Hallo, ich entschuldige mich gleich mal, weil es wohl lang wird, aber ich hoffe, ihr habt Input für mich.
Mein kleiner Bruder (15) ist Autist. Eine genaue Diagnose gibt es noch nicht, weil die Wartelisten so lang sind. Wir sehen uns nicht so oft, da ich eine Stunde entfernt wohne, aber wir haben ein gutes Verhältnis.
Er hat nun schon seit Längerem ein paar Schwierigkeiten, hauptsächlich Schulangst und Übelkeit ohne körperliche Ursache. Außerdem machte meine Mutter sich Sorgen, weil er anscheinend immer nachts mit jemandem schreibt und sie nicht wusste, wer das ist.
Ich versuchte also mal mit ihm zu reden und erzählte ihm, dass es mir als Teenager oft ähnlich gegangen war. Das nahm er unbeeindruckt zur Kenntnis und tat, als wüsste er nicht, warum ich ihm das sage. Ich sprach ihn also direkt darauf an, was unsere Mutter mir erzählt hat, was er wieder schweigend zur Kenntnis nahm. Nur zu dem Punkt, mit wem er schreibt, öffnete er Whatsapp und zeigte mir darin einen Mädchennamen mit einem Herz. Ich konnte ihm daraufhin noch aus der Nase ziehen, dass sie nicht aus seiner Stadt ist.
Dann hatte ich keine Lust und kein gutes Gefühl mehr, ihn zu löchern, und sagte ihm stattdessen, dass ich zwar Menschen normalerweise ganz gut einschätzen kann, aber bei ihm das Gefühl habe, ihn gar nicht zu kennen. "Das liegt vielleicht daran, dass manche Menschen nicht gekannt werden wollen", sagte er daraufhin und weiter, dass in seiner Klasse bis auf 2 Ausnahmen die Leute überhaupt nichts von ihm wüssten außer seinen Namen, dass er es nicht für nötig hält, dass 100 Leute alles über einen wissen, dass er nur ja nicht im Rampenlicht stehen will, dass es ihm so ganz recht ist und dass man sich schon glücklich schätzen kann, wenn er einen nicht blockiert. Ich fragte ihn, ob er also einfach nicht will, dass jemand ihn kennt. Er sagte, wollen sei nicht das richtige Wort und auf meine Frage, was denn das richtige Wort wäre, sagte er: "Das ist eine gute Frage. Ich kanns dir nicht sagen. Nicht, weil ich es nicht will, sondern weil ich es nicht weiß."
Diesen Teil (den mit dem Mädchen habe ich für mich behalten) erzählte ich nachher meiner Mutter und sie meinte, das sei immerhin mehr, als er mit ihr je darüber gesprochen hätte.
Im Ansatz kann ich ihn verstehen, ich bin auch eher ein Einzelgänger. Aber ich brauche auch zumindest eine Bezugsperson, mit der ich offen reden kann, und danach hat er anscheinend kein Bedürfnis. Er redet gerne über Musik, seinen Computer und GTA, aber nicht über sein Innenleben.
Ich würde gerne wissen, was in ihm vorgeht und wie es sich anfühlt, er zu sein, aber ich bezweifle, dass ich es erfahren werde. Ich liebe ihn natürlich trotzdem, aber normalerweise rede ich mit Leuten, die mir am Herzen liegen, halt nicht über GTA, gerade wenn ich weiß, dass sie Schwierigkeiten haben.
Hat jemand einen Tipp für mich, wie wir mit ihm umgehen sollen?
Danke!