Woher weiß man wie das Universum wirklich aussieht?

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Hallo Gandalf1254,

mit einer Ausbildung in Astronomie würde ich sogar sagen: Wir wissen gerade WEIL wir in die Vergangenheit des Universums blicken können, so viel über das Universum. Deswegen und auch noch aus einem zweiten Grund: Weil die Objekte, egal wie weit weg, von derselben Physik beherrscht werden, die wir hier im Labor untersuchen und verstehen können.

Bei Deiner Überlegung, ob es einen Stern am Nachthimmel noch gibt, muss man ganz gründlich unterscheiden, ob wir mit bloßem Auge nach oben gucken... oder mit Teleskopen in die Tiefen des Alls.

Alle Sterne, die wir mit bloßem Auge sehen, sind nämlich nur wenige bis wenige hundert Lichtjahre von uns weg. Oder bildlich dargestellt:

Bild zum Beitrag

(Bildquelle)

Sterne haben je nach ihrer Masse eine "Lebensdauer" von wenigen Millionen bis etlichen Milliarden Jahren. Selbst ein paar hundert Jahre Lichtlaufzeit sind da extrem wenig im Vergleich. Ein Stern, den wir mit bloßem Auge sehen - und der nicht gerade Eigenschaften eines Sterns in seinen letzten Zuckungen zeigt, wie Beteigeuze - hat entsprechend eine Lebenserwartung, die dermaßen höher liegt als die Lichtlaufzeit zu uns, dass man sich da keine Gedanken machen muss: Die mit bloßem Auge sichtbaren Sterne existieren noch, vielleicht mit einem wuzziwuzzi Fragezeichen hinter Beteigeuze.

Anders schaut es mit Teleskopen aus. Wenn Wir andere Galaxien betrachten, haben wir Millionen bzw. Milliarden Jahre Lichtlaufzeit zu uns. Wir kommen dann also in die Größenordnung oder sogar über die Größenordnung der durchschnittlichen Lebensdauern bestimmter Sterntypen. Entsprechend ist dann davon auszugehen, dass es diese Sterne in diesen Galaxien nicht mehr gibt.

Und das ist Klasse, weil das wie eine Zeitmaschine den Blick öffnet auf eine Aufnahme des Universums in der Vergangenheit.

Aus dem Urknallmodell, das aus der beobachteten Rotveerschiebung des Lichtes der Galaxien abgeleitet wurde, hat man errechnet, dass das gaaaaanz junge Universum wegen der freien Elektronen im zu heißen Urzustand undurchsichtig war: Licht konnte sich wegen der freien Elektronen nicht ausbreiten. Man hat dann ausgerechnet: Wenn das Urknallmodell stimmt, dann hat es einen Zeitpunkt gegeben, an dem das Universum so weit abgekühlt war, dass die Elektronen an die Atomkerne gebunden werden konnten... und das war der Zeitpunkt, als sich das Licht zum allerersten Mal ungehindert ausbreiten konnte. Und der Witz ist: Weil wir in die Vergangenheit sehen, können wir dieses erste Licht beobachten: Das ist die kosmische Hintergrundstrahlung.

Wir haben auch Modelle, wie die erste Generation Sterne, die nach dem Urknall entstand, sich von den Sternen unterschieden hat, die in der zweiten und dritten Sterngeneration gebildet wurden - und in denen anteilig schwere Elemente drin sind, die in der ersten Sterngeneration fusioniert wurden.

Und wir können diese erste Sterngeneration in weit entfernten Galaxien beobachten und deswegen unsere Modelle testen. Wir können wirklich sehen, dass dort dieselbe Physik die Vorgänge bestimmt, wie hier... weil wir in die Vergangenheit blicken.

Hier ist das mal genauer erklärt:

https://www.youtube.com/watch?v=C1_AGo89iWU

Der Blick in die Vergangenheit ist also kein Problem, sondern ein (unvermeidbarer) Segen für die Kosmologie und die Astrophysiker.

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU
 - (Universum, Astronomie)

SirKermit  15.07.2020, 05:22

Danke, den Aspekt, dass die Sicht in die Vergangenheit auch vorteilhaft ist, habe ich bislang so noch nicht betrachtet.

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"Oder denke ich da gerade total falsch."

Leider ja. Wir leben grundsätzlich in der Vergangenheit. Das Licht der Sonne ist 8 Minuten zu uns unterwegs, selbst der Mond zeigt sich in der Vergangenheit, auch wenn es nur 1 1/3 Sekunde ist.

Das "wirkliche" Universum wird uns aufgrund der Lichtgeschwindigkeit verschlossen bleiben. Dass man sich mit Simulationen behelfen kann, wurde schon erwähnt, ändert aber nichts an unserer Realität.

Selbst das Licht vom Monitor benötigt Zeit, um dein Auge zu erreichen. Winzig wenig, aber vorhanden.

Gar nicht. Wir schauen bewusst in einen Nachthimmel, der so vielleicht nicht mehr existiert.

Was man machen kann, ist für die Wissenschaft den jetzigen Zustand zu erraten, indem man Flugbahnen usw. simuliert. Gewissheit erlangt man so natürlich nicht, da viel Unerwartetes nicht mit einberechnet werden kann.