Ja, das ist für dich wahrscheinlich schwer zu verstehen, weil für dich Toleranz und Offenheit wichtige Werte sind.
Dafür ist in unserer Kultur die Solidarität mehr auf den Staat ausgelagert (Sozialversicherung, Krankenkassen, Sozialhilfe) und weniger Sache der Familie.
Ich nehme an, in Afghanistan spielt Familie eine ganz andere Rolle als in Deutschland, Solidarität innerhalb der Familie ist dort viel wichtiger, und so kommt es, dass die Familie bei der Partnerwahl eben auch ein Wörtchen mitzureden hat.
Wahrscheinlich stellen sich die Eltern deines Freundes eine Afghanin aus demselben Stamm, derselben Region, demselben Dorf, ja vielleicht sogar eine Cousine als ideale Partnerin für ihn vor.
Was sie an dir stören könnte sind folgende Faktoren:
- Du bist nicht Moslem und Moslems sollten, soviel ich weiss, laut ihrer Religion Moslems heiraten. Ok, dann könntest du konvertieren.
- Du hast nicht dieselben Wertvorstellungen wie sie. Wahrscheinlich kleidest du dich nicht wie eine züchtige Afghanin sich nach ihrer Vorstellung kleiden würde, du redest anders, du opferst dich weniger, du bist weniger zurückhaltend, du bist (nehme ich an) weniger kompetent und fleissig in der Hausarbeit, du hast (nach ihren Regeln) keinen "Anstand".
- Du stammst nicht aus der richtigen Familie (und auch nicht aus dem richtigen Land).
Wie gehst du mit der Situation um?
Erstens empfehle ich dir, dich ein bisschen umzuhören, was von einer guten afghanischen Frau erwartet wird, und dir zu überlegen, inwiefern du diese Vorstellungen erfüllen kannst. Denn es ist zu vermuten, dass dein Freund latent auch diese Wertvorstellungen hat, dass das nur jetzt in der Verliebtheitsphase noch nicht richtig zum Ausdruck kommt. d.h. die Ansprüche von Seiten deines Freundes könnten später (z.B. nach Heirat & Geburt von Kindern) plötzlich ganz unerwartet ansteigen.
Zweitens empfehle ich dir, falls du vor alledem keine Angst hast, nachdem du dich umfassend informiert hast, dich an die Sitten der Familie anzupassen, damit du sie nicht zu sehr schockierst. Es kann sein, dass man dort überhaupt nicht gewöhnt ist, dass Frauen überhaupt das Wort an Männer richten (mit denen sie nicht verheiratet sind). Das kann für dich etwas befremdend wirken, aber etwas Theater spielen wäre in diesem Zusammenhang nicht schlecht..
Dritttens solltest du all das mit deinem Freund thematisieren: wo steht er? Was verliert er, wenn er seine Familie aufgibt? Teste ihn auch, inwiefern er die gleichen Werte hat wie du. Teste, ob es eine tragfähige Beziehung ist. Versuche herauszufinden, wie er dich sieht... da unterliegt man oft grossen Täuschungen, in beiden Richtungen...