Der Film wird von einem Cowboy erzählt, der vermutlich auf dem Weg zu einer Marlboro-Werbung vom Weg abgekommen ist und sich nun als postmoderner Erzähler in eine Coen-Geschichte verirrt hat. Das Ganze funktioniert also als Rahmenhandlung – man könnte sagen, eine Art amerikanischer Schimmelreiter, nur mit mehr White Russians und weniger norddeutscher Deichbau.
Im Zentrum steht Jeffrey Lebowski, genannt „der Dude“ – eine Art heiliger Patron der Faulheit und das spirituelle Gegenteil des amerikanischen Leistungsethos. Der Mann lebt ein Leben in Jogginghosen, hat keine Arbeit, keine Ambitionen, aber eine klare Vorstellung davon, was ein guter Teppich ist. Dieser wird ihm – und hier beginnt das Drama – von zwei Schlägern vollgepinkelt. Warum? Verwechslung. Klassisches Narrativmotiv, nur dass es hier nicht zu einer tragischen Wende, sondern zu einer absurden Eskalation führt.
Der Dude will Gerechtigkeit – in Form eines neuen Teppichs. Dafür besucht er den „anderen“ Jeffrey Lebowski, einen reichen, verbitterten Mann im Rollstuhl, der sich selbst für eine moralische Instanz hält. Und von da an geht es bergab: Es folgen nihilistische Entführer, Pornoproduzenten, avantgardistische Künstlerinnen, ferngesteuerte Bowlingkugeln in Traumsequenzen und sehr viele Diskussionen darüber, wie man richtig mit einer Waffe umgeht – zumindest laut Walter, dem Vietnam-Veteran, Choleriker und wohl einzigen jüdischen Konvertiten mit Rambo-Attitüde.
Walter und der zartbesaitete Donny bilden zusammen mit dem Dude das Herz der Geschichte – eine Art griechisches Chor-Trio in Bowlingschuhen. Fast alle bedeutenden Szenen (und Zitate) passieren beim Bowling, das hier zum sakralen Ort des Alltags wird. Eine Art Tempel der Nutzlosigkeit, in dem große Fragen des Lebens durch strikes und gutterballs verhandelt werden.
Filmisch gesehen ist The Big Lebowski ein Paradebeispiel für das, was man postklassisches Erzählen nennt: Die Handlung ist fragmentiert, folgt keinem klaren Ziel, die Figuren sind eher Typen als klassische Helden, und der Film selbst scheint sich nie ganz ernst zu nehmen – was ihn ironischerweise tiefgründiger macht als so manch schwergewichtige Charakterstudie. Die Coen-Brüder zitieren wild aus Filmgeschichte, Noir-Ästhetik, Slacker-Kino und Surrealismus, ohne sich je für eine Richtung zu entscheiden. Und genau das ist die Richtung.
Für mich ist der Film Kult. Nicht, weil er eine große Geschichte erzählt, sondern weil er meisterhaft zeigt, wie man aus einem kleinen Teppich eine epische Sinnsuche spinnen kann. Das ist Kunst – und wie bei aller Kunst: Man muss nicht alles verstehen. Manchmal reicht es, sich reinzulehnen, einen White Russian zu trinken und zu sagen: „Yeah, well, that’s just, like, your opinion, man.“
BD