Tanja Trageser Aus!!!

Montag morgen, erste Stunde, Mathematik. Wie jeden Montag morgen sitzt sie neben mir. Fröhlich lächelnd. Aber nicht so ungezwungen wie sonst. Irgendetwas ist anders. Nicht nur ihr Lächeln irritiert mich. Es ist noch etwas anderes. Ist es die neue Frisur? Nein, das ist es nicht. Ihr Make up? Nein, nicht wirklich. Aber was dann? Ja, jetzt weiß ich es, ihre Augen, sie strahlen nicht wie sonst. Sie wirken wässrig und matt. Wo ist dieses Glänzen, dass einen mitreist? Wo ist die Leidenschaft, die sich darin spiegelt? Wo ist das alles hin? Sie schaut mich an und sieht in meinen Augen die Verwunderung und die Besorgnis. Schnell blickt sie wieder weg. Aber wieso? Wieso lässt sie mich nicht an ihrem Kummer teilhaben? Was ist bloß los? Wieso kann sie nicht mit ihrer besten Freundin reden? Ich weiß es nicht. Aber ich will es wissen. Sehnsüchtig warte ich den Gong ab, doch heute vergeht die Zeit wie im Schlaf. Der Sekundenzeiger will sich einfach nicht schneller drehen, der Mathelehrer nimmt keine Rücksicht und nimmt mich ständig dran. Doch mein Kopf ist leer, ich kann nur noch an sie denken. Mist, ich brauche eine gute mündliche Note, sonst komme ich nicht von der 5 runter. Oh Gott, warum lässt er mich heute nicht in Ruhe, ständig wandert sein Blick wieder zu mir, obwohl er genau sieht, dass ich die Lösung nicht weiß. Wieso quält er mich so? Nach langem Warten gongt es nun endlich. Ich will mich gerade ihr zuwenden, doch der Lehrer ruft mich zu sich nach vorne. Verzweifelt schaue ich sie an. Doch sie erwidert meinen Blick nicht und verlässt eilig das Klassenzimmer. Der Lehrer redet auf mich ein, ich müsste mich dringend mehr beteiligen, sonst könne er mir nicht mehr helfen. Ich nicke nur, denn meine Gedanken sind woanders. Ich muss noch eine Stunde warten, denn vor der Pause werde ich sie nicht mehr erwischen. Der Lehrer entlässt mich endlich. Ich spüre seinen Blick auf meinem Rücken, er fragt sich, was mit mir los ist. Sie war doch immer motiviert, auch wenn es mal nicht so klappt, fragt er sich. Doch ich habe jetzt andere Sorgen. Schnell schlüpfe ich in den Physikraum. Hier sitze ich nicht neben ihr, sondern drei Reihen hinter ihr. Als ich zu meinem Platz gehe kreuzen sich unsere Blicke. Sie schaut mich ein paar Sekunden an, dann wendet sie ihren Blick wieder ab. Auch diese Stunde läuft nicht viel besser. Zwar werde ich nicht ständig drangenommen, die Lehrerin scheint zu merken, dass sie von mir heute nicht viel erwarten kann. Doch auch jetzt schleicht der Sekundenzeiger nur so. Als es endlich klingelt stürme ich zu ihr, packe sie am Arm und ziehe sie aus dem Klassenzimmer. Verwundert schauen die anderen uns nach. Doch das ist mir jetzt alles egal. Sie wehrt sich kaum und schaut zu Boden. Als ich sie frage, was los ist, schweigt sie. Auch als ich sie schüttele sagt sie nichts. Erst als mir jemand auf die Schulter tippt und ich mich verwundert umdrehe, richtet sich ihr Blick auf. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Doch mir ist bei dem Anblick gar nicht zum Lächeln zumute. Es ist mein Freund, nein Exfreund, der mir gestern gesagt hat, dass es aus ist. Gestern, an dem Tag, an dem ich mehr geweint habe, als in meinem ganzen Leben. Er nimmt sie in den Arm und küsst sie flüchtig auf den Mund. Dann schauen mich beide an. Ich sehe ihnen an, wie glücklich sie miteinander sind. Mir kommen die Tränen hoch. Alles kommt hoch, der ganze Schmerz, die ganze Wut, doch ich lasse mir nichts anmerken. Ich drehe mich um und gehe, die Blicke der Beiden auf meinem Rücken. Als ich um die Ecke bin, renne ich auf die Toilette zu und schließe mich ein. Jetzt bricht alles aus mir aus. Ich weine und weine und weine. Auch als jemand an die Tür klopft, mache ich nicht auf. Ich bleibe den Rest des Tages auf dem Klo. Ich kann einfach nicht wieder in die Klasse, zu ihr, es geht einfach nicht. Kurz vor Schulende, verlasse ich das Schulgebäude und gehe in den Park. Dort verkrieche ich mich unter einem Baum. Wie lange ich dort schon saß, weiß ich nicht. Doch plötzlich tippt mir jemand auf die Schulter, es ist mein Deutschlehrer, dessen Unterricht ich heute geschwänzt habe. Verwundert schaut er mich an, sieht die Tränen in mir aufsteigen, sieht den ganzen Schmerz und nimmt mich in den Arm. Plötzlich habe ich keine Kontrolle mehr, weine los und kann gar nicht mehr aufhören. Wie gut das tut. Nach einiger Zeit fasse ich mich wieder. Verlegen schaue ich ihn an, doch ich spüre irgendwie, dass er niemandem davon erzählen wird. Er stemmt mich hoch und wir gehen ein Stück. Er fragt nichts, wofür ich ihm dankbar bin. Schweigend laufe ich neben ihm her. Als wir am Parkende ankommen, schaut er mich lange an und sagt nur, dass ich mit ihm reden könne, wenn ich will. Er zwinkert mir aufmunternd zu und geht dann. Langsam mache ich mich auf den Nachhauseweg. Gott sei Dank arbeiten meine Eltern und ich muss keine Fragen beantworten. Als ich am Haus meiner Freundin vorbei komme, spüre ich nicht mal mehr Eifersucht. Sie ist mir plötzlich egal gewo

...zur Antwort