Worin besteht der Unterschied zwischen einem Gleichnis und einer Parabel (inhaltlich und formal)?

4 Antworten

Parabel ist eine Sonderform des Gleichnisses. Das heißt: Alle Parabeln sind Gleichnisse, aber nicht alle Gleichnisse sind Parabeln.

Man unterscheidet hier formal nach Literaturgattung:

-         Gleichnis im engeren Sinn: ein typischer Zustand: (Senfkorn)

-         Parabel: ein interessierender Einzelfall (Verlorener Sohn)

-         Beispielerzählung: ein interessierender Musterfall (Pharisäer und Zöllner)

-         Allegorie (sehr selten bei Gleichnissen!): frei erfundener Fall, die Deutung ist hier Zug um Zug, jeder Einzelteil hat seinen Vergleichspunkt (Königliche Hochzeit)

Zur inhaltlichen Seite: Hier gilt allgemein für alle Gleichnisse, also auch für die Parabel:

Gleichnisse sind eine typische Redeform der Rabbiner, in der sie etwas erklären wollen.

Ganz allgemein: Biblische Bildrede (Maschal), in der etwas erzählt wird, um eine Aussage zu illustrieren.. Dabei sind auch Abweichungen von der Realität möglich.

Ein Gleichnis läuft nach den Gesetzen einer volkstümlichen Erzählung ab: Oft sind es nicht mehr als drei Personen, nie zwei gleichzeitig verlaufende Vorgänge, selten schmückendes Beiwerk, selten Gefühle oder Gründe, weshalb etwas passiert. Direkte Rede oder Selbstgespräch werden verwendet.

Alle erzählten Einzelheiten habe immer nur die Funktion, zu einem Vergleichspunkt zu kommen. (Ausnahme ist die Allegorie, etwa das Gleichnis von der königlichen Hochzeit) Ziel des Gleichnisses ist oft eine Herausforderung an den Hörerkreis und eine Aufforderung, sich in bestimmter Weise zu verhalten.

 

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Vanillezuckerl  21.01.2019, 17:07

Ich dachte, "der verlorenen Sohn" sei ein typisches Gleichnis und eben keine Parabel?

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Nadelwald75  21.01.2019, 17:41
@Vanillezuckerl

Das ist kein Widerspruch. Wie gesagt: Parabel ist eine Sonderform des Gleichnisses.

Das Gleichnis im engeren Sinn bezieht sich auf einen typischen Zustand. Das ist z.B. beim Gleichnis vom Senfkorn (Senfkörner sind immer klein...) oder bei Gleichnis vom Sämann (Die Äcker und der Vorgang am See Genezareth waren immer so und alle kannten das).

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist zwar ein typisches Gleichnis, aber eben in der Literaturform der Parabel: So, wie sich der Vater verhält, ist es eben ein interessierender, nicht-typischer Einzelfall.

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Vanillezuckerl  21.01.2019, 17:52
@Nadelwald75

Ok, danke für die Erklärung.

Aber handelt es sich beim verlorenen Sohn wirklich um einen nicht-typischen Einzelfall?

Soll es nicht vielmehr zum Ausdruck bringen, dass Gott alle seine Kinder (unterschiedslos) liebt? Dass die Einheit mit Gott das Lebensziel aller sein sollte und dass es hierfür nie zu spät ist?

Ich gebe aber zu, so richtig klar ist mir der Unterschied zwischen Parabel und Gleichnis (im formalen Sinn) immer noch nicht...

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Nadelwald75  21.01.2019, 18:15
@Vanillezuckerl

Noch mal zum Unterschied:

Wenn du das Gleichnis vom Sämann als typischen Vorgang nimmst: Die Art wie Äcker am See Genezareth angelegt waren, kannten alle Zuhörer: Steinwääle als Grenze, zwischen denen sich Dornen entwickelten, Wege, Vögel, die die Körner fressen, Korn, das an die falsche Stelle fällt usw.

Beim Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. vom guten Vater wird ein Vater geschildert, der geradezu nicht typisch ist. Väter verhalten sich gegenüber missratenen Söhnen meist ganz anders, stellen Forderungen, erwarten etwas. Der Vater hier erwartet gar nichts, er läuft bedingungslos dem Sohn entgegen (und das ist nicht typisch), der vielleicht überhaupt nichts bereut. der will nur nach Hause und hat seine Rede auch noch vorher geprobt.

Lukas erzählt das Gleichnis in folgendem Zusammenhang:

Lukas 15,1-10: 1 Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. 2 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. 3 Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte:

Jetzt folgen verschiedene Gleichnisse und auch das vom guten Vater. Literarisch ist es daher eine Parabel, in der ein interessierender Einzelfall erzählt wird, frei erfunden, da der "Normalvater" sich meist anders verhält.

Es ist auch nicht das Ziel des Gleichnisses, einem "Sünder" zu sagen, dass er umkehren soll und der Vater ihn aufnimmt, sondern es ist an diejenigen gerichtet, die ihre Schwieirgkeiten mit Jesus haben, der für die Sünder eintritt.

Der Vater ist nicht Gott (Sohn unterscheidet: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt....) , sondern die Aussage ist: So wie der Vater handelt, so handelt auch Gott. Und ihr (Pharisäer) seid aufgefordert, euch zu entscheiden, ob ihr gegenüber den Zöllnern und Sündern ebenso handelt (= Entscheidungsgleichnis).

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Vanillezuckerl  21.01.2019, 20:53
@Nadelwald75

Danke für die ausführliche Antwort :)

Dass das Verhalten des Vaters im "Verlorenen Sohn" nur als Vergleich zur Güte Gottes dient, war mir schon bewusst - aus dem Grund ist es ja auch ein Gleichnis. Dass im Text selbst darauf hingewiesen wird, ist wiederum ein Unterschied zur Parabel, in der die Sachebene idR nicht offen gelegt wird, sondern hinter dem "Bild" verschwindet.

Unter Einzelfall hatte ich etwas anderes verstanden als du.

So beziehen sich Parabeln ja zumeist auf eine konkrete Situation, in der auf eine bestimmte Weise gehandelt (oder nicht gehandelt) werden soll, woraus sich dann häufig ein Lehrsatz herleiten lässt.

Gleichnisse sind demgegenüber allgemeiner gehalten. Die Liebe zu Gott bzw. dessen Güte ist ja ein omnipräsenter Grundgedanke der Bibel, weshalb ich das nicht als Einzelfall verstanden habe.

Ich denke aber, du meinst etwas komplett anderes:
nämlich die Bildebene, also das Beispiel, anhand dessen die eigentliche Botschaft/Lehre vermittelt werden soll.

Hab ich das richtig verstanden?

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Flacko2106 
Fragesteller
 22.01.2019, 02:57
@Nadelwald75

Wenn ich das was du geschrieben hast als Antwort schreibe wäre das dann komplett richtig?

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Nadelwald75  22.01.2019, 10:05
@Flacko2106

Ja.

Die Angaben habe ich aus meiner Ausbildung, kann also für die Einzelheiten jetzt keine Quelle angeben,

bestenfalls noch:

Linnemann, Eta, Gleichnisse Jesu, Kurzausgabe von 1975, 2. Aufl. Vandenhoeck-Reihe

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Nadelwald75  22.01.2019, 10:15
@Nadelwald75

Hallo Vanillezucker,

zum Thema Bildhälfte - Sachhälfte:

es gibt verschiedene Arten, ein Gleichnis auszulegen. Eine Methode ist die Unterscheidung nach Bildhälfte und Sachhälfte. Gemeint ist, dass der Erzähler eine Sache anhand von Bildern erklären will.

Das gilt für alle literarischen Formen der Gleichnisse, also auch für Parabel und Gleichnis im engeren Sinn.

Zum Beispiel das Gleichnis vom barmherzigen Samariter:

Bildhälfte ist alles, was sich in der Handlung konkret ereignet und zu sehen ist: Überfall, Vorübergehen von Levit und Priester, Sorge des Samariters, Gaststätte, Öl und Wein, Geld usw.

Sachhälfte ist die Frage danach, welche Sache, welcher Gedankengang, welche Idee dargestellt werden soll. Da lässt sich ausgehen von der Ausgangsfrage der Pharisäer, was das Hauptgebot sei und wer dann mein Nächster ist. Es ist die Frage danach, was Nächstenliebe konkret für jeden bedeutet und welche Entscheidung jeder für sich nach dem Gleichnis fällt.

Eine dritte Sache ist dann aber sehr wichtig: Fast alle Gleichnisse, auch dieses hier darf nicht in seinen Einzelheiten auseinandergefaltet werden und nach deren Bedeutung untersucht werden, sondern es kommt (außer bei der Form der Allegorie!) nur auf einen einzigen Vergleichspunkt an, auf den alles hinausläuft: Wer ist mein Nächster? – Gehe hin und tue desgleichen! – Und damit soll dann eine allgemein gültige Wahrheit ausgesprochen werden.

Die Unterscheidung geht zurück auf A. Jülicher (um 1900). Jülichers Ansatz: Gleichnisse zielen auf einen Vergleichspunkt ab. Dieser Vergleichspunkt ist das 3. Gemeinsame („tertium comperationis“) zwischen dem erzählten Gleichnis (Bild) und dem Thema/Problem (Sachhälfte). Seiner Meinung nach hat jedes Gleichnis nur einen wichtigen Aussagekern. Diesen aufzuspüren ist Ziel der Auslegung.

Quelle: http://www.pb.seminar-albstadt.de/bereiche/mnkwzgwagitgrel/religion/gleichni.pdf

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Auf dieser Seite gibt es eine ganz einfache Erklärung für den Unterschied zwischen einem Gleichnis und einer Parabel:
https://www.schnell-durchblicken.de/durchblick-auch-in-deutsch/fragen-und-antworten/parabel/
Beide unterscheiden sich nur in einem einzigen Punkt, in einer Parabel wird eine Geschichte erzählt, im Gleichnis wird auf ein Naturphänomen zurückgegriffen. Im Hinblick auf die Bibel wird beim Begriff Gleichnis leider nicht unterschieden. Es lohnt sich aber, diesen Unterschied zu machen.

Obwohl es eigentlich das Gleiche aussagt, reserviert man gern die Gleichnisse als Name für religiöse Parabeln, in Sonderheit die Gleichnisse Jesu.

Bei Parabeln gibt es dann auch noch die Bezeichnung "Vergleiche".

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Unterricht - ohne Schulbetrieb

Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass sich der Leser in der Parabel die Sachebene (also das, was durch das Geschilderte (die Bildebene) vermittelt werden möchte, sozusagen "die Moral von der Geschicht'") selbst erschließen muss.

Das lässt deutlich mehr Interpretationsspielraum zu, als das beim Gleichnis der Fall ist, welches diese Sachebene gleich mitliefert, indem sie sich konkreter "so wie" Vergleiche bedient. So wird direkt im Text klar gestellt, was womit verglichen werden soll.


Vanillezuckerl  21.01.2019, 00:51

Inhaltliche Unterschiede:

Hier ist es gut erklärt, finde ich.

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Flacko2106 
Fragesteller
 21.01.2019, 00:51

War das jetzt inhaltlich und formal? Lg

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Vanillezuckerl  21.01.2019, 00:54
@Flacko2106

Das kann ich dir selbst nicht genau sagen, sorry.

Ich weiß nur, dass die tatsächlichen Unterschiede sehr gering sind.

Sieh dir mal die Seite an, die ich verlinkt habe, da steht Genaueres.

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Vanillezuckerl  21.01.2019, 01:35
@Flacko2106

Ich hab gerade eine Idee, was die formalen Unterschiede betrifft:

Parabeln sind kurze, lehrreiche Texte, zumeist in Prosa verfasst, die sich auf einen Einzelfall beziehen.

Denk nur an die vielen Tierparabeln. (Hochmut kommt vor dem Fall, Wenn zwei sich streiten, freut sich ein Dritter etc.)

Gleichnisse sind in der Regel umfangreicher, verfügen über einen erzählerischen Spannungsbogen, arbeiten sozusagen auf eine Pointe hin, wobei Bild- und Sachebene durchgehend parallel zueinander verlaufen.

Beispiel: der verlorene Sohn.

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Vanillezuckerl  21.01.2019, 20:12
@Flacko2106

Nein, eine 100%ige Sicherheit kann ich dir leider nicht geben.

Vielleicht liest du dir lieber die Antwort von Nadelwald75 durch.

LG

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