Blickwechsel - Deine Fragen an eine Mutter, die ihre Kinder weggegeben hat

Mit der Geburt ihres ersten Kindes wurde für unsere Nutzerin warehouse14 ein Kindheitstraum wahr. Mutterschaft. Mit der Geburt ihres zweiten Kindes begannen die Probleme. Mit der Situation überfordert entschied sie sich - nicht zuletzt auch zum Wohl ihrer Kinder -, diese in eine Pflegefamilie zu geben. Dauerhaft. Das ist nun über 20 Jahre her. Im Blickwechsel beantwortete warehouse14 am Mittwoch, den 26. März, von 15 - 17 Uhr Deine Fragen.

Was hat es damit auf sich?

Mit dem gutefrage-Blickwechsel wollen wir die Möglichkeit für Begegnungen mit interessanten Menschen schaffen. Über den direkten Austausch soll so mehr Verständnis für die Sichtweisen des Anderen erreicht werden.

Denn hinter jeder Antwort auf gutefrage steckt ein Mensch mit einer spannenden Geschichte. Diesen Menschen kannst Du beim gutefrage-Blickwechsel begegnen und dabei versuchen, die Welt durch ihre Augen zu sehen. Denn genau das meint die doppelte Bedeutung des Wortes "Blickwechsel":

  1. Der Austausch von Blicken
  2. Der Wechsel der Sichtweise

Der Blickwechsel fand am Mittwoch, den 26. März, von 15 bis 17 Uhr statt. Unsere Nutzerin warehouse14 beantwortete zwei Stunden lang Fragen zu den Beweggründen, weshalb sie ihre Kinder dauerhaft weggeben hat, wie sie ihre damalige Entscheidung heute betrachtet und auch dazu, ob sie heute noch Kontakt zu ihren leiblichen Kindern hat.

warehouse14 stellt sich vor:

Eine Familie gründen ist sicher der Traum vieler Menschen. So war auch ich von Kindheit an davon begeistert, einmal Mutter sein zu können. Aber nicht immer läuft es so, wie man es sich vorstellt. Ob man mit einer Situation überfordert wäre, weiß man im Grunde leider erst, wenn es soweit ist. Und was macht man dann?

Ich (inzwischen 45 jahre alt) stand nach der Geburt meines 2. Kindes vor diesem Problem und entschied mich, meine Kinder dauerhaft in eine Pflegefamilie zu geben, damit es ihnen gut geht, während ich mit den Scherben meines Lebenstraumes zu kämpfen hatte. Kinderheim oder Adoption kamen nicht in Frage. Mir war aber dennoch von Anfang an klar, dass ich die Kinder nie wieder zu mir zurückholen werde. Meine eigene schwierige Kindheit und Jugend haben mich gut gelehrt, dass man manchmal radikale Entscheidungen treffen muss, um voran zu kommen. Vor allem wenn es um Kinder geht.

Aber das ist in unserer Gesellschaft oft nicht einfach. "Eine Mutter, die ihre Kinder weggibt? Das darf doch nicht wahr sein! Wie kann sie nur?! Eine Mutter hat ihre Kinder bedingungslos zu lieben und gefälligst alles für sie zu tun!" ... Solche Sprüche hört man immer wieder. Aber was erwarten die Leute da eigentlich konkret? Müssen Mütter Superkräfte haben oder dürfen sie auch mal ganz normale Menschen mit Stärken und auch Schwächen sein? Und gehört zu "alles für das Kind tun" nicht auch irgendwie dazu, es in fähigere Hände zu geben, wenn nötig?

In den Medien ist immer wieder mal von Kindern die Rede, die in ihrem Elternhaus verstorben sind. Die Eltern waren überfordert und wussten nicht, was sie tun sollen. Dann ist das Geschrei in der Bevölkerung wieder groß. Man fragt sich, warum niemand was dagegen getan hat und gibt nur allzu gerne dem Jugendamt die Schuld.

Viele sehen aber in dieser Behörde nur einen Feind, der Familien auseinanderreißen will. Das stimmt aber nicht. Wenn man vor allem als Elternteil ehrlich zu sich selbst ist und erkannt hat, dass man als Elternteil nicht gerade ein Vorzeigemodell ist, dann sollte man sich ohne schlechtes Gewissen Hilfe suchen können. Es geht doch immerhin um die eigenen Kinder! Ich habe nur sehr wenig Verständnis für Eltern, die sich weigern, die Hilfe des Jugendamtes anzunehmen oder überhaupt mal in Betracht zu ziehen. Aber ich kann es schon auch nachvollziehen, dass es nicht so angenehm ist. Man wird dann halt als Rabeneltern verschrien, wenn man sich nicht selbst um sein Kind kümmert. Und wer will schon als Rabenmutter oder -vater gelten? Niemand, denke ich.

Jedes Mal, wenn ich jemanden sagen höre, dass er für keinen Preis der Welt sein Kind weggeben würde frage ich mich, ob diesen Menschen bewusst ist, dass denselben Gedanken auch Eltern hatten, deren Kinder dann in ihrer Obhut aufgrund von Vernachlässigung oder Schlimmerem gestorben sind?

Solange es ein Stigmata ist, sein Kind wegzugeben, so lange werden Kinder zuhause sterben, weil sich niemand angemessen um sie kümmert. Das muss die Gesellschaft endlich mal verstehen und damit aufhören, es Eltern und vor allem Müttern so schwer zu machen, diesen Schritt zu gehen.

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