Ist es sinnvoll die Beziehung noch zu führen?

Hallo zusammen! Momentan befinde ich mich in einem Gefühlschaos und weiß nicht so recht wohin mit meinen Gedanken und Gefühlen. Mit der Hoffnung, dass es mir vielleicht nach dem Gefühlsauskotzen besser geht und ich einige nützliche Tipps und Gedankenwege von euch erhalten werde, hier nun mein Problem:

Ich (24) bin nun seit 2 1/2 Jahren mit meinem Freund (30) zusammen. Die ersten 2 Jahren unserer Beziehung lebte ich in dem Glauben, dass ich in meinem Freund den Mann für's Leben gefunden habe. So viel Liebe, Bewunderung und Hingabe habe ich bisher für KEINEN Mann empfunden. Er gibt mir Halt, unterstützt mich für mich selbst als Person bei Freunden und auf der Arbeir einzustehen und ist die Definition von Loyalität in Person - IHM würde ich blind mein Leben anvertrauen. Während er mein dritter fester Freund ist, bin ich seine erste richtige Freundin. Bevor er mich kennenlernte, lebte er was Frauen angeht eher in Saus und Braus und hat nichts anbrennen lassen, was aber hier nichts zur Sache tut. Wichtig ist nur zu wissen, dass er quasi durch mich das Leben in einer Beziehung kennenlernte und somit auch für sich herausfand, was er in einer Beziehung möchte und was nicht. Gleichzeitig wurde er auch nun mit den "Verpflichtungen" einer Beziehung konfrontiert und musste lernen sich um eine Frau "zu kümmern", sich auf kleinere Kompromisse einzulassen, offen für die Dinge/Interessen des anderen zu sein, auch wenn man diese nicht unbedingt teilt etc..

Die ersten 1 1/2 Jahre unserer Beziehung waren ein ständiger Wechsel zwischen Frohjauchzen über das eigene Glück den anderen kennengelernt zu haben und sich über Vorstellungen unserer Beziehung zu streiten. Auf der einen Seite verband uns eine sehr tiefe Liebe, auf der anderen Seite waren wir wie zwei Personen die sich darüber streiten, ob das Huhn oder das Ei zuerst da war. Während er beispielsweise seine Freizeit immer damit verbringen wollte entweder auf der Couch zu sitzen und mjt mir TV zu sehen (auch im Sommer!), bei seinen Kumpels zu chillen oder Sport zu machen, wollte ich lieber mit ihm ausgehen, tanzen, Ausflüge machen, Spaß haben, in der Natur sein und mit ihm nicht nur seine Freunde, sondern auch meine Freunde treffen.

Ich bin reflektiert genug, um aufrichtig behaupten zu können, dass ich in unserer Beziehung stets auf seine Bedürfnisse, wie er seine Freizeit mit mir verbringen will, einging und mich sehr offen und interessiert auf sein Leben einlassen konnte, ohne von ihm auf irgendeiner Weise abhängig zu sein. Ich habe immer auch noch mein eigenes Leben geführt.

Wenn ich ihn aber mal dazu motivieren wollte mit mir essen zu gehen, spazieren zu gehen oder auch einfach nur ein Eis zu essen, war es die reinste Prozedur und ich konnte mich immer darauf einstellen, dass es ein riesen Streit geben wird, wenn ich versuche für meine Bedürfnisse einzustehen und einen Wunsch zu äußern.

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Das wäre ja alles halb so wild gewesen, wenn er nicht auch noch dieselbe Einstellung gegenüber meinen Freunden und teilweise auch gegen meiner Familie hätte. Ein kleiner Teil meines Freundeskreises lernte er erst vergangen Sommer kennen und das auch nur in einem flüchtigen Gespräch. Auf Familientreffen ist meist schon klar, dass ich alleine aufkreuze.. Außer ich bearbeite ihn so lange, bis er mitkommt - dann ist aber der Streit zuhause vorprogrammiert.

Während sich immer wieder wesentliche Diskrepanzen zwischen unseren Vorstellungen über unsere Beziehung aufzeigten, kam in mir auch immer wieder der Gedanken auf, ob unsere Beziehung überhaupt noch Sinn macht (er dagegen sagte immer, er sei zufrieden, so wie es ist.. Aber klar, wenn er sich auch nicht auf mein Leben einlässt, gibt es auch nichts zu beschweren). Gerade zu Beginn äußerte ich immer wieder meine Zweifel, dass ich ihn nicht zu einer Person formen möchte, die er nicht ist und ich aber auch nicht auf meine Bedürfnisse verzichten möchte. Dann das übliche Spiel: er gelobt Besserung, ich glaube ihm und habe Hoffnung, der Mist beginnt von vorne, sobald ich das eine Mal im Monat dafür einstehe, dass wir wenigstens gemeinsam zur Tankstelle spazieren usw.

Wir haben uns zwar zu Beginn fast jeden Tag gesehen und leben nun auch zusammen - also es ist nicht so, als ob wir keine gemeinsame Zeit haben. Aber es ist die Art und Weise WIE wir unsere Zeit damals verbracht haben. Und die richtete sich eben nur nach seinen Vorstellungen, während ich alle paar Wochen auf einen kleinen Spaziergang hoffte.. Witzig, ich freute mich sogar darüber, dass wir an unseren ersten Jahrestag das erste Mal auf ein richtiges Date gingen (wegfahren, Essen gehen, Kino etc.) und redete gegenüber meinen Freundinnen, wie als ob wir ein Trip auf die Malediven macht hätten 😂 und es muss gesagt werden, dass ich eigentlich sehr genügsam bin und ein Picknick auf einer Wiese schon das Schönste auf der Welt für mich ist.

Menschlich gesehen sind wir wie zwei perfekt aufeinander abgestimmte Puzzleteile und teilen in allen möglichen Bereichen dieselbe Meinung. Nur eben nicht, wenn es um unsere Beziehung geht.

Wir haben viel gestritten zu Beginn unserer Beziehung. Es wurde viel geschrien. Viele Tränen wurden meinerseits vergossen und er hatte durch mein Genörgel auch immer wieder das Gefühl nicht gut genug zu sein. Es war ein Kraftakt uns immer wieder zusammenzuraufen. Und dennoch haben wir es nach jedem Streit immer wieder geschafft und quasi von 0 wieder angefangen.

So viele Gemeinsamkeiten wir auch haben, haben wir fast mehr Meinungsverschiedenheiten. Ich denke, wenn COVID-19 uns nicbt beschert hätte, wären wir auch eventuell nicht mehr zusammen.

Aber die Pandemie kam und nahm ihren Lauf.

Eigentlich kenne ich die Antwort darauf, aber ich frage mich immer wieder, wieso und weshalb mein Freund und ich seit Beginn der Pandemie in HARMONIE leben!? Natürlich gab es den ein oder anderen Disput, aber im Vergleich zu der Pre-Covid-Zeit leben wir nun wie ein ruhiges Ehepaar zusammen. Das liegt natürlich daran, dass ich nun keine Ansprüche mehr stellen kann, da sowieso alles zu hat und nun der Winter hinter uns liegt. Zum einen liegt es aber auch daran, dass mein Freund sich verändert hat. Er ist offener gegenüber meiner Familie und Freunde, hat erkannt, dass es vorallem jetzt schön ist und gut tut gemeinsam einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen und zeigt sich auch wesentlich kompromissbereiter, als ich es je von ihm kannte.

Wenn es bereits zu Beginn unserer Beziehung so gelaufen wäre, würde ich diesen eeewig langen Text hier (sorry dafür 😅) nicht verfassen.

Fakt ist aber, dass wir in mehr als über die Hälfte unserer Beziehung so viele Streitigkeiten durchstehen mussten, so viele Momente überwinden mussten, sodass ich stand heute, das Gefühl nicht loswerde, dass etwas in mir zerbrochen wäre. Bzw. auch etwas in mir hat sich verändert - ich hab mich verändert?

Aktuell fühlt es sich an, als ob zwar NUN alles schön und gut ist, da wir uns in der Corona-Blase befinden. Seit Monaten kommt jedoch immer öfter die Frage in mir auf, was passiert, wenn der Lockdown vorbei ist. Bleibt diese Offenheit seinerseits? Oder verfallen wir in unser altes Muster und das ständige Streiten um (missachtete) Bedürfnisse geht von vorne los. Wenn ja, halte ich es nicht mehr aus. Ich habe einfach keine Kraft mehr, um dafür zu kämpfen, was mir Spaß macht. Dafür zu kämpfen, dass ich eine gute Zeit mit meinem Freund AUßERHALB unserer Wohnung möchte und mich dafür rechtfertigen zu müssen, weshalb ich gerne möchte, dass mein Freund einmal in 6 Monaten zum Kaffee mit zu meinen Eltern kommt.

Natürlich kann alles ganz anders kommen und er hat nun diese Eigenschaften für sich verinnerlicht. Und selbst wenn.. Es fühlt sich an, als ob durch das ganze Streiten ein Stück Liebe erloschen wäre. Beidseitig. Zwar haben wir uns noch sehr lieb und die Zärtlichkeiten sind definitiv noch vorhanden. Aber es fühlt sich anders an für mich. Ich ertappe mich dabei, wie mich seine Nähe manches Mal einfach nur stört und ich mich durch ihn auch ein Stück weit ausgebremst fühle. Ich ertappe mich dabei mir ein Leben alleine, ohne ihn, vorzustellen, weil ich eine Sehnsucht nach einem Leben habe, in der ich keine Rücksicht auf jemanden nehmen muss und auch einfach mal nur das tun und lassen kann was ich möchte. Oder auch nach einer Zukunft in der ich Erlebnisse mit meinem Partner teilen kann, weil er genau so eine Freude daran hat, wie ich auch.

Nicht falsch verstehen, ich lasse mir nichts verbieten, wie ich meine Freizeit gestalte. Aber wenn ich etwas unternehmen möchte, dann erlebe ich diese Dinge ausschließlich nur mit meinen Freundinnen und nur zu 0,01% mit meinem Freund.

Was soll ich tun? Was ratet ihr mir? Ist das ein Pandemie-Blues? Könnt ihr meinen Roman nachvollziehen

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