Erst einmal ist ein Turbolader abgesehen von der Technik die dahinter steckt etwas emotional Erlebbares, faszinierend und manchmal Ärgernis zugleich.
Faszinierend, weil der Turbolader gegenüber turbo-losen Saugmotoren enorme Kräfte und Motorleistung freisetzt. Beipiel: 1994 leistete ein 2.0 Liter 16-Ventil-Saugmotor im Opel Omega B leistete 136 PS, ein heuitger nur halb so großer Ford 1.0 Ecoboost mit Turbolader im Ford Fokus in der meistverkauften Variante leistet fast genauso viel (125 PS).
Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Das Zauberwörtchen heisst DREHMOMENT. Das höchste Drehmoment von 185Nm des genannten Opel Omega B 2.0 lag erst bei 4000 Umdrehungen pro Minute an, der Motor musste also mit hohen Drehzahlen gequält werden.
Ganz anders der Ford Ecoboost 1.0: der hält sein maximales Drehmoment von 170Nm in einem unfassbar breiten Drehzahlbereich von 1400–4500 Umdrehungen pro Minute!!!
Das heißt im Klartext: Kraft steht bereits in sehr niedrigen Drehzahlbereichen zur Verfügung, Zurückschalten ist an Autobahnsteigungen meist ebenso unnötig wie bei Überhlvorgängen au der Landstrasse. Das Fahren ist dadurch sehr relaxed.
Ein Ärgernis können aufgeladene Motoren trotzdem sein. Erstens fangen moderne, dank Turbo hubraumreduzierte "Downsizing"-Motoren bei Vollast auf der Autobahn oft hemmungslos an zu saufen wie ein um ein Vielfaches größerer Sagmotor, 16 Liter sind hierbei keine Seltenheit.
Zudem: so schön die Drehmomentwelle im niedrigen Drehzahlbereich auch ist, sie setzt stets mit Verzögerung ein, weil der Turbolader erst auf Drehzahl kommen muss bis er den nötigen Ladedruck aufbaut der Luft in die Brennräume presst.
Zudem sind turbo-aufgeladene Motoren oft ausgeprägt drehunwillig wenn es um hohe (und höchste) Drehzahlregionen geht. Drehmoment und Leistung sind beide früh da aber allen auch beide früh wieder ab. Im Alltag sicherlich von untergeordneter Bedeutung, aber besonders sportlich fühlt sich das in der Regel nicht an, Ausnahmen wie der Honda Civic Type R besätigen die Regel.
Aus diesem Grund haben Hersteller wie Lamborghini (und lange Zeit auch Ferrari) für ihre Serienmodelle komplett auf Turbolader verzichtet. Dieses extrem verzögerunsfreie Reagieren auf Gaspedalbefehle wie ein Rennpferd und das übergangslose Hochdrehen von niedrigen bis in höchste Drehzahlregionen bietet nur ein hochgezüchteter turboloser Saugmotor.
Die Dosierung der Leistung ist beim Saugmotor gelingt viel präziser als bei der plötzlich anschwellende Drehmoment- und Leisungscharakteristik von Turbomotoren, insbesondere beim Fahren am Limit, sprich beim Fahrverhalten in Kurven.
Zudem dämpft ein Turbolader spürbar den Auspuffsound, was unter Sportfahrern wenig Begeisterung hervorruft. Dass mittels Turbolader beim gleichen Motor viel mehr Leisung drin wäre ist den Fahrern solcher Autos weniger wichtig als das Fahrerlebnis mit dieser einzigartig direkten Verbindung zwischen Mensch und Maschine.
In letzter Zeit setzt auch Ferrari teils Turbolader ein, allerdings ist es gelungen die weitgehend die Charakteristik früherer Saugmotoren zu erhalten. Sonst würde ein solcher Motor von der verwöhnten Zielgruppe kaum akzeptiert werden.
Um dem Turbolader seine prinzipbedingten Nachteile aus zu treiben werden allerlei Kunstgriffe angewandt.
- ein beim Gasgeben in Millisekunden eingeschaleter elektrischer Lader pumpt Luft in die Brennräume wenn beim Turbolader gerade Flaute ist (z.B. Audi Q7)
- ein sog. VTG-Lader mit variabler Turbinengeometrie erweitet oder verengt mit verstellbaren Leitschaufeln das Luftvolumen was au die Turbine strömt, hält so die Drehzahl auf höherem Niveau was für schnelleres Ansprechen des Laders sorgt, mit wenigen Ausnahmen allerdings nur bei Dieselmotoren
- durch Kombinaion eines kleineren und eines größeren Turboladers: bei niedrigen Drehzahlen/Lastzuständen strömt das Abgas durch den kleineren Lader, der schnell auf Drehzahl kommt, bei höherem Abgasvolumen wird auf größeren Lader umgeschaltet
- durch Kombination eines mechanisch angetriebenen Laders für niedrige Drehzahlen mit einem Turbolader für hohe Drehzahlen (vereinfacht ausgedrückt), im Motorsport beim Lancia S4 Rallyeauto, in Großserie nur beim VW Golf VI mit mäßigem komerielle Erfolg)
- durch einen mehrflutigen Lader mit elektronisch gesteuertem Luftfluß wie beim Mercedes OM654 Dieselmotor
Alle diese Massnahmen haben eins gemein: sie sind sehr komplex und daher entsprechend teuer, finden somit kaum bei bezahlbaren PKW Verwendung. Den Meisten unter uns bleib daher nichts Anderes übrig als mit soweit wie möglich optimierten "normalen" Turbos Vorlieb zu nehmen.