Woher kommt das Minuszeichen im Induktionsgesetz?

4 Antworten

Das Minuszeichen im Induktionsgesetz kommt von veralteten Schulbüchern und Autoren, die nun über (hundert) Jahre voneinander abschrieben. 

Ich weiß nicht wie oft ich das in meinem Leben schon gesagt habe, aber es ist einfach KOMPLETTER UNSINN von einem Vorzeichen zu sprechen, wenn man die ZÄHLRICHTUNG nicht definiert.

Zur Veranschaulichung stell dir vor die misst mit einem Voltmeter eine Induktionsspannung von 1V. Wenn du das Voltmeter umpolst, wirst es -1V anzeigen. Solange man das Induktionsgesetz nur so anschreibt

U = dΦ/dt

dann weiß man ja nicht, wie die konkrete Polung ist. Es heißt nun nicht, dass man sich die Polarität der induzierten Spannung nicht mit der Lenz'schen Regel bestimmen könne, aber dazu bedarf es einer geometrischen Zusatzüberlegung.

Richtig ist daher immer

|U|= dΦ/dt

Das Minuszeichen soll wohl der Lenz'schen Regel Tribut zollen, tut dies aber auf maximal unangemessene Weise.

Übrigens: Die Maxwellgleichung

rot E = - ∂B/∂t

enthält das Minuszeichen natürlich, und dies ist richtig.

Wenn man alles richtig macht, kann man daraus das Induktionsgesetz in Integralform herleiten. Das Vorzeichen hängt wie gesagt vom Umlaufsinn des Flächenintegrals ab.

Wieso selbst modern ausgebildete Physiklehrer diesen Unsinn mit dem Vorzeichen immer noch verzapfen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium technische Physik, promoviert in Festkörperphysik

Ich bin Physiker und Physiklehrer und ich sehe das ganz genauso wie michiwien22. Leider steht das Minuszeichen in den meisten Formelsammlungen drin, was eher zu Verwirrung beiträgt. Ohne Skizze und Polung des Messgerätes (bzw. Umlaufsinn eines Integrals) macht eine Vorzeichenangabe der Spannung keinen Sinn.

Nur: die Betragsstriche sind auch keine Lösung. Bei einem Wechselfeld wechselt auch die Polung der Induktionsspannung (geht auch mal ins Negative). Aber da die Polung willkürlich ist, wäre ich auch dafür, das Minuszeichen zu streichen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Die sogenannte Lenzsche Regel ist eine Folge der Energieerhaltung: wenn die induzierte Spannung in die andere Richtung zeigen würde, würde der Induktionsstrom den induzierenden Magneten beschleunigen statt abbremsen. Damit hätten wir ein Perpetuum Mobile 1. Art.


Woher ich das weiß:Hobby – Hobby, Studium, gebe Nachhilfe
michiwien22  11.05.2017, 21:01

Alles OK. Daraus ergibt sich aber kein konkretes Vorzeichen.

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PWolff  11.05.2017, 21:12
@michiwien22

Stimmt. Wo das Minuszeichen steht, hängt von der Definition der Feldrichtungen ab.

Korrektur der Antwort: dass ausgerechnet beim "Induktionsgesetz" das negative Vorzeichen steht, ist im wesentlichen zufällig. Es liegt an einer Asymmetrie der Natur (vgl. Einzelheiten zur PCT-Invarianz) und an unserer willkürlichen Festlegung von positiven und negativen Ladungen sowie Nord- und Südpol. (Und dass die magnetischen Feldlinien vom Nordpol zum Südpol laufen sollen.)

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michiwien22  11.05.2017, 21:21
@PWolff

Nein, es liegt an unserer willkürlichen Annahme einer Zählrichtung für die Spannung. Stell die vor eine Spule, von der du nichts weißt außer den beiden Anschlüssen. Du fährst mit einem Magneten vorbei und misst eine Spannung 1V. Nun kaufst du eine zweite Spule, die du genau gleich einbaust. Im gleichen Experiment misst du plötzlich -1V. Was heißt das? 

Du würdest wohl letztlich zum Schluss kommen, dass der Wicklungsinn genau verkehrt ist. Der Fluss durch die Querschnittsfläche der Spule ist aber der selbe wie vorher.

Ausweg wäre, die Flächennormale des Querschnitts von der gewählten Zählrichtung so abhängig zu machen, dass das Minus immer stimmt. Ich kann die als Elektrotechniker aber versichern, dass dies niemand so macht. Schüler wären damit komplett überfordert.

Details nachzulesen unter:

http://www.physikdidaktik.uni-karlsruhe.de/altlast/26.pdf

(dies ist übrigens nicht von mir)

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PWolff  11.05.2017, 21:26
@michiwien22

Ich denke bei "Induktionsgesetz" an die entsprechende Maxwellsche Gleichung   ∇ × E = -∂B / ∂t

Ach ja, stimmt, du hast insofern recht: eine willkürliche Festlegung brauchen wir hierfür noch: "Vorzeichen" des Kreuzprodukts, bzw. "Rechtssystem" als "positiv orientiert"

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PWolff  11.05.2017, 21:29
@PWolff

Bei "Lentzsche Regel" übersieht man zu oft, dass man hier ein Magnetfeld hat und keinen Elektromagneten, der das Magnetfeld erzeugt.

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michiwien22  11.05.2017, 21:34
@PWolff

du denkst hier viel zu kompliziert in Maxwellgleichungen!!!

 Es geht aber nicht um das Minus in der Maxwellgleichung (welches unbestritten ist) sondern um das Minus der Spannung zwischen zwei Punkten. Spannungen können immer positiv oder negativ sein, je nach Zählrichtung (bzw. Polung des Voltmeters). Ohne Angabe einer Zählrichtung ist die Angabe eines Spannungsvorzeichens daher sinnlos. Dies lernt jeder E-Techniker im ersten Semester, hat sich bei Physiklehrern aber noch nicht herumgesprochen. Was soll ein Schüler mit dem Vorzeichen anfangen, wenn es bei Umpolung sowieso umgekehrt ist?

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PWolff  11.05.2017, 21:37
@michiwien22

Für den Physiker ist die Spannung ein Potential und damit bis auf eine additive Konstante eindeutig festgelegt. Das Vorzeichen der Spannung zwischen zwei Punkten ist immer dasselbe.

Mal sehen, ob ich die "Zählrichtung" irgendwann mal begreife, aber ich sehe da schwarz - die Prozentrechnung habe ich immer noch nicht begriffen, ich rechne immer Prozente in Anteile um, rechne mit den Anteilen und am Ende die Anteile wieder in Prozente um.

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michiwien22  11.05.2017, 21:48
@PWolff

Ein Voltmeter hat einen roten und einen schwarzen Stecker. 

Um Spannung zwischen A und B zu messen, verbindest du die Anschlüsse über Strippen mit den beiden Punkten. Verbindest du den roten mit A und den schwarzen mit B, und das VM zeigt 1V an, so beutet das: Bei der Zählrichtung A->B (meistens mit Pfeil  von A nach B in die Schaltung eingezeichnet) ist die Spannung  zwischen den Punkten 1V.

Wechselst du die Zählrichtung indem du die Anschlüsse vertauscht, so würde das VM -1V anzeigen. Dies bedeutet:

Bei der Zählrichtung B->A (Pfeil  von B nach A in die Schaltung eingezeichnet) ist die Spannung  zwischen den Punkten -1V.

Es ist in der Elektrotechnik völlig unerheblich, wie man die Zählrichtungen definiert. Kommt ein Minus heraus, so ist die Spannung eben negativ und wäre positiv, wenn man die andere Zählrichtung gewählt hätte.

Wie soll man einem Schüler nun das Minus erklären, wenn das Voltmeter einmal + und einmal - anzeigt, je nachdem wie es angeschlossen wird?

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PWolff  11.05.2017, 21:52
@michiwien22

Da kann ich jetzt die Schwierigkeit nicht nachvollziehen. Die Spannung, die ein Voltmeter anzeigt, ist (unter Berücksichtigung des Vorzeichens) Potential an Rot minus Potential an Schwarz.

Aber Menschen denken offensichtlich sehr unterschiedlich.

Dabei fällt mir ein: hat schon mal jemand ein Experiment gemacht, ob Schüler, die mit der europäischen Mathematik nicht klarkommen, die indische oder chinesische kapieren? (ich mein mich zu erinnern, da hätte schon mal jemand was gemacht, mit positivem Ergebnis)

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michiwien22  11.05.2017, 22:08
@PWolff

Das oben ist richtig ;-)

Nun gib Leuten eine Spule und sag ihnen, sie sollen die Spannung an den Anschlüssen messen, während du mit einem Magneten drüberfährst. 50% werden das Voltmeter auf die eine Art polen, der Rest genau andersrum. Dies bedeutet: 50% der Leute werden sagen: die Induktionsspannung ist 1V, die anderen sagen : Die Induktionsspannung ist -1V.

Der Fluss durch die Spule ist in beiden Fällen aber der gleiche, da die Geometrie der Spule gleich blieb, und nur das Voltmeter anders angesteckt wurde. Was ist nun richtig? 

dΦ/dt = 1V 

oder 

dΦ/dt = -1V ?

Siehst du jetzt das Problem? Es ist ganz einfacher, nicht komplizierter Natur!

Es ist eine ganz allgemeine Regel, dass man als Elektrotechniker IMMER (und ohne Ausnahme) einen Zählpfeil definierten MUSS, bevor man über das Vorzeichen einer Spannung reden darf oder Berechnungen ausführt. Schülern ist das aber in den allermeisten Fällen nicht klar.

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PWolff  11.05.2017, 22:10
@michiwien22

Das ist wohl wieder einer der Punkte, wo ein Physikerhirn anders tickt als ein Durchschnittshirn.

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michiwien22  11.05.2017, 22:15
@PWolff

Ich verstehe nicht, wieso du akzeptieren kannst, dass

dΦ/dt = 1V  und gleichzeitig

dΦ/dt = -1V 

sein kann. Siehst du nicht den Widerspruch, der sich in einer Klasse ergeben würde, wenn die Art und Weise, wie die Spule anzuklemmen ist nicht definiert ist?

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PWolff  11.05.2017, 22:18
@michiwien22

Wieso Widerspruch? Bei einer Fläche im Raum haben wir zwei Möglichkeiten, eine Orientierung festzulegen. Wir müssen uns nur für eine entscheiden und diese Entscheidung kommunizieren.

Falls das nicht das ist, was du mit "Zählrichtung" meinst.

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michiwien22  12.05.2017, 16:13
@PWolff

Ja, zu einer Spannungs-Zählrichtung gehört dann genau eine Flächen-Zählrichtung für den Fluss. Nur ist (fast) jeder Schüler damit überfordert, die richtige Orientierung festzulegen. So hinge die Orientierung der Fläche, die den Fluss definiert dann vom Wicklungssinn der Spule und von der Spannungs-Zählrichtung ab. Es wird in Schulen aber nicht gelehrt, dass man die Orientierung benötigt. Beispiel: schau mal in 

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/physik-abitur/artikel/das-induktionsgesetz

Hier taucht plötzlich das Minus auf. Wo wird aber darauf hingewiesen, dass man den Fluss richtig zählen muss und wie daher die verwendete Flächennormale auszusehen hat?

Was anderes ist dies:

https://de.wikipedia.org/wiki/Elektromagnetische\_Induktion

Induktionsgesetz in SI-Einheiten

Dort ist für die Integralformen ebenfalls ein Minus. Da links aber ein Wegintegral über die Feldstärke steht, ist die  Zählrichtung nicht relevant - sie geht hier nicht ein. Ebenso wird hervorgehoben, dass die Integrationskontur zusammen mit der Flächennormalen ein Rechtssystem bildet. Diese Formulierung ist daher 100% OK.

Auf diese Details wird im Unterricht jedoch nicht eingegangen.


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michiwien22  12.05.2017, 16:33
@michiwien22

In 

http://www.chemie-schule.de/KnowHow/Elektromagnetische\_Induktion

wird es vorbildlich gemacht. Hier wird eine Zählrichtung UND eine Flächennormale definiert (Bild: Induktion bei einer Leiterschleife).

Der Zusammenhang wird (in diesem Fall ohne Minus) als

U = dΦ/dt 

vorzeichenrichtig angegeben UND auf die Bedeutung dieser Richtungen für das Vorzeichen eingegangen.

Würde man nun entweder die Flächennormale oder die Zählrichtung umdrehen, erhielte man

U = -dΦ/dt 

Wenn aber in einem Schulbuch keiner der Richtungen definiert wird (Eine Spannung anzugeben ohne Zählrichtung ist sowieso ganz ganz Brrr...im ET Studium werfen die dich bei Prüfung gleich raus...), hat es keinen Sinn über das Vorzeichen zu reden.

Ich hoffe ich konnte Dir klar machen, worum es mir geht. Außer dir hört eh keiner mehr zu...

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