Wieso muss bei Reaktionsgleichungen die Mol-Anzahl nicht übereinstimmen?

10 Antworten

Die Teilchenanzahl ist doch auch eine Gewichtsangabe,

Nein, die Teilchenzahl ist KEINE Gewichtsangabe, es ist lediglich die Angabe einer Anzahl.

je mehr Teilchen, desto mehr Gewicht.

Das stimmt nur dann sicher, wenn alle Teilchen gleich schwer sind. Das ist aber nicht der Fall, wenn man ein Teilchen in zwei oder mehr kleinere Teilchen zerlegt.

Beispiel: Du hast ein Haus aus 500 Legosteinen, also ein Teilchen "Haus". Nun zerlegst du das Haus in seine Einzelteile und erhältst 500 kleinere Teilchen, die aber zusammen genauso schwer sind, wie das eine Teil "Haus". Aus einem Teil wurden also 500 Teile. Trotzdem wiegen die 500 kleineren Teile insgesamt nicht mehr, als das eine Teil "Haus".

Moin,

du setzt hier zwei Dinge gleich, nämlich die Masse von Teilchen und ihre Anzahl, die nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden können...

Natürlich hast du Recht, dass die Masse zunimmt, wenn du die Teilchennzahl erhöhst. Aber das setzt voraus, dass es sich dabei auch stets um die gleiche Art von Teilchen handelt!

1 Tennisball wiegt weniger als 2 Tennisbälle, die wiederum weniger wiegen als 3 Tennisbälle usw.

1 Bowlingkugel wiegt weniger als 2 und die weniger als 3...

Soweit so klar. Aber deine Annahme wird sofort falsch, wenn du anfängst, die Dinge zu mischen: 2 Tennisbälle wiegen trotzdem weniger als 1 Bowlingkugel, obwohl du von den Tennisbällen die doppelte Anzahl hast, verstehst du? Du darfst hier zwar die Anzahl der Objekte (Teilchen) miteinander vergleichen, kannst aber daraus keinerlei Rückschlüsse auf die Masse machen. Den Rückschluss auf eine steigende Masse darfst du - wie gesagt - nur machen, wenn es sich um gleiche Teilchen handelt. Aber das ist weder bei den Tennisbällen und Bowlingkugeln noch beim Quecksilberoxid, Quecksilber und Sauerstoff der Fall.

Quecksilberoxid: Ein salzartiges Oxid, fest unter Normalbedingungen, spröde, kristallin...

Quecksilber: Ein Metall, flüssig unter Normalbedingungen, silbrig-glänzend...

Sauerstoff: Ein Nichtmetall, gasförmig unter Normalbedingungen, farblos, durchsichtig...

Du siehst: drei völlig verschiedene Stoffe! Darum kannst du auch nicht einfach behaupten, dass sie aus kleinsten Teilchen bestehen, die alle die gleiche Masse haben. Das ist nämlich nicht so! Ein Quecksilberatom wiegt nämlich ungefähr 200,6 u ("u" steht für "unit" und meint die atomare Masseneinheit). Ein Sauerstoffatom hat die Masse von etwa 16,0 u. 1 Mol Hg wiegt circa 200,2 g. Sauerstoff ist insofern noch besonders, als bei elementarem Sauerstoff keine einzelnen Atome auftreten, sondern die Minimoleküle O2, also immer zwei Sauerstoffatome als Paar. Daher hat 1 Mol Sauerstoff die Masse von 32 g.

Soweit - so gut! Und nun zerpflücken wir doch noch einmal deine Angabe:

2 HgO --> 2 Hg + O2

2 Mol HgO --> 2 Mol Hg + 1 Mol O2

Wenn du nun ausschließlich die Teilchenanzahl betrachtest, werden aus 2 Mol recht großen und schweren HgO-Teilchen 2 Mol etwas kleinere und leichtere Hg-Teilchen plus 1 Mol winzige und sehr leichte paarige Sauerstoffmoleküle. Demnach würden die Teilchen auf der rechten Seite tatsächlich mehr sein - rein zahlenmäßig. Aber die Masse beider Seiten bleibt gleich:

2 Mol HgO: Masse = 433,2 g (2 • 200,6 g + 2 • 16,0 g)

2 Mol Hg: Masse = 401,2 g (2 • 200,6 g)

1 Mol O2: Masse = 32,0 g (1 • 16 g • 2)

433,2 = 401,2 + 32,0

Und wenn du jetzt noch Schwierigkeiten haben solltest, das zu verstehen, stell dir einfach einen Bleistift mit Radiergummi-Ende vor. Der habe als zusammengesetztes Teilchen die Masse 3 g. Wenn du nun den Radiergummi aus der Halterung holst, dann hast du aus dem 1 Teilchen Komplettbleistift 2 Teilchen Radiergummi + Bleistiftrest gemacht.

Der Radiergummi alleine wiegt nur 0,1 g. Der Bleistiftrest wiegt alleine 2,9 g. Du siehst, rein Zahlenmäßig hast du jetzt mehr Teilchen, aber die Masse ist gleich geblieben:

3,0 g Komplettbleistift --> 2,9 g Bleistiftrest + 0,1 g Radiergummi

Alles klar? LG von der Waterkant.

Die obige "Reaktion" ist überhaupt "der Brüller" schlechthin!

Denn es muss zwar nicht die Stoffmenge an sich erhalten bleiben - falls z.B. mehrere Mole an Edukten sich zu einem einzigen Mol eines Produkt-Moleküls zusammenfinden und derart eine neue Verbindung eingehen, in der sie dann "verschwinden"

(z.B. Photosynthese: 6 CO2 + 6 H2O --> 1 C6H12O6 + 6 O2) ,

die Anzahl der jeweiligen Atome in den aufsummierten Formeleinheiten von Links- wie Rechtsstoffen aber schon!

Mit obiger "Abwandlung" der historischen Lavoisier-Reaktion, bei der zwar links wie rechts je 2 Quecksilberatome bilanziert werden, dafür aber 2 Sauerstoffe im "Nirwana" verschwinden, während ein Wasserstoffmolekül quasi aus dem Nichts hervorgezaubert wird, hätten die Alchemisten des Mittelalters wohl ihre helle Freude gehabt. Das heisst, noch grösser wäre die Begeisterung natürlich ausgefallen, wenn wir rechts, jetzt, da es ohnehin keine Rolle mehr spielt, statt des unnötigen Wasserstoffmoleküls vielleicht gleich ein kleines Au für Aurum hinmalen könnten - und der "Zauber" wäre perfekt.

Dummerweise hat die moderne Chemie aber herausgefunden, dass das so nicht läuft. Chemische Reaktionen spielen sich innerhalb der äusseren Elektronenhüllen der beteiligten Atome ab, die Kerne - und damit die Elemente - bleiben dabei stets unveränderlich erhalten, und zwar sowohl was deren Art als auch deren Anzahl betrifft.

Weil also links 2 Sauerstoffe enthalten waren, konnte Lavoisier auf diese Weise aus 2 Mol HgO erstmalig 1 Mol O2, die molekulare Sauerstoff-komponente der Luft, im Experiment darstellen und dadurch eine der wohl verrücktesten Annahmen der Wissenschaftsgeschichte, die "Phlogiston"-Hypothese vom Sockel stürzen.


philosophus 
Fragesteller
 26.07.2011, 20:19

Ich habe sie ausversehen falsch abgetippt weil ich wütend werde wenn ich etwas nicht auf anhieb verstehe. Danke für deine Antwort!

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algol1  27.07.2011, 02:22
@philosophus

Gern geschehen, und in Zukunft "Ruhig Blut" in der Chemie. Bei uns geht (fast) immer alles mit rechten Dingen zu.

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Die Stoffmenge, welche ja in mol gemessen wird, ist eine extensive Größe, sie gibt also quasi bestimmte Eigenschaften eines Stoffes wider. Allerdings ist die Stoffmenge keine Erhaltungsgröße, bei einer Reaktion kann Stoffmenge also sowohl erzeugt als auch vernichtet werden. Ein weiteres Beispiel für eine extensive Größe, welche keinem strengen Erhaltungssatz genügt, ist zum Beispiel die Entropie. Sie kann erzeugt, aber nicht vernichtet werden. Die meisten extensiven Größen, wie zum Beispiel Energie, Impuls, Drehimpuls, el. Ladung, genügen einem strengen Erhaltungssatz, man kann sie weder erzeugen noch vernichten.
Nun gibt es bei den nicht erhaltenden Größen aber dennoch bestimmte Vorgänge, bei denen diese Größen dann doch erhalten bleiben, diese Vorgänge haben oft bestimmte Namen. Im Fall der Entropie heißen Vorgänge, bei denen die Entropie erhalten bleibt, also nicht zunimmt, reversibel, sie sind also umkehrbar und spielen daher in der Theorie der Thermodynamik als Idealisierung eine große Rolle. Reaktionen, bei denen die Stoffmenge erhalten bleibt, werden ulkigerweise nicht mehr der Chemie, sondern in der Regel der Physik zugeordnet, zum Beispiel Phasenübergänge von Stoffen etc.

Die Teilchenanzahl ist doch auch eine Gewichtsangabe, je mehr Teilchen, desto mehr Gewicht.

Falsch. Wenn du zwei Teilchen zusammenklebst, bleibt das Gewicht gleich, aber du hast nur noch ein Teilchen. Wenn du eins zerreißt, hast du auch mehrere - und das Gewicht ist immer noch dasselbe.­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­


philosophus 
Fragesteller
 25.07.2011, 16:23

Wieso bleibt das Gewicht gleich? 2 Kugeln wiegen doch mehr als 1?

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gorown  25.07.2011, 16:25
@philosophus

Wenn du aber aus zwei Knetekugeln eine formst, wiegt die nicht weniger.

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philosophus 
Fragesteller
 25.07.2011, 16:31
@gorown

Hmmm, du hast sicherlich recht, aber es kommt nicht bei mir an.

Was ich hier lese ist:

2 * 6 * 10²³ Teilchen -> 2 * 6 * 10²³ Teilchen* + 1 * 6 * 10²³ Teilchen

Auf der rechten Seite sind definitiv mehr Teilchen.

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Eulenspiegel  25.07.2011, 16:36
@philosophus

Nö ... zähl mal genau nach. Die Summen der Teilchen stimmen. Das ist nicht das Problem.^^

flüstern: Sauerstoffradikale^^

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philosophus 
Fragesteller
 25.07.2011, 16:49
@Eulenspiegel

Sauerstoffradikale hatte ich noch nicht in meinem Lehrgang.

Und 2 + 1 ist doch mehr als 2 :/

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DedeM  25.07.2011, 19:38
@philosophus

Moin,

ja, mehr Teilchen schon, aber nicht mehr Masse, denn die 2 Mol HgO haben die gleiche Masse wie 2 Mol Hg + 1 Mol O2 zusammen!

2 Teilchen HgO haben die Masse 433,2 u (2 • 200,6 u + 2 • 16,0 u)

2 Teilchen Hg haben die Masse 401,2 u (2 • 200,6 u)

1 Teilchen O2 hat die Masse 32,0 u (1 • 16,0 • 2)

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Eulenspiegel  25.07.2011, 22:39
@philosophus

Der Punkt ist, bei deiner Reaktion kommen nicht O-Radikale raus, sondern Sauerstoffgas. Also O₂. Und das verwirrt dich bei deiner Zählung.

Machen wir die Rechnung mal für ein HgO:

HgO -> Hg + O (unproblematisch oder?)

Da O (Sauerstoffradikal) aber so reaktiv ist, das es sofort weiter reagiert. Und Gase im allgemeinen als "Molekül" vorliegen. Können wir das O nicht einfach so stehen lassen. Also ...

2 HgO -> 2Hg + 2 O -> 2Hg + O₂

2 x(1+1) -> 2 x (1) +1 x (2)

4 -> 4

Alles ist gut^^

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Eulenspiegel  26.07.2011, 22:03
@DedeM

Zuviele Zahlen!

Seven, stell dir einfach eine Quecksiberkugel vor (Als "Platzhalter" für ein Quecksilber Atom) und eine Gaskugel (für den Sauerstoff).

Die hängen am Anfang zusammen. So richtig schön aneinandergepappt. Jetzt gehst Du hin, und schneidest die eine Kugel mit deinem ultrathermischen-Magiemesser, von der anderen. Und -Oh Wunder- Du hast 2 Kugeln. Eine Quecksilberkugel, und eine Gaskugel. Wiegen die beiden getrennten Kugeln zusammen jetzt mehr oder weniger oder gleichviel, wie die Ursprungskugeln?

Jap ... gleichviel. Du hast ja nix abgeschnitten, sondern nur die Kugeln getrennt ...

Das sollte jetzt aber echt vorstellbar sein.

Und das Mol: Man macht das mit dem Ultrathermischen-Magiemesser nicht nur einmal, sondern richtig richtig richtig oft ...wie oft? 6 x 10^23 mal ... (was aber egal ist, einmal reicht ums zu verstehen.)

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