Gedichtsinterpretation
- „Es schlug mein Herz“

Das Gedicht „Es schlug mein Herz“ aus dem Jahr 1771
gehört zu den von Johann Wolfgang von Goethe verfassten Texte der Sessenheimer
Lieder. Genauer kann man es in die Erlebnislyrik im Sturm und Drang einordnen. Inhaltlich
geht es darin um das nächtliche Treffen zwischen zwei Liebenden. Das Gedicht
zeigt den Zwiespalt des lyrischen Ichs in seinen Gefühlen und der Beziehung auf.

Äußerlich ist das Gedicht in vier Strophen mit je acht Versen unterteilt. Inhaltlich kann man drei Sinnabschnitte unterscheiden. Die ersten zwei Strophen beschreiben den Ritt der lyrischen Ich durch den Wald zum Ort des Treffens. Die dritte Strophe handelt vom Wiedersehen der Liebenden und die vierte vom Abschied.

Das Gedicht besitzt einen unregelmäßigen Jambus als Metrum und einen durchgängigen Kreuzreim, der nur zu Beginn der dritten und vierten Strophe unterbrochen wird. An diesen Stellen ist stattdessen ein umarmender Reim zu finden.

Das Gedicht beginnt mit den Worten „Es schlug mein Herz“ (Zeile 1), welche
gleichzeitig seinen Titel darstellen. Somit müssen sie in dem Gedicht eine
gewichtete Stellung einnehmen. „Es schlug mein Herz“ vermittelt eine
unmittelbare Dringlichkeit, die das lyrische Ich empfindet. Diese ist
wahrscheinlich auf die nachfolgenden Worte „geschwind zu Pferde!“ (Zeile 1)
bezogen, könnten aber auch auf den gesamten Text übertragen werden.

In jedem Fall muss das lyrische Ich seine Geliebte treffe, er wird durch sein Herz dazu gezwungen, dabei wirkt die Liebe wie eine Art höhere Macht.

Durch das Wort „schlug“ wird ein negativ belastetes Verb genutzt, welches eigentlich mit Brutalität und nicht mit Liebe assoziiert wird. Das könnte auf die
verletzende Seite der Liebe anspielen, welche das lyrische Ich zum Ende des
Gedichtes trifft.

Der Titel des Gedichtes wurde von dem Autor im Jahr 1789 zu „Willkomm‘n und Abschied“ geändert. Dadurch
wird der Schwerpunkt auf die dritte und vierte Strophe gelegt. Allerdings zeigt
sich auch in diesem zweiten Titel eine Zerrissenheit und die negativen Seiten
der Liebe („Abschied“).

In der ersten Strophe bricht das lyrische Ich auf, um seine Geliebte wieder zu
sehen. Dabei wird durch den Ausruf „geschwind zu Pferde“ deutlich, dass es sich um einen Ausritt handelt.

Dabei wirkt das Metrum beziehungsweise der Jambus unterstützend, da er den Rhythmus des energiereichen, ungeduldigen Hufschlages wiederspiegelt.

Dieser akustische Reiz hilft dem Zuhörer zusätzlich das Beschriebene zu visualisieren.

Mit dem Pferd reitet das lyrische Ich offensichtlich durch den Wald. Die Atmosphäre
ist sehr gespannt, da dieser dem lyrischen Ich furchteinflößend und bedrohlich erscheint
„Wie ein getürmter Riese“ (Zeile 6), allerdingst lässt es sich nicht
abschrecken und reitet weiter. Diese Tatsache findet das lyrische Ich sehr
heldenhaft „wie ein Held zur Schlacht“ (Zeile 2). Allgemein beschreibt sich das
lyrische Ich in den ersten beiden Strophen stets sehr heroisch und wirkt
dadurch eitel „Doch tausendfacher war mein Mut“ (Zeile 14; Strophe 2).

In der ersten Strophe sind, zusätzlich zu dem bereits genannten Ausruf, weitere rhetorische Mittel zu finden, wie Metaphern „Und an den Bergen hing die Nacht“ (Zeile 4), Personifikationen „im Nebelkleid die Eiche“ (Zeile 5) und Vergleiche „ Wie ein getürmter Riese“ (Zeile 6). All diese Stilmittel dienen dazu dem Leser das Geschehende zu verdeutlichen und ihn dazu zu bringen, sich in die Situation einzufühlen.

Die zweite Strophe ist der ersten thematisch sehr ähnlich. Auch hier beschreibt das lyrische Ich seinen Ritt mit besonderem Augenmerk auf seine feindselige Beziehung zur Natur „Die Winde (…), Umsausten schauerlich mein Ohr“

(Zeile 11/12), trotzdem treibt die Sehnsucht das lyrische Ich voran. Als stilistisches
Mittel findet man unteranderem Übertreibungen, wie in Zeile 13 „tausend
Ungeheuer“ und Zeile 14 „tausendfacher war mein Mut“. Dadurch betont das
lyrische Ich noch einmal sein heroisches Handeln.

Die
letzten beiden Verse unterscheiden sich von den vorhergegangenen. Sie handeln
nicht mehr von der Natur, sondern beschreiben die Sehnsucht des lyrischen Ichs
zu seiner Geliebten. Dadurch entsteht eine Überleitung zur nächsten Strophe und
Sinnabschnitt. Gleichzeitig wird ein Zusammenhang geschaffen. Der erste
inhaltliche Abschnitt beginnt mit den Worten „Es schlug mein Herz“, somit wird
durch die Worte „Mein ganzes Herz zerfloss in Glut“ (Zeile 16) das Thema wieder
aufgegriffen und gleichzeitig die Problematik der Sehnsucht abgeschlossen.
Dieser thematische Rahmen umschließt die Beschreibung des Rittes und der Natur.

In
Strophe drei geht es um das Treffen zwischen den beiden Liebenden. 

Das
lyrische Ich beschreibt seine Empfindungen beim Anblick seiner Geliebten

„Ganz
war mein Herz an deiner Seite“ (Zeile 19).

Die
Stimmung in der dritten Strophe steht im starken Kontrast

zu
den vorherigen. Sie ist friedlich und voller Liebe. Die zuvor verspürte Angst

des
lyrischen Ichs ist verschwunden und weicht ausschließlich positiven        

Gefühlen.
Mit dem Wandel der Atmosphäre, ändert sich auch die Wahrnehmung

der
Natur. Mit ihr werden nun positive Eigenschaften assoziiert „Ein
rosafarbes 

Frühlingswetter“
(Zeile 21). Hierdurch zeigt sich die Kraft der Liebe, da sogar

stark
negativ belastete Dinge durch sie wieder schön wirken können. 

Zu
Beginn der Strophe in Zeile 17 bis 20 gibt es an Stelle eines Kreuzreimes einen
umarmenden Reim, ähnlich wie zu Beginn der vierten Strophe in Zeile 25 bis 28.
Diese Einschnitte in das ansonsten durchgängige Kreuzreimschema zeigen den
Beginn einen neuen Sinnabschnittes.

Die
letzten beiden Zeilen unterscheiden sich erneut inhaltlich von den anderen
Versen der Strophe. Das lyrische Ich glaubt die ihm entgegengebrachte Liebe
nicht zu verdienen „ Ich hofft´es, ich verdient´es nicht.“ (Zeile 24). Somit
dient die veränderte Stimmung in den letzten beiden Versen auch in dieser
Strophe der Überleitung in die nächste.

Als stilistische Mittel treten in der dritten
Strophe Personifikationen „die milde Freude

Die
letzte Strophe handelt vom Abschied der Beiden. Man merkt deutlich die
Zerrissenheit des lyrischen Ichs. Positive und negative Gefühle wechseln sich
immer wieder ab, was besonders klar durch den Ausruf

„O
welche Wonne, welcher Schmerz!“ (Zeile 28) wird. In Vers 29 und 30 scheint das
lyrische Ich von seinen negativen Gefühlen übermannt zu werden „ich stund und
sah zur Erden“ (Zeile 29), doch in den letzten beiden Versen resümiert es, dass
lieben und geliebt werden, Glück bedeutet, unabhängig von den verbundenen
Schmerzen.

Wie
auch in der dritten Strophe wird diese mit einem umarmenden Reim eingeleitet.
Es wurden mehrere Male Ausrufe genutzt „ (…), wie trübe!“

(Zeile
25). Diese unterstützen die intensive und dramatische Wirkung und machen die
Zerrissenheit noch deutlicher.

Das
Gedicht „Es schlug mein Herz“ ist sehr gefühlbetont. Das wird durch den freien
Rhythmus deutlich, aber auch durch die zahlreichen unterschiedlichen Emotionen
denen sofort Handlungen folgen.

Das
alles spricht für ein Werk der Erlebnislyrik.

Trotzdem
geben der relativ durchgängige Kreuzreim und der gleichmäßige Aufbau dem
Gedicht eine Konstante, die die häufigen Stimmungsveränderungen ausgleicht.

Es wird deutlich, dass
für das lyrische Ich die Liebe und die mit ihr verbundene Sehnsucht nicht als
Gegensätze empfindet. Sie gehören zu einer Gesamtheit, die das lyrische Ich
trotz allem glücklich macht. Durch diese Empfindung entsteht keine Zerrissenheit
im lyrischen Ich, sondern eine sprunghafte Emotionalität, die trotzdem ihre
Berechtigung und ihren Sinn hat.

 

...zur Antwort
Weitere Inhalte können nur Nutzer sehen, die bei uns eingeloggt sind.