Laut türkischer Verfassung darf ein Präsident maximal zwei Amtszeiten regieren. Juristisch gesehen ist Erdoğan derzeit in seiner zweiten Amtszeit, faktisch aber bereits in der dritten, wenn man seine gesamte Regierungszeit betrachtet.
2023 durfte er dennoch erneut kandidieren – weil das Verfassungsgericht entschied, dass seine vorherige Amtszeit nicht vollständig war. Grund dafür war die Vorverlegung der Wahl nach dem verheerenden Erdbeben. Doch viele sehen das kritisch: War es wirklich nur wegen des Erdbebens – oder eher ein taktischer Schachzug? Etwa, um rechtzeitig neue Wahlversprechen zu machen, mögliche Kritik am langsamen Wiederaufbau zu vermeiden oder – wie auch westliche Medien spekulierten – um Wahlmanipulation zu erleichtern bzw. die Wahlbeteiligung in kurdischen Gebieten zu erschweren?
Erdoğan sprach nach dem Putschversuch 2016 auch von einem „Reset“ der Amtszeiten“ durch das neue Präsidialsystem. Er deutete an, dass die bisherigen Amtszeiten rechtlich keine Rolle mehr spielen sollten. Ob Gerichte ihm diese Argumentation noch einmal durchgehen lassen würden – etwa für eine vierte Kandidatur im Jahr 2027 – ist allerdings unsicher.
Deshalb stellt sich nun die Frage: Plant Erdoğan frühzeitige Neuwahlen – vielleicht schon 2025 – um ein weiteres Mandat bis 2029/30 zu sichern, bevor die Verfassung ihm endgültig im Weg steht?
In dieses Szenario würden auch die aktuellen Entwicklungen passen: Die zunehmenden Spannungen im Land, mögliche gezielte Eskalationen und vor allem die wachsenden Angriffe auf politische Gegner wie Ekrem İmamoğlu, der als einer der stärksten Herausforderer gilt. Viele vermuten, dass man ihm entweder ein Politikverbot erteilen oder ihn gleich inhaftieren will. Und das womöglich noch vor der nächsten Wahl – um ihn rechtzeitig auszuschalten.
Denn im Gegensatz zu Kemal Kılıçdaroğlu, der vielen als zu wenig führungsstark erschien und mit seiner alevitischen Herkunft für konservative Wähler schwer greifbar war, spricht İmamoğlu auch religiöse und AKP-nahe Wähler an – eine echte Gefahr für Erdoğan.
Was meint ihr:
• Ist es wirklich nur ein simpler Machtzug, um politische Gegner auszuschalten?
• Oder verfolgt Erdoğan damit auch ein größeres Ziel – etwa einen langfristigen Umbau des politischen Systems oder eine Absicherung für die Zeit nach ihm?
• Glaubt ihr, dass er mit diesen Maßnahmen den Weg für einen AKP-Nachfolger ebnet, der ohne ernsthafte Konkurrenz ins Rennen gehen soll?