Morgen,
meine beste Freundin ist vor drei Monaten gestorben. Es gab keine Vorwarnung. Und seit da an, träume ich jede Nacht von ihr.
Jedenfalls zwingt mich die Vernunft dazu, dies zu schreiben. Mein Herz aber bereitet in meinem ganzen Körper das Gefühl aus, nur "die Träume" wären real. Nur in "den Träumen" ergibt die Gegenwart Sinn.
Wie kann die Zeit, "in der ich nicht schlafe", so wenig Gemeinsamkeiten mit meiner Vergangenheit haben? Es ist surreal.
Jetzt schlafe ich. Ich träume, das hier zu schreiben, versteht ihr? Und morgen werde ich meiner besten und einzigen Freundin von meinem bekanntlich skurrilen Traum erzählen. Denn mein Geträumtes war schon immer so - so sinnlos und lustig - so skurril halt. Ich weiß das. Ich weiß, dass ich es ihr erzählen werde.
Und das, was meine Vernunft als Traum angibt, kann ganz klar keiner sein, weil ich sie anfassen kann - ich kann sie fühlen und riechen, ich kann sie sehen und lachen hören. Zu real, zu echt. Falls nötig, würde ich meine rechte Hand ins Feuer legen, dass "mein Traum" Wirklichkeit ist. Denn bei ihm sind meine Gefühle deutlich. Im Gegensatz zu jetzt, jetzt kann ich meine Gefühle weder deuten noch einordnen, geschweige denn sicher sein, ob ich sie überhaupt besitze - nur flau. Schlägt mein Herz? Ich glaube, es ist taub - so, wie es nur in einem Traum sein kann.
Also warte ich, bis ich aufwache und meiner besten Freundin alles erzählen kann - wir werden gemeinsam darüber lachen.
Wie kann denn "ein Traum" Sinn ergeben und "die Realität" nicht, geehrte Vernunft? Nur "der Traum" lässt sich problemlos an meine Vergangenheit anknüpfen, im Gegensatz zu "der Realität", dumme Vernunft.
"Den Traum" erlebe ich mit Sinn, erlebe einen normalen Tag nach dem anderen, samt der Vorgeschichte und Nachgeschichte. Ich schätze, tief im Inneren weiß sogar meine Vernunft, dass "die Träume" Realität sind und "die Realität" bloß dumme Träume, wie ich sie schon immer hatte.
Aber trotzdem habe ich Angst, weil ich von meinem vierten bis zehnten Lebensjahr an Depressionen und teilweise an Depersonalisation litt.
Was jetzt? Was passiert jetzt? Bitte hilft mir. Was soll ich machen, wenn ich verwirrt bin? Wenn ich nicht weiß, was Wirklichkeit ist und was nicht, obwohl es doch weiß. Soll ich zum Psychiater? Obwohl auch der mir nicht helfen kann. Bitte sagt mir einfach, ich weiß auch nicht, etwas, was mir hilfreich sein könnte.
Vielen Dank.
Liebe Grüße