Liebe JackySmith, meine spontane Antwort dazu wäre Jein. ;-)
Weil m. E. "müssen" im Kontext mit persönlichen Erwartungen, Bedürfnissen und Zielen steht. "Müssen" verstehe ich eher als eine Notwendigkeit, um ein Ziel zu erreichen und weniger als eine Pflicht. Wenn ich also etwas tun "muss", bedeutet das folgendes für mich. Mein Verhalten und Handeln geschieht genau so und nicht anders, weil ich zu diesem Zeitpunkt keine bessere Alternative erkenne.
Beispiel: Ich habe eine Schlangenphobie und muss beim Anblick einer Schlange (im Zoo) weggehen oder mich mind. abwenden, um eine Panikattacke zu vermeiden. Um mein Ziel, die Vermeidung von totaler Hilfosigkeit (Panik), zu erreichen, ist es für mich notwendig (müssen) eine gewisse Distanz zum Auslöser herzustellen. Eigentlich handle ich freiwillig so und bin nicht dazu verpflichtet. Ich empfinde es dennoch als müssen, weil ich genau in diesem Augenblick keine bessere Alternative erkenne oder wahrnehme.
Wenn ich aber beginne, mich mit meiner Phobie auseinanderzusetzen, werde ich erfahren, dass es durchaus alternative Handlungsmöglichkeiten gibt. Doch nur das Wissen allein, wird mir das nächste Mal vermutlich nicht helfen können und somit muss ich bei Zoobesuchen weiterhin Ängste ertragen. Natürlich kann ich den Schlangenbereich vermeiden, trotzdem erschrecke ich jedesmal, wenn etwas auch nur so ähnlich wie eine Schlange aussieht. Wenn ich aber nun gewillt bin, eine Alternative umzusetzen, kann ich aus mehreren Möglichkeiten auswählen. Somit lerne ich den Anblick der Schlange zu ertragen und muss nicht mehr länger, sondern darf jetzt auch weggehen.
Und so sehe ich die Situation auch bei der sozialen Interaktion bei den Menschen. Auch wenn die Person weiss, dass es z. B. bei einem zwischenmenschlichen Problem eine andere Handlungsmöglichkeit gäbe, passt er dennoch sein Verhalten nicht (unmittelbar) an. Tja, aber wieso denn eigentlich nicht? Das führt doch höchstens dazu, dass die ratgebenden Menschen sich zunehmends frustriert abwenden und diese Person als uneinsichtig, unbelehrbar usw. abstempeln.
Meine Erfahrungen haben mich jedoch gelehrt, dass der Mensch sich eigentlich schon besser fühlen möchte, doch im Moment noch nicht für eine Veränderung bereit ist. Die innere Einstellung zu verändern, dürfte zu den schwersten Herausforderungen des Menschen gehören - ja wenn nicht sogar die schwierigste überhaupt.
Es gehört mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben. - Friedrich Hebbel
Also, lange Rede, kurzer Sinn. Aus müssen wird ein dürfen, wenn der Mensch für seine jeweilige Situation bessere und auch machbare Alternative(n) erkennt, akzeptiert und erfolgreich umsetzen kann, um sein Ziel zu erreichen. Und da wären wir bei der Wurzel des Übels, nämlich das Ziel. (Und die lange Rede scheint jetzt irgendwie noch länger zu werden... ;-) Unser Verhalten ist zielorientiert. Jemand, der Eigentümer einer 21-Zi-Villa werden will, handelt doch ganz anders als jemand, der eine Weltreise plant. Oder Eltern, die eine akademische Laufbahn für ihr Kind planen, werden andere Schwerpunkte setzen als Eltern, denen zwischenmenschliche Fähigkeiten wichter sind als gute Noten.
Mein grösster Wunsch an die Menschheit wäre, (nebst dem Weltfrieden natürlich ;-) dass wir eine Person nicht mehr länger beurteilen, sondern respektieren und das Bedürfnis "hinter" dem Verhalten verstehen lernen. Jeder kann dazu beitragen, indem er mehr über das menschliche Verhalten lernt und regelmässig auch sein eigenes Verhalten ehrlich hinterfragt. Mal sollte dabei bloss nicht gleich euphorisch in die nächste Falle tappen und die neugewonnene Erkenntnis auf jeden Menschen anwenden. ;-) Jeder Mensch (und damit meine ich auch wirklich jeder) tickt anders .Vielleicht ähneln sie sich im Verhalten, aber ganz bestimmt nicht in ihrem Empfinden und Denken und genau diese Einmaligkeit fasziniert und begeistert mich enorm. Deshalb versuche ich jedes Lebewesen, egal ob Mensch oder Tier, zu respektieren und seinen jeweiligen Fähigkeiten entsprechend zu fördern.
Ich versuche meinen Kids stets zu vermitteln, dass das Leben kein Wettkampf unter Menschen ist, sondern dass wir uns gegenseitig helfen und ergänzen sollten. Wie intensiv sie meine Ansicht übernehmen, kann ich nur begrenzt beeinflussen. Trotzdem werde ich sie immer respektieren wollen und kann nur versuchen immer eine verständnisvolle Anlaufstelle zu sein.
JackySmith, ich denke, dass du die obigen Fragen selber beantworten kannst, wenn du dir deiner Bedürfnisse ehrlich bewusst bist und deine Erwartungen und Ziele dementsprechend anpassen willst. Die Entscheidung ob du etwas darfst oder musst, kann dir also niemand abnehmen. :-)
Wer immer nur das tut, was er schon kann, wird auch immer das bleiben, was er schon ist. - Sprichwort
Ich wünsche dir viel Freude und Neugier beim Entdecken unserer Welt und versuche dabei geduldig zu bleiben, weil leben selbst der Sinn des Lebens sein könnte. ;-) Liebe Grüsse - Buckskin