Das Interesse ist sehr lobenswert. Es zeigt aber auf der anderen Seite, wie "abgestumpft" oder/und überfordert andere Pädagogen i.d.R. bereits sind.
Besonders als Klassenlehrer finde ich, hat man die gute Gelegenheit, bei beobachteten Schieflagen und Mißständen, sich mal die ganze Klasse zur Brust zu nehmen und mit allen mal ein ernstes Wörtchen zu reden. Natürlich muß das ganze beherrscht über die Bühne gehen, aber die ganze Klasse an sich muß sich durch die Stimmung, den Tonfall und der Worte des Lehrers bewußt werden, dass hier ein ernsthaft großes Problem vorliegt, das jeden persönlich was angeht und auch jeder Einzelne für seine Mitschüler in seiner Klasse auch Verantwortung hat. Die Klasse hat zu erkennen, dass das Problem des Schülers, was er nicht mal als Problem geäußert hat, und das kann man auch so kommunizieren, nicht sein Problem ist, sondern das Problem von jedem einzelnen Schüler in der Klasse ist. Hier geht es nicht mehr um den Einzelfall, hier geht es um die gesamte Klasse.
Die Einleitung in diese Materie kann m.M. nach durchaus in einem Monolog erfolgen. Es sollte nur für alle unausgesprochen spürbar deutlich werden, dass sich die Welt für diese Klasse ernsthaft verändert hat und sie es unausgesprochen erwarten können, dass dieses Verhalten Konsequenzen nach sich ziehen wird. Es gilt hier jeden Einzelnen in der Klasse anzusprechen (nicht unbedingt persönlich, sondern mental) , die Situation zu schildern, aber auch die eigene Überraschung über dieses Verhalten und auch Enttäuschung über diese Klasse zu zeigen.
Natürlich ist das nicht einfach. Das Ganze ist ein psychologischer Balanceakt. Ein erfreutes Lächeln ist in solch einer Schulstunde fehl am Platz. Mimik und Gestik des Lehrers haben den Ernst der Lage widerzuspiegeln - künstliche Pausen sind während der Rede einzubauen, das die Schüler das gehörte auch mal Sacken lassen können.
Es ist im Grund genommen ein lästiger, schwerer Showauftritt, wo richtig gepokert wird. Entweder man gewinnt alle Schüler für sich, schafft ein Wir-Gefühl für die ganze Klasse, das sich jeder auch für jeden anderen wirklich verantwortlich fühlt und man dies auch Dritten gegenüber zeigt, oder aber das Verhältnis zu dieser Klasse wird nachhaltig gestört oder geht in die Brüche ( was auch Konsequenzen für die Fortführung des Matheunterrichts oder selbst Klassenlehrer zu bleiben nach sich ziehen könnte). Ich denke, dass auch diese Ängste, mal vom ganzen Aufwand abgesehen, sind, die die Gründe für das Wegsehen der anderen Lehrer sein könnten. Man mischt sich nicht ein, weil man "viel" verlieren könnte.
Sofern "die Klasse" (man muß die Schüler schon im Verlauf punktuell einzeln ansprechen, - schon allein, um sie psychologisch alleine dastehen zu lassen -) dennoch als Ganzes das Verhalten gewisser Mitschüler i.O. finden, muß man sich fragen, ob man überhaupt der Klassenlehrer einer solchen Klasse sein sollte.
Ein Schreiben an die Eltern der Schüler sollte dann erfolgen, in dem über diese Vorfälle berichtet wird. Eventuell könnten diese Schreiben unterzeichnet wieder zurückgesendet werden, so dass sichergestellt ist, dass sich jedes Elternteil seiner allgemeinen Verantwortung für seinen Sohn oder Tochter bewußt ist, dass es sich hier nicht um ein Schulproblem handelt, sondern in erster Linie um ein rein erzieherisches Problem der Eltern, für das sie im Falle der Wiederholung (z.B. Verprügeln des Mitschülers) zwangsläufig zur Anzeige gebracht wird (was auch bedeutet, das hier auch die Eltern zur Verantwortung gezogen werden könnten). Natürlich sollte solch eine extreme Vorgehensweise vorher mit dem Schulleiter besprochen werden und die Pausenaufsicht eventl. auch erhöht werden, so daß hier stets 2 Lehrer den Sachverhalt bezeugen können. Die Schule an sich kann diese negative Entwicklung als proaktive Maßnahme nach außen hin verkaufen, dass sie hier gemeinschaftlich keine Toleranz zur Intoleranz duldet. Solche Probleme können überall passieren. Wo sie denn auftreten, dann wird auch wirklich was gegen unternommen. Es wird nicht weggeschaut oder toleriert!
Im positiven Fall setzt sich nach einer solch belehrenden Rede die Einsicht in der Klasse fest, dass ein solches Verhalten absolut inakzeptabel ist und sie selbst zumindest mal für Ihre Klasse Mitverantwortung für Andere tragen, wie es Ihnen geht und auch ebenso umgekehrt damit rechnen können, dass ihre Klasse nichts an sie kommen läßt und Ihnen kollektiv Rückhalt und Unterstützung bieten wird.
Ich wünsch' Dir viel Erfolg bei dieser großen Herausforderung. Auch wenn ich die Klasse zwar nicht kenne, denke ich, dass das in den meisten Fällen machbar ist.