Antwort
Es ist kompliziert. Aber kurz gesagt, keiner der heutigen Staaten ist Rechtsnachfolger des römischen Reiches, auch wenn römische Einflüsse heute quasi überall spürbar sind. Der Staat Rom ging also unter, die Kultur beeinflusste aber alles was danach kam.
- 395 n. Chr. teilte sich das römische Reich in einen westlichen und einen östlichen Teil. Beide Reichshälften wurden von verschiedenen Kaisern regiert, nach damaligen Verständnis bildeten sie aber ein einziges, als solches nicht teilbares "Imperium", und es gab somit auch nur ein römisches Bürgerrecht. Geteilt war also nicht der Staat, sondern die Herrschaft.
- In der Spätantike (vor 600 n.Chr.) ging der weströmische Reichsteil unter. Ostrom verblieb als byzantinischen Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel. Da der Staat formal nie geteilt wurde, könnte man also sagen dass das byzantinische Reich am ehesten als Rechtsnachfolger zu bezeichnen war.
- Das heilige römische Reich (deutscher Nation) war kein Nachfolgestaat des römischen Reiches, sondern eher ein Nachfolger des Reichs der Ostfranken nach der Teilung des Frankenreichs in ein West- und in ein Ostfrankenreich. Später nahmen dessen Könige dann die Ideologie des "Translatio Imperii" an, die (ost-)fränkischen Könige behaupteten also seit Karl dem Großen in der Nachfolge der römischen Kaiser zu stehen. Nur: Karl der Große wurde 800 n.Chr. gekrönt, also Jahrhundert nach dem Untergang des weströmischen Reiches. Wer also einen Nachfolger des Frankenreichs, z.B. das heilige römischeReich, zum Rechtsnachfolger des römischen Reiches erklären will, der steht vor dem Problem, dass das oströmische Reich auch in der Völkerwanderungszeit ununterbrochen fortexistierte, während die Franken noch ein germanischer Stamm unter vielen waren. Also keine Kontinuität der weströmischen Herrschaft, zumal die Karolinger keine dynastischen Verbindungen zu den weströmischen Kaisern hatten.
- Italien ist ein Staat, der erst 1861 gegründet wurde. Das moderne Italien steht also definitiv nicht in Kontinuität zum antiken Westrom.
- Das byzantinische Reich ging 1453 endgültig unter, also noch vor dem heiligen römischen Reich, welches erst 1806 formell aufgelöst wurde. Die Eroberer von Byzanz waren die Osmanen. Ist das osmanische Reich der Rechtsnachfolger des römischen Reichs gewesen? Nein, denn mit dem Tod des letzten byzantinischen Kaisers bei der Erstürmung von Byzanz endete die byzantinische Dynastie, die Osmanen waren ein ganz anderes Herrscherhaus. Von einer legitimen Übergabe der Regierungsgeschäfte kann also keine Rede sein.
Also endeten die kaiserlichen Dynastien, und damit die legitimen Herrscher, lange bevor irgendwelche legitimierten Nachfolgestaaten entstanden. Also kann auch kein heutiger Staat für sich behaupten, alleiniger Nachfolger des römischen Reichs zu sein.