Ich lebe seit vielen Jahren im Ausland und bin jedes Mal entsetzt, wenn ich mit "meinen Landsleuten" zusammentreffe. Besonders stört mich die Absicht, sich durchschlauchen zu wollen. Unlängst zum Beispiel war ich in D zu einem Geburtstag in einer Gaststätte eingeladen. Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als ich hörte: "Und bestelle ich mir noch einen Schnaps, denn heute kostet es ja nichts." Jenseits des Brenners sind derartige Äußerungen undenkbar. In Italien zum Beispiel legt der Gast stets Wert darauf, bella figura zu machen, demzufolge gehört es sich nicht, zur Hochzeit beispielsweise 100 Euro zu schenken, wenn das Menü pro Kopf schon 120 kostet. Der Deutsche setzt sich unbekümmert darüber hinweg; ein "Geschenk" hat er schließlich überreicht. Ein besonderes Thema sind die Einladungen in deutsche Privathaushalte: Den Deutschen will es einfach nicht in den Kopf, dass abgezählte Brotscheiben, verbrannter Kuchen, knapp bemessener Kaffee ("Ich koche immer wenig!"), Wurst vom Discounter und ähnliche Lieblosigkeiten beleidigend wirken. Besonders unangemessen sind bei Gegenbesuchen Mitbringsel, denen man die Herkunft "Ramschmarkt" mit einem Auge ansieht. Den absoluten Clou erlebt ich vor Jahren mit einer Reisegruppe aus Ludwigshafen: Die Herrschaften wollten den Obolus für die Toilette sparen, weil sie die Reise an den Gardasee ja schon bezahlt hatten ... Vielmehr gedachten sie, auf einem Friedhof zu urinieren. (An dieser Stelle kommt der Verdacht auf, dass auch der deutsche Gottesacker in diesem Sinne Missbrauch unterliegt.) Des Weiteren bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass der Deutsche gerne die Dienste anderer Leute in Anspruch nimmt. Er selbst aber hat für andere kein Geld, keine Zeit, keine Möglichkeit. Was gehen ihn "fremdes Elend" an?!

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