Hallo,
diese Frage habe ich mir auch schon unendlich oft gestellt.
Zunächst einmal ist es wirklich verdammt schrecklich, dass einige Leute offenbar absolut nicht verstehen, dass SVV / Ritzen nichts mit Emo's zu tun hat. Ich habe keine Ahnung, warum alle sofort an diese Szene denken, wenn sie den Begriff 'Selbstverletzendes Verhalten' oder 'Ritzen' hören.
Ich werde hier aber nicht versuchen, zu erklären, wie das Ritzen helfen kann. Es würde für Außenstehende sicherlich ziemlich masochistisch klingen.
Nun ja, wie auch immer. Ich bin gerade auf dem Weg, mit dem Ritzen aufzuhören, daher kann ich dir aus erster Hand berichten.
Ich denke, als Erstes ist es wichtig, aufhören zu wollen. Du musst daran glauben, dass du es schaffst, die Sucht zu besiegen. Wenn du zweifelst, macht es das bloß noch schwieriger.
Weißt du, wahrscheinlich hätte ich nie die Überwindung gefunden, endgültig einen Schlussstrich zu ziehen und zu sagen "Ich will das nicht mehr!". Natürlich wollte ich die ganze Zeit über damit aufhören, aber es hat einfach die Entschlossenheit gefehlt.
Ich habe dann irgendwann mit einem guten Freund darüber gesprochen. Zuvor habe ich lange überlegt, ob ich das wirklich machen soll, weil ich Angst hatte, dass er dann schlecht von mir denkt oder nichts mehr mit mir zutun haben will, da ich weiß, dass er sehr sehr negativ zum Selbstverletzenden Verhalten (SVV) steht. Letztlich habe ich mich aber dazu überwunden, mit ihm zu reden, weil ich ihm einfach unglaublich vertraue.
Zunächst war er natürlich schockiert. Er wollte wissen, warum ich das mache, wo ich mich ritze, wie tief die Schnitte sind und wie viele Wunden / Narben bereits entstanden sind. Nach langen Gesprächen über die Ursachen hat er dann versucht, mit mir zusammen einen Weg zu finden, wie ich mit dem Ritzen aufhören kann.
Er hat mir vorgeschlagen, Alternativen zu finden und meinte, dass ich den inneren Druck vielleicht auch anders verarbeiten kann. Immer dann, wenn ich eigentlich zur Klinge greifen will, soll ich diese Alternativen nutzen.
Er riet mir, Laufen zu gehen, oder mit Kickboxen anzufangen.
Kickboxen fand ich etwas unsinnig, aber ich gehe sowieso an und wann mal Joggen, und als ich dann das nächste Mal kurz davor war, zur Klinge zu greifen, bin ich Laufen gegangen. Ich habe versucht, mich auf alle negativen Gefühle im Inneren zu konzentrieren und bin einfach losgerannt. Und es hat wirklich geholfen! Natürlich ist es nicht dasselbe wie SVV, aber es hat dennoch gut getan.
Der Vorschlag mit dem Laufen hatte mir also ein wenig genützt.
Als Nächstes habe ich alle Klingen aus meinem Schrank verbannt. Glaub mir, es war gar nicht so einfach, sie wegzuwerfen. Aber ich hab es dann letztendlich doch geschafft, und ich war wirklich stolz auf mich. Allerdings hatte ich noch eine einzige Klinge, quasi die Notversorgung, in einer kleinen Dose hinter ein wenig Krimskrams in den Schrank gestellt.
Dadurch, dass die Klingen nun fast vollständig aus meiner Umgebung verschwunden waren und ich die Alternative mit dem Laufen hatte, habe ich es geschafft, dass knapp zwei Wochen lang keine neuen Schnitte entstanden.
Dann bin ich zwischendurch aber leider immer wieder rückfällig geworden und die Reserve-Klinge kam zum Einsatz.
Der Freund, mit dem ich geredet hatte, bat mich, ihm immer sofort zu erzählen, wenn ich gerade in Versuchung war, zur Klinge zu greifen. Das hat mir wirklich geholfen.
Ich weiß es wirklich zu schätzen, einen so wunderbaren Menschen wie ihn zu meinen Freunden zählen zu können. Ohne ihn hätte ich das alles niemals bewältigen können.
So, das war meine Geschichte. Vielleicht helfen dir einige der erwähnten Punkte zumindest ein klein wenig weiter.
Mittlerweile ist es schon einige Monate her, dass ich mit diesem Freund gesprochen habe. Und ich kann ehrlich und auch voller Stolz sagen, dass ich mich mit seiner Hilfe nahezu vollständig von den Klingen loslösen konnte.
Einfach die Tatsache, dass jemand da war, der mir zuhört, der versucht, mich zu verstehen, der mir helfen will, einfach jemand, dem es nicht egal ist, was ich tue, ... Das hat mir am meisten geholfen.
Man findet überall, in Büchern, TV-Dokumentationen, Websites etc., den Aufruf, eine Therapie zu beginnen. Dazu kann ich leider nichts sagen, da ich nie in Therapie war sondern es mit einem Freund geschafft habe, zu beginnen, die Sucht zu begraben.
Wahrscheinlich war diese Antwort nicht sehr hilfreich, aber wenn du vielleicht einfach mal mit jemandem reden willst, der deine Sicht und Handlungen versteht, dann schreib mir einfach. :)
**Ganz liebe Grüße,
desperateblack**