Wieso kränkt mich sein Heteroverhalten, läuft da was?

Hallo. Ich brauche mal Meinungen zu diesem Thema. Wird etwas länger, aber hoffentlich kann mir mal jemand etwas dazu sagen.

Ich habe im letzten Winter in der Uni jemanden kennengelernt. Zunächst lernten wir uns beim Rauchen kennen, weil er im höheren Semester ist und bei uns (quasi im jüngeren Jahrgang) noch ein Einzelgänger war. Am Anfang des Jahres wurde dann eine Hausarbeit fällig und wir arbeiteten zusammen.

Ohne groß in's Detail zu gehen; Ich hatte den Eindruck, dass er ungeoutet homosexuell (oder zumindest Bi) ist. Also habe ich ihn im April angemacht. Er schrieb mir, dass er total hetero sei. Wenn man's glauben mag. Er hat bis heute kein klares Nein oder kein Interesse gesagt.

Ich dachte mir, okay, dann ist es jetzt halt so und bestimmt wird er mir ab jetzt sowieso aus dem Weg gehen, aber seitdem benimmt er sich besonders instabil heterosexuell.

Ich meine damit, dass er sich bei mir nicht versteckt, offener drauf ist und grundlos lächelt, aber gleichzeitig auch keine Ahnung hat, wie er mit meiner Nähe umgehen soll, die er nicht ablehnen kann.

Ich meine; Wenn er kein Interesse hat, wieso sucht er dann meine Nähe und freut sich, wenn ich nur ihm meine Aufmerksamkeit schenke? Wenn wir nicht unter uns sind und uns auf dem Campus begegnen, ist er ein ganz anderer Mensch. Er lässt dann den Macho raus hängen, ganz nach dem Motto: ,,Siehst du? Ich bin besonders hetero".

Das absurde ist, dass wir uns beide nicht aus dem Kopf bekommen. Heute morgen haben wir uns in der Pause in einer Gruppe über eine einzigartige dunkle Professorin unterhalten. Ich teilte der Gruppe sehr trocken mit, dass diese Frau laut anderen Studierenden einen Dachsschaden hätte. Er schmunzelte laut und auf die Nachfrage der anderen hin, warum er denn grinste, haute er einen dreckigen Gag raus: ,,Ja hier, brauner Schnurbart" und streichelte dabei seine rasierte Oberlippe. Ich kommentierte das sarkastisch augenrollend mit: ,,Lecker".

Ich habe ihm die Grundlage für seinen Gag gegeben und ich bin der einzige von uns Studenten, der überhaupt einen kräftigen (Schnur-) Bart hat. Sein Kopf bzw. Unterbewusstsein muss den Gag ja irgendwie zusammen gebastelt haben... Dass er so einen Gag schlagfertig raus haut, sieht mir nicht nach Zufall aus.

Einen Augenblick danach kam ein anderer Kommilitone zu uns und fragte mich, wie es mir so ginge. Ich schaute ihn einen Moment lang an und antwortete deutlich: ,,Beschisen", wegen der Klausurenphase, was natürlich nicht stimmt. Er, der kurz zuvor den Gag raus gehauen hat, hat das gehört.

Die anderen kennen unsere Vergangenheit nicht und für sie wirkt das wie eine Bühne, aber im Unterton läuft zwischen uns etwas. Als wären das codierte Botschaften gewesen.

Ich bin irgendwie am Ende mit meinen Nerven. Mal will er meine Nähe, schaut nach mir, dann plötzlich ignoriert er mich und sein Verhalten ist, naja, "total" hetero.

Obwohl ich ihm bewusst aus dem Weg gehe, sucht er "zufällig" meine Nähe, genießt meine Aufmerksam und ist unter uns ein ganz anderer Mensch. Und dann stehe ich wieder da, schmolle und verstehe das alles nicht.

Rational weiß ich, dass aus uns beiden nichts wird, weil es sein Problem ist, aber emotional ist es für mich die Hölle. Ich kann ja nicht einfach sagen: ,,So, wenn du wirklich kein Interesse hast und sehr hetero bist, dann lek mich und geh mir aus dem Weg". Damit tue ich ihm ja auch keinen Gefallen, wenn er sich selbst erst noch Kennenlernen muss. Das Ding ist, wenn ich mich zurückziehe und ihm keine Aufmerksamkeit schenke, dann will er mich umso mehr.

Kurzgesagt; Ich habe das Dilemma, jemanden zu kennen, den ich gerne habe, aber dieser jemand steht nicht zu seinen Gefühlen.

Bin übrigens M22, er ist 25 und hatte noch nie eine Beziehung.

Würdet ihr sagen, dass das normales Verhalten ist und was würdet ihr mir raten?

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Wenn er sich selbst als hetero sieht und auch so wahrgenommen werden will, sollte man das respektieren, selbst wenn es sich manchmal widersprüchlich anfühlt. Vielleicht ist er sich seiner Gefühle wirklich noch nicht sicher, vielleicht steckt mehr dahinter. Aber: Es ist nicht unsere Aufgabe, ihm seine Identität zu erklären oder ihn „entdecken“ zu wollen. Dieses mögliche I can fix him-Denken ist verständlich, aber langfristig verletzend, für beide Seiten.

Was ich aber schonmal stark finde ist, dass du selbst sagst, dass du rational bereit wärst, loszulassen. Das bedeutet, du wärst auch fähig, ein klares „Ich empfinde nichts für dich“ zu akzeptieren, selbst wenn’s wehtut. Das wäre schonmal sehr reflektiert von dir, wenn es denn stimmt. Gleichzeitig versteh ich total, dass dein Herz trotzdem weiter nach Indizien sucht und dass selbst kleine Momente riesig werden, wenn man sich danach sehnt, dass da etwas ist. Aber auch wenn daraus keine Liebe wird, heißt das nicht, dass es „nichts“ war. Im Gegenteil: Es klingt, als hättet ihr ehrlich schöne, bedeutsame Momente geteilt. Und vielleicht ist genau das jetzt eure Realität: Ein stilles Band zwischen euch, das nicht benannt werden kann, aber trotzdem wirkt.

Du musst auch gar nichts überstürzen. Es gibt keine Pflicht, sofort zu handeln oder Klarheit zu erzwingen. Wenn du merkst, dass du die Begegnungen gerade noch aushalten kannst, dann lass sie kommen, wie sie kommen. Nimm dir die Zeit, in dich hineinzuhorchen: Was willst du wirklich, von ihm, für dich? Und was bedeutet dir sein Glück, auch wenn es dich vielleicht nicht mit einschließt? Wenn du aber spürst, dass die Ungewissheit dich zu sehr auffrisst, dann wäre n ehrliches Gespräch vielleicht ne Option. Jetzt kein Drängen, auch kein Ultimatum, sondern n offenes Angebot, Klarheit zu schaffen. Nicht für ne Entscheidung, sondern für Verständnis. Was auch immer er sagt oder nicht sagt, wird seine Wahrheit sein. Und du wirst für dich entscheiden können, ob und wie du damit weitergehen willst.

Ein Gedanke noch: Du hast erwähnt, dass du ein Fake-Tinder-Profil genutzt hast, um mehr über ihn herauszufinden. Ich versteh total, warum man in so einem Moment auf so eine Idee kommt. Der Wunsch nach Gewissheit, nach ner Antwort, kann echt verzweifelt machen. Aber: Solche Wege führen selten zu dem, was wir eigentlich suchen. Im Gegenteil, sie schaffen oft ein neues Unwohlsein. Für die Zukunft würde ich das lieber lassen. Du brauchst das nicht (finde ich). Du wirkst stark genug, es auf ehrliche Weise zu klären oder auch ehrlich loszulassen. Und egal, wie es weitergeht: Du hast nichts falsch gemacht, solange du aus Mitgefühl handelst für dich und ihn. Liebe kann verdammt schwer sein. Manchmal ist das Einzige, was wir tun können, aufrichtig da zu sein, ohne Erwartungen, aber mit Rückgrat.

Halte uns gern auf dem Laufenden.

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