Nun Ich habe in meinem Leben keine Beziehung hin bekommen, die auch nur annähernd an die Überlegung zur Heirat ran kam. Insofern sollte ich nicht wirklich als Eheberater auftreten. :-D
Aber schon durch meinen Beruf kenne ich viele alte Menschen, auch viele alte Ehepaare. Und da kenne ich Ehepaare die nach 60 Jahren (immer noch???) glücklich miteinander sind und welche die nach 60 Jahren( immer noch???) unglücklich miteinander sind.
Nur zwei Beispiele aus meiner Zeit im Altersheim.
1) Frau A. kam ins Heim, weil die Pflege zu Hause nicht mehr zu bewerkstelligen war. Sie war auf den Rollstuhl angewiesen und hatte ein steifes Knie. Das steife Bein stand immer fast waagerecht nach vorne, wenn sie im Rollstuhl saß. Mit dem sperrigen Rollstuhl ging in der engen Altbauwohnung zu Hause nichts mehr. Bei ihrem Einzug im Heim wurde Frau A. von Sohn und Tochter begleitet. Die beiden kamen sie dann auch sehr regelmäßig besuchen und kümmerten sich um alles was erledigt werden musste. Frau A. fragte auch immer nur nach den beiden Kindern, nie nach ihrem Mann. Da sie kognitiv und intellektuell keine Einschränkungen hatte, ging ich einfach davon aus, dass ihr Mann sie nicht mehr besuchen könnte, weil er selber eingeschränkt sei. Als Frau A. dann nach ein paar Wochen einen runden Geburtstag im Heim feierte, kam auch ihr Mann mit zu Besuch. Völlig erstaunt nahm ich zur Kenntnis, dass Herr A. fit wie ein Turnschuh war.
In dem Heim habe ich auch viele Nachtwachen gemacht. Eines Nachts klingelte Frau A. weil sie nicht schlafen konnte und bat mich ihr die Zigaretten und den Aschenbecher zu reichen. Sie bot mir auch eine Zigarette an und wir unterhielten uns. Auf ihren Mann angesprochen lachte sie und sagte: "Der soll ruhig zu Hause bleiben und mit den Witwen im Dorf flirten. Ich flirte hier mit den Herrn." Ich musste dann auch lachen und stellte fest, dass sich das nicht nach der großen Liebe anhört. Da wurde sie etwas ernster und erzählte:
Ja wir waren verliebt. Ich war verliebt in einen gut aussehenden und allseits beliebten jungen Mann und er war in das hübsche, lebenslustige junge Mädchen verliebt. Ich wurde dann sehr schnell schwanger und dann wurde geheiratet, noch bevor irgendjemand etwas von der Schwangerschaft sehen konnte. Wir bekamen dann ein Siebenmonatskind und waren so stolz wie alle anderen Eltern. Und auch auf unser zweites Kind waren wir genauso stolz.
Aber irgendwann verblasste die rosarote Brille und wir bemerkten: Wir haben den falschen geheiratet. Eine Scheidung kam damals nicht in Frage. Das wäre ein Skandal gewesen, vermutlich wären wir geteert und gefedert, mindestens aber aus dem Dorf gejagt worden. Also machten wir "Gute Miene" zum "Bösen Spiel". Wir spielten die glückliche Familie und jeder ging seinen eigenen Weg. Als die Kinder aus dem Haus gingen, zog ich in eins der frei gewordenen Zimmer. Spätestens von da an, waren mein Mann und ich ehr Nachbarn als ein Ehepaar. Der Architekt hatte nur den Fehler gemacht, eine Wohnungstüre zu wenig einzubauen.
Als Frau A. am sterben lag, waren alle ihre Liebsten gekommen. Die Tochter, der Sohn, die Enkel und Urenkel und sogar ihr Lieblingsbruder (der ja auch schon ziemlich alt war) kam aus ca. 400Km mitsamt Frau und Sohn angereist. Der einzige der in den Tagen des Abschieds nicht erschien, war Herr A. Und Frau A. vermisste ihn immer noch nicht.
Herr A. war dann auf der Beerdigung. Er machte einen locker und leichten Eindruck. So als sei eine Nachbarin gestorben.
2) Frau B. kam ins Heim, weil sie mindestens alle 3-4 Stunden Hilfe von qualifizierten Pflegepersonal brauchte. Unter diesen Umständen war die Pflege zu Hause teurer als das Heim. Und da die Familie nicht so sehr betucht war, musste Frau B. ins Heim. Es war keine arme Familie, aber so dick, dass ihnen 1500 Euro jeden Monat egal sein konnte, hatten sie es auch nicht. Herr B. begleitete seine Frau beim Einzug und kam dann täglich um ca 9:30h zu Besuch. Frau A. saß dann im Rollstuhl und wartete auf ihn. Die beiden begrüßten sich jeden Morgen mit einem Küsschen. Herr B. blieb immer, bis nach dem Abendessen da. Er ging mit seiner Frau in den Garten oder in die Cafeteria und/oder auf Gemeinschaftsveranstaltungen vom Haus. Er half ihr beim Essen und achtete darauf, dass er sie immer rechtzeitig wieder zu uns brachte, damit wir sie alle 3 -4 Stunden versorgen konnten. Und das machte Herr B. insgesamt sechs Jahre lang jeden Tag.
Als Frau B. am sterben lag, hat sich Herr B. kurzerhand ein Bett ins Zimmer seiner Frau stellen lassen und sich als Kurzzeitpflegegast eingemietet. Er blieb fast drei Tage rund um die Uhr, bei seiner Frau.
Ich könnte mir hier die Finger wund schreiben mit Beispielen von glücklichen und unglücklichen alten Ehepaaren. Und von den unglücklichen ist das oben erzählte Beispiel vom Ehepaar A. noch ein absolut harmloser Fall. Die beiden haben es ja immerhin noch geschafft in einem friedlichen Nebeneinander zu leben. Da kenne ich andere Ehen in denen sich beide über ein halbes Jahrhundert gegenseitig bekriegt haben.
In meiner Weiterbildung zum Fachpfleger für Gerontopsychiatrie sagte mal eine Dozentin: "Ich halte es für eine sehr eigenwillige Hypothese zu behaupten, die meisten heute alten Ehepaare hätten aus Liebe geheiratet. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die meisten haben damals eine Vernunftehe geschlossen."
Ich habe oft mit alten Ehepaaren oder verwitweten Ehepartnern über die Ehe geredet. Und es schien mir, als wenn es ganz oft die ursprünglichen Vernunftehe waren, die später zu glücklichen Ehen wurden.
Das ließe natürlich den Schluss zu, dass das etwas mit niedriger bzw. hoher Erwartung zu tun hat. Ein Paar das aus Verliebtheit heiratet, schaut durch die rosarote Brille und geht mit hohen Erwartungen in die Ehe. Ein Paar das aus Vernunftgründen heiratet, geht vermutlich mit recht niedrigen Erwartungen in die Ehe und wird dann evtl. positiv überrascht. Also aus der niedrigen Erwartung erwächst dann später das große Glück.
Ich bin überzeugt, dass das mit eine Rolle spielt. Aber es gibt ja auch Paare bei denen die Vernunftehe ins Unglück führte und Paare bei denen die Liebesheirat ins Glück führte. Also muss es da schon noch einen anderen Aspekt geben.
Nochmal zurück zum Ehepaar B.:
Irgendwann war ich anwesend als Herr B. sich von seiner Frau abends verabschiedete. Auch dass geschah mit einem Küsschen. Ich schmunzelte und sagte: "Ach ist dass schön, wenn zwei Menschen sich nach so vielen Jahren immer noch lieben."
Herr B. sah mich an und erzählte:
"Immer noch? Nein! Unsere Ehe war keine Liebesehe. Es war ursprünglich eine Vernunftehe. Aber bei der Eheschließung mussten wir uns versprechen: -Ich werde Dich lieben und ehren bis dass der Tod uns scheidet!- Wir haben damals nicht gesagt, dass wir uns gegenwärtig lieben würden, wir haben uns in die Zukunft versprochen, dass wir uns lieben werden. Meine Eltern haben mich dazu erzogen, dass ich Versprechen halte und ihre Eltern haben sie auch dazu erzogen. Und genau das haben wir getan. Jetzt lieben wir uns, so wie wir uns das versprochen haben."
Liebe, echte tiefe Liebe scheint also eine Entscheidung zu sein.
Das sollte uns Christen doch bekannt sein. Für Jesus mussten wir uns auch entscheiden.