oder...Es hat sich als eher zweifelhaft erwiesen, spezifische einzelne Ursachen der Industriellen Revolution bestimmen zu wollen. Nicht wenige davon haben auch andernorts bestanden, etwa in den Niederlanden, in Nordfrankreich oder in Zentraljapan, sodass auch umgekehrt gefragt worden ist, warum es nicht in einer dieser Regionen zu einer derartigen Umwälzung kam.
Für das Vereinigte Königreich lässt sich ein Bedingungsgefüge aufzeigen, innerhalb dessen einzelne Faktoren spezifisch bedeutsam waren. Anzuführen sind:
eine vorausgegangene, viele Jahrzehnte währende Friedensperiode;
ein einheitliches Wirtschaftsgebiet ohne Zollschranken in Insellage;
eine auf Großgrundbesitz ausgerichtete, verhältnismäßig produktive Landwirtschaft mit Arbeitskräfteüberschuss;
eine für Verkehr und Transporte günstige Geographie und ergiebige Kohlevorkommen;
der für Rohstoffimport und Absatzmärkte sorgende Kolonienbesitz samt umfänglichem Kolonialhandel;
die entwickelte Feinmechanik und Werkzeugmacherei;
eine partiell verbreitete Unternehmermentalität, besonders in religiösen Außenseitermilieus.
Von eigener Bedeutung für den kontinuierlichen industriellen Aufschwung war zum einen die auf relativ breite Kreise sich stützende Binnennachfrage für den gehobenen Bedarf, war zudem der bereits fortgeschrittene Überseehandel insbesondere mit Nordamerika und im Weiteren die Ausbildung einer Technikkultur, basierend auf einem durch das Patentrecht flankierten Innovationsstrom.[13] Zwar gab es auch in Frankreich tatkräftige Erfinder in großer Zahl, doch stellten diese ihre Innovationen vornehmlich anderen Gelehrten vor, während die englischen Neuerungen oft direkt in den Aufschwung der industriellen Produktion eingespeist wurden.[14]
Bereits am Vorabend der Industriellen Revolution lag der Lebensstandard in Westeuropa verbreitet deutlich über dem Subsistenzniveau und war im Vergleich zu anderen Weltregionen beachtlich. Dieser relative Reichtum war in Großbritannien besonders ausgeprägt, „ein Produkt der bereits mindestens zweihundert Jahre andauernden ‚ursprünglichen’ Akkumulation.“ [15] Nach Buchheim waren die vorindustriellen Produktivitätsfortschritte der britischen Wirtschaft im 18. Jahrhundert erstmals so groß, dass trotz wachsender Bevölkerung ein Überschuss an „freien“ Ressourcen blieb, der zur Initiierung eines neuartigen, anhaltenden Wachstumsprozesses genutzt werden konnte. Damit eröffnete sich auf lange Sicht ein Ausweg aus der malthusianischen Armutsfalle.[16]