"Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm." (1 Joh 4, 16b) Für mich ist das einer der Schlüsselsätze in der Bibel. Gemeinsam mit folgendem Zitat bildet er den Kern meines persönlichen Glaubensbekenntnisses: "Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe." (1 Kor 13,13) Glaube mag also wichtig sein, ist aber nicht das Allerhöchste. Ein Mensch, der liebt, aber nicht glaubt, ist Gott sicherlich näher als ein Mensch, der glaubt, aber nicht liebt.

Zugleich ist klar, dass wir alles, was gut ist, in unserem Leben nur unvollkommen hinbekommen. Wir leben nicht ständig von Liebe geleitet und wenn wir lieben, dann häufig nicht in einer sehr reinen Form. Wir sind Menschen. Und das dürfen wir auch sein. Wichtig ist zu wissen was gut wäre, es anzustreben, sich aber nicht einzubilden, auch tatsächlich so gut zu sein wie wir sein sollten. Wer von uns liebt seinen Nächsten tatsächlich wie sich selbst? Wer von uns liebt gar seine Feinde, so er welche hat? Aber wir haben die Zusage, dass Gott uns liebt, und zwar in all unserer Unvollkommenheit.

Ich denke, wenn man sich und sein Christ-Sein an diesen Grundaussagen orientiert, wird man ein Mensch sein, der sich bemüht, ein gutes Leben zu führen, und gleichzeitig wird man davor bewahrt werden, sich scheinheilig selbst zu vergötzen und andere Menschen zu verurteilen.

Und Gott, der die Liebe in Person ist, traue ich es zu, auch Menschen anzunehmen, die nicht an ihn oder an Jesu Erlösungstat glauben. Wenn schon wir unseren Feinden vergeben sollen, wird sich Gott wohl umso mehr an diesen Grundsatz halten (abgesehen davon, dass jemand, der nicht an Jesus glaubt, noch lange kein Feind Christi sein muss). Den Glauben als D A S Kriterium zu sehen, das für unser jenseitiges Schicksal verantwortlich sein soll, finde ich absurd, vor allem, wenn man bedenkt, dass der Glaube nicht unser Verdienst ist, sondern eine Gnade (also ein Geschenk), und zwar eine unter mehreren: "Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem andern Wunderkräfte, einem andern prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem andern verschiedene Arten von Zungenrede, einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten. Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will." (1 Kor 12, 8-11)

Ich weiß, es gibt Bibelstellen, die die Bedeutung des Glaubens betonen, aber es gibt auch solche wie die vom Weltgericht, wo Jesus zu den Guten sagt: "Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (Mt 25,35-40)

Doch auch da gibt es ein Aber: Nicht jedem Menschen werden von klein auf die christlichen (oder ganz einfach humanistischen) Werte nahegebracht. Hitler wäre ein anderer Mensch geworden, hätte er in einer anderen Zeit in einer guten, friedvollen Familie aufwachsen können. Ich denke zwar nicht, dass wir ein reines Produkt unserer Umwelt sind, ich glaube sehr wohl an eine gewisse Entscheidungsfreiheit, aber ein wahres, letztgültiges Urteil über einen Menschen kann nur jemand Allwissender fällen - also sollten wir es auch wirklich Gott überlassen, einem Gott, der die Liebe ist.

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