Hallo, ich versuche dir aus der Sicht einer Betroffenen zu raten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie sehr man an dieser Erfahrung zu knabbern hat. Deshalb empfehle ich dir - unabhängig von dem, was du in Bezug auf deinen Vater tust - eine Selbsthilfegruppe oder einen Gesprächskreis zu sexuellem Missbrauch in der Kindheit aufzusuchen. Auch hier kannst du eventuell Antworten finden. Auf jeden Fall hast du nicht mehr das Gefühl, allein da zu stehen. Mit anderen Betroffenen zu reden, kann sehr hilfreich sein. Nun zu dem Sterben deines Vaters: Bedenke, dass du nie, aber auch wirklich niemals wieder die Gelegenheit hast, das Erlebte mit ihm zu besprechen, ihm deinen Schmerz persönlich mitzuteilen. Zwei Beispiele: ich selber habe meinen Vater verloren, ohne mit ihm je darüber gesprochen zu haben. Ich habe den Kontaktabbruch sehr bereut und wünsche heute noch manchmal, dass ich irgendwann mit ihm gesprochen hätte. Was bleibt, sind Zwiegespräche und Träume. Eine Freundin hat ihren Vater verloren, der sie ebenfalls lange missbraucht hat. Es hat ihr gut getan, es ihm gegenüber auszusprechen und seine Reaktion zu erleben. Sie konnte ihm verzeihen - ohne seine Taten zu verharmlosen. Vielleicht versuchst du es, mit ihm zu sprechen. Abbrechen kannst du das Gespräch immer noch und den Kontakt auch. Manchmal ist es hilfreich, wenn man von Erfahrungen Anderer hört.
Ich wünsche dir viel Kraft und Mut.