Also, sollte es immer noch Leute geben, die sich diesen Thread durchlesen, dann hoffe ich, ihnen ein wenig behilflich sein zu können - der Chicago Jazz ist nämlich so eine Art Leidenschaft von mir.

Der Stil bildete sich Anfang der 20er Jahre heraus. Zuvor geboren worden war der Jazz als solcher ja Ende des 19. Jahrhunderts in New Orleans, wo schwarze und später auch weiße Kapellen europäische Marschmusik mit afrikanischen Rhythmen vermengten. Der New Orleans-Stil wies dabei als wichtigstes Charakteristikum die sog. Kollektivimprovisation auf, d.h. man einigte sich nur auf Harmonieabfolgen, innerhalb derer dann alle Musiker spielen konnten, was sie wollten. Ziemliches Gewusel, ziemlich unelegant - siehe Sparkassen-/Stadtfeste wo dann "Uncle Joe's Southshore Dixie Crackers" oder so spielen. ;-)

Als das Vergnügungsviertel von New Orleans geschlossen wurde, nahm auch die Bedeutung der Stadt für die Entwicklung des Jazz ab. Stattdessen verlagerte sich das Epizentrum des Jazz nach Chicago - im Gegensatz zu New Orleans eine reiche, "weiße" Stadt. Der Jazz hatte zu diesem Zeitpunkt also bereits an "Salonfähigkeit" gewonnen.

Der Stil der Musik änderte sich in Chicago recht stark. Die oben genannte Kollektivimprovisation wich nämlich der Soloimprovisation: jetzt spielte nur noch ein Musiker zur Zeit ein Solo, im Hintergrund musizierte während des Solos nur noch die Rhythmusgruppe (freilich war die Kollektivimprovisation nicht plötzlich verschwunden, ihr Abgang verlief in Schritten). Der Klang wurde hierdurch deutlich weniger aufdringlich und gewann massiv an Eleganz. Dies wurde noch verstärkt durch einige instrumentale Variationen: an die Stelle des Banjos trat die Gitarre, an die der Klarinette das Saxophon, zusätzlich spielte ein Klavier. Jetzt klang der Jazz plötzlich "kühl" und "weiß" - und es war kein großer Schritt mehr zu den Big Bands der 30er und 40er, die das Prinzip der Soloimprovisation weiterhin aufrecht erhielten.

Eine der Vorreiter und Hauptvertreter des Chicago Jazz ist sicherlich Bix Beiderbecke. Er spielte das Kornett (eine "kleine Trompete"). Aber auch Louis Armstrong - mit seinen "Hot Five" hatte schon in den Zwanziger Jahren als Vertreter des New Orleans Jazz Erfolge.

Anbei noch einige m.E. besonders hörenswerte Beispiele dieser Musik:

http://www.youtube.com/watch?v=AzNaYKhTX5Y (man beachte das Intro: das erinnert schon an modernen Jazz - wahrhaft avantgardistisch für die Zeit!)

bei YouTube nach VtQI_cpw68U suchen (gutes Beispiel für die Improvisationen: anfangs Kollektiv-, dann Solo-, dann wieder Kollektivimprovisation)

bei YouTube nach NxQddGEtRhk suchen (ach, einfach eine herrrrrliche Aufnahme!)

Ich hoffe man konnte behilflich sein.

Grüße, Worcester

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