Wie sind die Widersprüche zwischen synoptischen Evangelien und Johannesevangelium zu erklären?


10.06.2023, 08:39

Sind das überhaupt "Widersprüche" . Wirken sich diese negativ auf die Richtigkeit und Glaubwürdigkeit der Aussagen es Johannesevangeliums aus?

Wie lässt es sich erklären, dass diese Widersprüche auftreten


11.06.2023, 07:29

Wir das Johannesevangelium also falsch und unglaubwürdig?

9 Antworten

Am besten liest du mal deinen eigenen Wiki-Link durch.

Da guckst du:

Die Frage der Abhängigkeit oder Unabhängigkeit des Johannesevangeliums von den drei synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) wurde in der Geschichte der Auslegung des vierten Evangeliums unterschiedlich beurteilt. Auch in der aktuellen Forschung besteht kein Konsens,[19] wobei zahlreiche Exegeten mittlerweile wieder von einer Kenntnis zumindest des Markusevangeliums ausgehen.[20] Das Verhältnis zu den synoptischen Evangelien ist schwer zu bestimmen, weil das Johannesevangelium einerseits in Aufbau, Sprache, Stil und Stoff erhebliche Unterschiede zu den Synoptikern aufweist, andererseits aber an zahlreichen Stellen den gleichen Inhalt bietet oder zumindest ähnliche Strukturen erkennen lässt. Folgende Übersichten stellen die wichtigsten Gegensätze und Gemeinsamkeiten dar:

....

Johannes erklärt es am Anfang. Es sind keine Widersprüche, sondern Ergänzungen zu dem was die anderen nicht erwähnten. Auch er hat noch nicht alles erwähnt.

Evangelium ist ja kein literarisches Erzeugnis, sondern die Heilsbotschaft, die Jesus Christus gebracht hat.

Auch die synoptischen Evangelien vertraten ja nie nur ein biographisches Interesse. Wenn nun der Anspruch der Geschichtsschreibung im Johannes-Evangelium hinter der Glaubensverkündigung zurücktritt, dann ändert dies nichts an der Tatsache, dass dieses Werk im Letzten eine Evangeliumsschrift darstellt.

Die Evangelien sind Glaubensschriften. Und nichts anderes möchte das jJohannes-Evangelium wie Joh. 20-30-31 ausdrücklich betont, sein.Natürlich kann auch dem Johannes-Evangelium ein daneben liegendes historisches Interesse nicht abgesprochen werden: Aber Johannes ordnet seinen Stoff eben noch stärker als dies die Synoptiker schon tun, nach sachlichen und theologischen Kriterien.

Gerade bei den Abschiedsreden ist die Blickrichtung des Johannes-Evangeliums ganz deutlich zu sehen. Der Schwerpunkt wird ganz klar auf die Weisung Jesu gesetzt, die dieser selbst am Ende seines öffentlichen Wirkens allen gegeben hat, die ihm als Jünger nachfolgen möchten. Nachdrücklich wird also die österliche Perspektive des Johannes-Evangeliums betont. Der Christusweg wird bei Johannes ganz stark von seinem Ende, oder besser, von seinem Ziel her betrachtet.

Im Zuge der Passion ist im Johannesevangelium immer wieder vom Lieblingsjünger Jesu die Rede: "Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn!" (Joh 19,26). Im Nachtrag zum Evangelium im 21. Kapitel heißt es, dass dieser Jünger es sei, der "all das" bezeugt und aufgeschrieben habe. Daraus ergab sich die Tradition in der Kirche, dass dieser Lieblingsjünger der Verfasser des Evangeliums sei.

Johannes hat bewusst die Theologie geändert. Zum Beispiel ist Jesus nur bei Johannes das »Lamm Gottes«, ein Passahlamm. Und damit das passt, hat Johannes den Todestag von Jesus auf den 14. Nisan verschoben. Bei den Synoptikern ist der Todestag Jesu der erste volle Festtag des Festes (15. Nisan).

nach den Synoptikern war Jesu Todestag an einem Rüsttag zum Pessachfest (Mk 15,6–42 EU) und nach dem Johannesevangelium starb Jesus am 14. Nisan (siehe Quartodezimaner) zur selben Zeit, als die Passahlämmer im Tempel geschlachtet wurden (Joh 19,14–24 EU).

https://de.wikipedia.org/wiki/Pessach

Und:

Auffällig ist auch die johanneische Datierung des Todes Jesu: Den Synoptikern zufolge wird Jesus am 15. Nisan morgens um neun gekreuzigt, nachdem er am Vorabend mit den Seinen das Passalamm gegessen hat.
Der johanneischen Darstellung zufolge wird Jesus bereits am 14. Nisan mittags um 12 von Pilatus zum Tode verurteilt.
Dies bedeutet, dass Jesus als das wahre Passalamm stirbt, während im Tempel die Passalämmer geschlachtet werden (vgl. Joh 1,29.36; Joh 19,31-37).

https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/evangelium-nach-johannes/ch/528fcd1eafaaa613173638c22fc8f453/#h7

Und:

Die Synoptiker (Mk 14,12-16 par.; Lk 22,15 f.) setzen ein Pesachmahl voraus, während nach Joh 13,1; 18,28 und 19,14 das Letzte Abendmahl am 13. Nisan stattfindet.
Jesus ist nach Joh das eigentliche Lamm Gottes, das durch seinen Tod am Rüsttag die Schuld der Welt hinweggenommen hat (Johannes der Täufer über Jesus in Joh 1,29.36). Im Johannes-Evangelium wird daher auch kein Pesachmahl als Rahmen des Letzten Abendmahls angenommen.

Bild zum Beitrag

https://static.uni-graz.at/fileadmin/kath-institute/Neues-Testament/Eucharistiefeier/datum.pdf

Manche versuchen das mit verschiedenen Kalendersystemen zu erklären:

... andere haben versucht, die Sache über verschiedene Kalender zu harmonisiren:
An dieser Stelle ist nur festzuhalten, dass alle Versuche, diesen Widerspruch kalendarisch weg zu harmonisieren, gescheitert sind.
Besonders erwähnenswert ist der Versuch von Annie Jaubert, die meinte, Jesus und sein Jünger folgten wie die Qumran-Gemeinschaft einem Solarkalender, und nicht dem üblichen Mondkalender. Danach hätten Jesus und seine Jünger vor dem 15. Nisan Passa gefeiert.
Einen ähnlichen Versuch hat Colin Humphreys vor kurzem unternommen und postuliert, dass Jesus und seine Jünger als Galiläer einen anderen, vor-exilischen Kalender verwendet hätten. Diese Thesen scheitern schon daran, dass es nicht die geringsten Indizien dafür gibt, dass die Jesusbewegung einen alternativen Kalender verwendet oder überhaupt sich für kalendarische Fragen interessiert hätte.

https://www.theologie.fau.de/files/2021/01/du-toit-ds-2019_antrittsvorlesung.pdf

In der Bibel geht es um Theologie, nicht um historische Wahrheiten. Und das ist nur für jene Christen ein Problem, die die Bibel für widerspruchsfrei und irrtumslos halten.

 - (Christentum, Bibel, Evangelien)
xxScarface1990  11.06.2023, 16:45

Die "Widersprüche" (für mich sind es nur scheinbare Widersprüche) zum Todestag lassen sich auch ohne eine "Zweikalendervariante" harmonisieren.

Ein für mich gelungene Harmonisierung (ohne "Zweikalendervariante") ist für mich die von Geldenhuys. (zumindest weitgehend) Laut der Variante von Geldenhuys hat die Kreuzigung Jesu Christi auch laut dem Johannesevangelium am 15. Nissan (also so wie bei den Synoptikern) stattgefunden.

Sie beinhaltet unter anderem (und erklärt das natürlich auch), dass Johannes 13:1

Vor dem Passahfest aber, da Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, aus dieser Welt zum Vater zu gehen: Wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende. Johannes 13:1

ein Prolog für sich darstellt. Das heißt, dass ab Johannes 13:2 ein Zeitsprung stattfindet und Johannes das geschilderte Mahl als von den Synoptikern und von Paulus her bekannt voraussetzt und nun noch einige Dinge dazuerzählen möchte.

Johannes 19:14:

Es war aber Rüsttag für das Passah, und zwar um die sechste Stunde. Und er sprach zu den Juden: Seht, das ist euer König! Johannes 19:14

wird von Geldenhuys so interpretiert, dass es sich bei diesem Tag um Freitag handelt. Ich finde Geldenhuys Argumentation da aber nicht so überzeugend, wie die folgende:

Bauer schreibt in seinem Wörterbuch, dass in 19,14 auch die Bedeutung „Freitag der Passawoche“ vorliegen kann. Balz schreibt in seinem Wörterbuch, dass in frühchristlichen Texten paraskeuê ebenfalls Freitag bedeute. Als Belegstellen gibt er Didache 8,1, und Martyrium des Polykarp 7,1 an. 

Hier wird das alles ausführlich erklärt (ab dem Gliederungspunkt "2.4"):

https://bibelbund.de/2016/07/der-termin-der-kreuzigung-ein-exegetisches-problem/

LG

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Mayahuel  11.06.2023, 17:01
@xxScarface1990

"paraskeuê tou pas'cha" = "Vorbereitung(stag) des Passah(festes)"

Es gibt keinen "Freitag des Passah".

Den gibt es schlicht nicht, weil Passah mit jedem Wochentag anfangen und enden kann, und kein "Freitag innerhalb des oder kurz vor dem Passah" eine bestimmte Bedeutung hätte.

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xxScarface1990  11.06.2023, 17:13
@Mayahuel

Das "Freitag des Passah" könnte sich auch auf das ganz bestimmte Passah, wo Jesus gekreuzigt wurde, beziehen.

Ich stelle also die Frage in dem Raum, ob das "Freitag des Passah" überhaupt eine Bedeutung über das Passah,

wo Jesus gekreuzigt wurde,

hinaus haben muss.

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Das sind keine Widersprüche, auch die synoptischen Evangelien unterscheiden sich. Die Erklärung ist einfach: sie hatten, neben einer gemeinsamen Quelle, noch eigene Quellen, die die anderen so nicht hatten.

Bei Johannes kommt oben auf, dass er aus einer ganz anderen philosophischen Richtung geschrieben hat bzw. für diese. Daher verändert sich Inhalt und Ausage sowieso.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung