Wie viele Schriftsysteme gibt es insgesamt?

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Die Frage ist halt immer, wie man zählt. Ich nehme an, daß Du an ausgestorbenen Schrif­ten wie Hieroglyphen und Keilschrift nicht interessiert bist, aber trotzdem gibt es noch einige Möglichkeiten.

Nimm z.B. die Lateinschrift — praktisch jede europäische Sprache benutzt ein paar Son­der­zeichen, manchmal einfach „dekorierte“ (ęċğøëł…), manchmal aber auch „frem­de“ Zeichen wie isländisch ð und þ. Zählt das jetzt als „neue Schrift“?

Nehmen wir an, nein. Dann gibt es in Europa drei Schriften: Latein*, Griechisch und Ky­ril­lisch* (mit einem Stern markiere ich diejenigen Schriften, die in vielen Varian­ten mit un­ter­schied­lichen Sonderzeichen auftreten), und im Nahen Osten kommen mit Ara­bisch* und Hebräisch noch zwei dazu.

Eigentlich sollte man auch noch Aramäisch erwähnen, das ist eine eigene Schrift, aber da die zugehörige Sprache knapp am Aussterben ist, zähle ich sie nicht. Was man aber unbedingt mitzählen muß, ist die Geʿez-Schrift, die in ein paar Varianten in Ost­afrika (Äthiopien, Eritrea) verwendet wird. Sonst hat Afrika keine wich­ti­gen Schrif­ten zu bieten, allenfalls die Berber-Schrift (für ein paar nordafrikanische Stam­mes­sprachen) könnte man aufführen.

Wenn man jetzt weiter nach Osten kommt, dann stößt man auf weitgehend aber nicht ganz ausgestorbene Schriften wie Mongolisch und schließlich auf die chinesi­schen Zeichen; ob Du Japanisch als Variante oder als eigene Schrift auffassen willst, bleibt Dir überlassen. Koreanisch ist aber definitiv etwas ganz Verschiedenes. Und wenn Du unbedingt willst, darfst Du auch noch die Yi-Schrift (Stammesschrift in China) mitzählen.

Und dann gibt es noch den riesigen Haufen der indischen Schriften*, nämlich die in In­­dien selbst (Devanāgarī, Gujarātī, Pañjābī, Tamiḻ, Malayāḷaṃ, …) und die unzähli­gen adaptierten Varianten von Tibetisch über Maṇipurī, Burmesisch, Thai, Khmer und all die vie­len heu­te größtenteils ausgestorbenen Schriften Indonesiens. Diese Schrif­ten äh­neln ein­an­der hinreichend, daß man mit Kenntnis der einen die andere schnel­ler er­lernt, aber das be­trifft eher die Struktur und die Prinzipien; vom Aussehen her ähneln sie ein­an­der nur punktuell.

Schriften, die in den letzten 200 Jahren erfunden worden sind, habe ich dabei ex­pli­zit nicht mitgezählt; davon gibt es einige für Stammessprachen in Afrika und auch Nord­ameri­ka, aber die Verbreitung ist eher bescheiden.

So, und jetzt entscheide selbst, wie viele es gibt.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik
indiachinacook  26.08.2019, 01:45

Jetzt, da ich zufällig diese Antwort nochmals lese, stelle ich entsetzt fest, daß ich Georgien und Armenien vergessen habe. Die haben jeweils eine Schrift, die auf ähnliche Weise zum Griechischen Korrespondiert wie Latein oder Kyrillisch, aber mit ganz abweichenden Buchstabenformen.

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