Um gleich eines vorweg zu nehmen, möchte ich hier genau sagen, worum es sich bei einem Schreibkrampf handelt, der in der Fachsprache von Neurologen mit dem Terminus Dystonie versehen wurde. Das hat nichts damit zu tun, dass man nach neun oder zehn Seiten in der Klausur das Gefühl hat, dass einem die Finger abfallen. Eher damit, dass sich das Schriftbild Wort für Wort verschlechtert und man nach drei Zeilen keinen einzigen vernünftigen Buchstaben mehr schreiben kann, weil sich der komplette Arm total verkrampft.

Übrigens hat sich das bei mir u.A. sehr negativ auf das Gittarrespielen ausgewirkt, es handelt sich also wohl nicht nur um ein Problem im Bereich des Schreibens, sondern allgemein um ein motorisches Problem.
Wenn ich zum Beispiel mit einem Werkzeug an einer feinen Mechanik einen Punkt anvisiert habe, fing die Hand immer kurz vor der Fixierung an zu zittern, das Gleiche wenn ich einen Schlüssel ins Schloss stecken wollte. Alles Dinge, die ich davor locker spielend konnte.

Erstmals aufgetreten ist das Phänomen bei mir, als ich mit dem Studium begonnen hatte. Ich habe festgestellt, dass ich auf einmal nicht mehr schreiben konnte, es ging einfach nicht und ich war ziemlich schockiert darüber. Während des ganzen Studiums habe ich damit gekämpft. Irgendwann ging es dann zwar so einigermaßen, aber meine Schrift sah jeden Tag anders aus, änderte sich innerhalb weniger Zeilen, nach Verkrampfungen brauchte ich Pausen und es wurde immer schwieriger, je länger ich schrieb. Vom Schriftbild brauchen wir gar nicht erst zu reden.

Irgendwann begann ich darüber nachzudenken, wie es denn so kommen konnte. V.a. weil ich in der Grundschule eine Schreibschrift hatte, für die ich sehr gelobt wurde. Dabei wurde mir klar, dass ich beim Übergang von Grund- zur Hauptschule mir eine eigene Handschrift aneignete, bevor ich die Schreibschrift eigentlich richtig und flüssig beherrschte. Ich war also noch im Stadium, die Buchstaben der Schreibschrift zu malen anstatt sie mit Schwung zu schreiben. Deshalb hatte ich auch nie einen richtigen Schwung in meiner späteren Handschrift, die Buchstaben sahen immer irgendwie verzittert aus, auch wenn sie leserlich waren und ich damit wirklich sehr schnell schreiben konnte.

Ich fasste also den Entschluss, mir das Kreuz aufzuladen und da anzufangen, wo es meines Erachtens schiefgegangen war und beschloss, die Schulschreibschrift der Grundschule mir selbst wieder zu erlernen, das kleine Einmaleins quasi nachzulernen. Dabei sei erwähnt, dass es sich dabei um die lateinische Ausgangsschrift und nicht um die vereinfachte Ausgangsschrift handelt, die von Experten kritisch betrachtet wird. Die lateineische ist wesentlich aufwendiger, bietet aber vielmehr die Möglichkeit, einen echten Schreibfluss zu entwickeln.

Nachdem ich viele Seiten in meiner Freizeit mit verschiedenen Schreibgeräten geschrieben hatte, kam eines Tages tatsächlich der Durchbruch, ich merkte, dass die Verkrampfungen sich immer weiter nach hinten verschoben und die Erholungsphasen, die ich brauchte um wieder flüssig schreiben zu können, immer kürzer wurden. Geholfen hat mir dabei v.a. das Schreiben mit Füllern, die einem einfach ein besseres Schreibgefühl geben als Kugelschreiber, Fineliner, etc.

Auch das Gitarrespielen klappt nun wieder viel besser, schnell gespielte Wechselanschläge und technisch anspruchsvolle Passagen kann ich mit viel mehr Kraft und gleichzeitig präziser schreiben als vorher.

Meiner Meinung nach ist der Schreibkrampf oder die Dystonie ein Problem, das durch einen individuell fehlerhaften Prozess des Schreibenlernens in der Schule zurückzuführen ist. Kinder werden angehalten, irgendwann nicht mehr schön, sondern einfach schnell schreiben zu müssen und dazu sollen sie sich eine individuelle Handschrift angewöhnen. Wenn sie das tun, ohne wirklich vorher die Schreibschrift wirklich flüssig beherrscht zu haben, kommt es zum motorischen Super - GAU, sowie eben bei mir. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch Probleme wie LRS damit in Zusammenhang stehen, wobei sicherlich auch die Umstellung von der lateinischen Ausgangsschrift auf die vereinfachte Ausgangsschrift eine nicht zu unterschätzende Rolle im negativen Sinn spielt.

Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass sich das Wiedererlernen meiner alten Schreibschrift aus der Schule tausendfach gelohnt hat. Ich kann wieder seitenweise schreiben, es ist anstrengend, ich brauche Pausen, aber ich verkrampfe bei weitem nicht mehr auf die Art und Weise wie vorher. Die Feinmotorik meiner Hand hat sich wahnsinnig verbessert und das Schreiben ist eine Art Hobby zur Entspannung geworden. Auch wenn ich einfach Druckschrift schreibe um jemanden meine Adresse aufzuschreiben, etc. , geht das wieder viel leichter und besser.

Ich möchte aber auch niemandem eine Illusion vorgaukeln, es war harte Arbeit, jeden Tag mindestens eine halbe Stunde schreiben. Und das über Wochen. Vielleicht könnte man es auch stufenweise machen, Buchstabe für Buchstabe, dann immer das gleiche Wort eine Zeile lang, usw.

Ich habe aber auch festgestellt, dass das Schreiben viel Freude bereitet. Das Heft liegt immer offen auf meinem Schreibtisch, ich halte Gedanken des Alltags fest, oder schreibe was mir gerade einfällt. Und das ohne Verkrampfungen in einer Schrift, die mir so gefällt. Das gibt mir viel Sicherheit und es wirkt sich sehr positiv auf mein Leben aus.

So, das war's. Danke für's Lesen, wenn ihr ähnliche Erfahrungen habt, mehr wissen wollt, dann schreibt mir! Ich freu mich auf eurer Feedback!