Hallo,

heute morgen in der ersten Stunde kam unser Englischlehrer zu uns hinein und meinte, dass er sehr schlechte Nachrichten für uns hätte. In den folgenden quälend langen fünf Minuten erzählte er uns, dass sich gestern Abend ein Mitschüler umgebracht habe. In Mitten der Totenstille war es für mich erst schwer zu realisieren, was passiert war, und was genau das nun heißt. Doch dann brachen alleine meine Gedanken und Emotionen in mir aus.

Ich kannte den Schüler gut. Noch vor einigen Wochen waren wir mit unserem Ethikkurs essen. Wir "philosophierten" ein bisschen, die Stimmung war recht heiter. Doch die ganze Zeit über erzählte ein Mädchen ununterbrochen über ihre Probleme, ihre selbstgestellten Diagnosen, dass sie Depressionen hat und so. Das macht sie so oft, dass ich da weggehört habe. Doch im Nachhinein betrachtet, frage ich mich, was wohl in ihm vorgegangen sein muss, als sie die ganze Zeit erzählte. Er war wohl ein hervorragender Schauspieler. Noch am Freitag Abend telefonierte ich mit ihn, wir spaßten herum und machten Witze. Nun komme ich mit allem nicht mehr klar. Ich hätte etwas merken müssen, wieso habe ich ihn nie gefragt, wie es ihm geht? Die ganzen Sprüche von Mitschülern über ihn, die ihn gar nicht kannten, sind wie Messerstiche. (Nobody cares unless you're beautiful or dead.)

Hinzu kommen noch meine eigene Probleme, meine Kriese, in der ich seit Monaten feststecke. Ich war schon beim Hausarzt, welcher meinte, ich hätte Depressionen, ist aber nach meinen normalen Blutwerten nicht näher darauf eingegangen. Ich schlafe seit Wochen nur noch mit Schlaftabletten ein, ansonsten liege ich bis 4 Uhr morgens wach, oder wache mitten in der Nacht nach schlimmen Albträumen immer und immer wieder auf. Ich habe mich von meinen engsten Freunden distanziert, kann Menschen nicht mehr in die Augen sehen und bin am liebsten alleine. Besonders schlimm ist es in der Schule, weil ich nicht mehr weiß, wie ich auf meine Mitmenschen reagieren soll. Manchmal könnte ich einfach so weinen, im nächsten Moment fühlt sich alles um mich herum wieder so abgeschlafft und irreal an. Meine Handflächen sind von roten Streifen übersäht, weil ich es nicht aushalte mit jemandem zu reden, ohne mir meine Fingernägel ins Fleisch zu bohren. Außerdem ritze ich mich, wenn ich es mit meinen Gedanken gar nicht mehr aushalte; das verschafft "Ablenkung"...

Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, das wusste ich lange nicht mehr, aber nie war es so schlimm wie nach dieser Nachricht. Mir blieb immer die Alternative "Selbstmord", wenn ich es gar nicht mehr aus halten würde. So dumm es auch klingt war das mein "Antrieb" ("Du hältst heute noch durch, umbringen kannst du dich morgen auch noch.")

Aber jetzt, wenn ich sehe, was ein Selbstmord alles aufwühlt, bleibt diese Möglichkeit nicht mehr. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Ich wurde noch nie mit dem Selbstmord einer Nähe stehenden Person konfrontiert. Was kann ich tun, wie soll ich damit nur umgehen?