Vollkommen individuell ist das durchaus nicht, sondern schon an gewisse Basisinhalte der entsprechenden politischen Richtungen gebunden, denn sonst wären "links" und "rechts" einfach nur Begriffshülsen ohne jeglichen inhaltlichen Charakter, da nicht einmal dazu geeignet einen kleinsten gemeinsamen Nenner im Hinblick auf ein politisches Spektrum abzubilden.

Daneben stellt sich die Frage, welchem Abbildungsmodell man abhängt. Ich für meinen Teil halte das Halbkreismodell für anachronistisch und ziehe ein Dreiecksmodell mit den Exponenten "Sozialismus", "Liberalismus", "Antiegalitarismus" dem klassischen Halbkreis vor.

Was die konkreten Inhalte des "rechten" und "linken" Spektrums angeht, gibt es bei jeder der beiden Richtungen mehr oder minder einen Grundkonsens, an dem nicht zu rütteln ist. Das wiederum gestaltet sich wie folgt:

"Links"

1. Egalitaristisches Weltbild, die Gleichberechtigung und der gleiche Wert aller Menschen auf Basis ihrer Existenz als Menschen wird annerkannt.

2. Materieller Ausgleich: Über die rechtliche Gleichstellung hinaus wird auch eine Begrenzung des Unterschieds der materiellen Möglichkeiten des Individuums angestrebt, was allerdings sehr verschiedene Ausprägungen haben kann, von der schlichten Forderung nach sozialer Gerechtigkeit bis hin zur Forderung der gänzlichen Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln usw.

3. Klassensolidarität: Die Loyalität eines linksgerichteten Individuums gilt den "arbeitenden Klassen". Sie ist Internationalistisch ausgerichtet und kennt keine anderen Kategorien als die der "arbeitenden" und die der "ausbeutenden Klasse".

Demgegenüber "Rechts":

1. Antiegalitaristisches Weltbild: Die Gleichwertigkeit der Menschen auf Basis ihrer Existenz wird bestritten und somit eine Gleichberechtigung abgelehnt. Die Unterscheidung ist stets rassistisch, nationalistisch oder religiös (wobei diese Kategorien fließend ineinander übergehen können) motiviert.

2. Gleiche Rechte und Ansprüche auf materielle Angleichung werden nur Mitgliedern der dezidiert eigenen Gruppe (die sich auf eines oder mehrere der in 1 genannten Kriterien bezieht) zuerkannt, ihr Erreichen auf Kosten außerhalb dieser Gruppe stehender gilt als legitim.

3. Loyalität: Aus oben genanntem ergibt sich bereits, dass sich die Loyalität eines politisch rechtsstehenden Menschen aus der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Vorstellung von Religion, Nation oder Rasse ergibt.

Dieser Katalog ist nicht erschöpfend und spiegelt auch nicht das gesamte politische Spektrum wieder, noch zieht es eindeutige Grenzen ab wann man sich selbst als was zu sehen hat, sondern zeigt die ungefähren Grundeinstellungen dieser Richtungen auf, so dass man an Hand dieser seine ungefähre politische Tendenz bestimmen kann.

Aus obigem ergibt sich ferner, das diese Strömungen miteinander unvereinbar sind, was die individuelle Zuordnung einschränkt.

So ist man z.b. sicherlich nicht "links", wenn man sich zwar "links" nennt, sich einem einheimischen "Kapitalisten" gegenüber aber loyaler verhält als gegenüber einem ausländischen Arbeiter.

Gleichsam ist man nicht rechts, wenn man starke Loyalitäten der eigenen Religionsgemeinschaft gegenüber hegt, durchaus aber auch allen Nichtangehörigen derselben die gleichen grundsätzlichen Rechte zubilligen.

Es ist nicht möglich das hier in Kürze vollkommen erschöpfend darzustellen, jedoch bilden sowohl das "Linke", wie auch das "Rechte" politische Spektrum mehr oder minder geschlossene Gedankengebäude als gesellschaftliches Weltbild aus (was gemeinhin politische Mitte genannt wird, tut das ebenfalls, ist hier aber nicht von Belang). Die sinnvolle Zuordnung einer Person, Gruppe oder Partei zu einem der Beiden Spektra setzt ein Übereinstimmen mit einem Großteil dieses jeweiligen Gedankengebäudes zwingend vorraus und leitet sich nicht aus Verbalbekundungen her.

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