstand d.

Bild zum Beitrag

Ruhe und Bewegung relativ zum Kosmos

Das RP und die SRT sagen aus, dass es so etwas wie „das ruhende“ Koordinatensystem nicht unbedingt geben muss, und sollte es eines geben, dass man die eigene Bewegung relativ dazu nicht zu berücksichtigen braucht, um Physik zu betreiben.

Die Existenz eines solchen verbietet nicht einmal die Allgemeine Relativitätstheorie. So kommt die kosmische Hintergrundstrahlung durchaus dafür in Frage. Sie ist nahezu völlig isotrop, hat aber kleine zufällige Schwankung und auch eine kleine Asymmetrie: In einer Richtung im Raum ist sie ein ganz kleines bisschen „wärmer“, in entgegengesetzer ein Bbisschen „kühler“ als der Durchschnitt. Das ist ein Hinweis darauf, dass wir uns insgesamt relativ zum Kosmos selbst mit knapp 370 km/s bewegen.

Allerdings sind Präzisonsmessungen am Hintergrund eine astronomische und keine physikalische Methode, weshalb der nicht als Argument gegen die strenge Gültigkeit des RP und der SRT taugt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
 - (Physik, Relativitätstheorie)
ob der Zug gerade fährt?

Ist die Zweideutigkeit der Formulierung Absicht?

Ob der Zug momentan fährt, ist in Ermangelung eines Bezugssystem, relativ zu welchem er sich bewegen soll, nicht definiert. Und lässt sich ohne Zugriff auf dieses Bezugssystem auch nicht messen.

Ob der Zug geradeaus fährt, lässt sich beispielsweise daran erkennen, ob sich die Richtung eines Pendels ändert (Es zeigt in Richtung der Resultierenden aus Gewichts- und Zentrifugalkraft, letztere ändert bei einer Kurvenfahrt die Richtung).

Für den Fall, dass der Zug mit Neigetechnik ausgerüstet ist, muss auch die Kraft auf das Pendel gemessen werden: Neigung in Geradeausfahrt ändert die Richtung, aber nicht den Betrag der Kraft.

Letzte Möglichkeit: Nimm' Dein Handy und nutze den GPS-Empfänger. Funktioniert hervorragend, um dem Fragesteller zu zeigen, dass man Unterrichtsfragen nicht aus Schulbüchern abschreiben sollte, die vor Erfindung von GPS geschrieben wurden.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Sofern keine Information nach Außen und Innen gelangen kann: Gar nicht. Weil: Innertialsystem und somit nicht möglich was über die Geschwindigkeit zu erfahren.

Wenn´s Kommunikationsmöglichkeiten nach Außen gibt, dann natürlich alles mögliche, was man sich von Satelliten, etc. vorstellen kann.

Durch eine Messung.

Körperliche Wahrnehmung hilft da wohl nicht, ansonsten würden wir die Geschwindigkeit der Erde wahrnehmen.

hallo439 
Fragesteller
 04.03.2020, 22:51

was müsste man messen? den ort mit GPS vllt?

1
MrMiles  04.03.2020, 22:52
@hallo439

Ja über GPS könntest du die Position abgleichen und so auch die Geschwindigkeit messen.

0
gfntom  04.03.2020, 22:53

Ach ja? was soll man denn da messen?

Das wir Geschwindigkeiten als solche nicht wahrnehmen, hat den Grund, dass sie ohne Bezugspunkt nicht existieren. da kann man auch nichts messen.

2
MrMiles  04.03.2020, 22:55
@gfntom

Wie geschrieben könntest du über ein GPS Empfänger deinen Standort abgleichen. Abgesehen von wissenschaftlichen Geräten, kann sowas heutzutage jedes Smartphone.

0
XGamer11208  04.03.2020, 23:24
@MrMiles

Vorausgesetzt du hast Zugriff (auch technisch) auf einen Äußeren Bezugspunkt

1
SlowPhil  10.03.2020, 10:20
Körperliche Wahrnehmung hilft da wohl nicht, ansonsten würden wir die Geschwindigkeit der Erde wahrnehmen.

Allenfalls die ständige Änderung der Bewegung der Erde. Gradlinig-gleichförmige Bewegung kann man weder spüren noch messen, ohne Bezug auf einen anderen Körper oder z.B. den kosmischen Hintergrund. Das ist selbst durch Messung der Lichtgeschwindigkeit nicht möglich, eine Erkenntnis, die zur Entwicklung der Speziellen Relativitätstheorie führte.

0

Gleichförmige Bewegungen ohne Beschleunigungen sind nur in Relation zu einem Bezugssystem feststellbar. Ohne Fenster, Schall- oder Funkortung ist nicht festzustellen, ob der Zug fährt.