Wie läuft eine Anzeige gegen Vergewaltigung ab?


27.12.2021, 10:20

Bevor noch 10 Personen schreiben dass ich sofort eine Anzeige machen soll. ES IST 1 JAHR HER. Es ist echt belastend so ein Verfahren durch zu machen ? Ich will mich hier nur erkundigen und vielleicht antwortet ja eine Person die schonmal diese Prozedur einer Anzeige durchgemacht hat.

10 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es tut mir sehr leid, was Dir passiert ist und ich wünsche Dir, dass Du bald Deinen Frieden damit findest. Eine Anzeige kann Dir bestimmt dabei helfen.

Wenn die tat bei Dir eine Belastungsstörung ausgelöst hat, dann hast Du ganz gewiss einen Therapeuthen. Bitte frage ihn/sie doch um Rat. Es ist möglich, dass die Konfrontation mit der Tat, der Du durch eine Anzeige zwangsläufig ausgesetzt bist, für Deine Heilung gar nicht hilfreich ist.

Zurück zu den Fakten:

  • Eine Spurensicherung nach der Tat kann nach einem Jahr nicht mehr stattfinden. Das erspart Dir unangenehme Untersuchungen. Allerdings ist es möglich, dass sich an Deiner Kleidung noch Rückstände (z.B. Fasern) finden, die dem Täter zugeordnet werden können. Ggf. wird die Polizei das einfordern.
  • Du wird eine Aussage bei Polizei und/oder Staatsanwanwaltschaft machen müssen und die Tat in allen Details beschreiben.
  • Die Staatsanwaltschaft prüft dann, ob die Aussage nach so einer langen Zeit noch für eine Anklage ausreicht. Es kann sein, dass sie das Verfahren einstellt.
  • Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, wirst Du die Aussage in der Öffentlichkeit wiederholen müssen. Häufig wird der Opferaussage mehr Glauben geschenken, allerdings muss das nicht so sein. Das Gericht ist frei in der Würdigung der Beweismittel.
  • Ggf. wird das Gericht ein psychologisches Gutachten über Dich einforderrn.
  • Wie das Urteil sein wird, das kann man beim allerbesten Willen nicht vorhersehen.
  • In einen separaten Zivilverfahren kannst Du dann Schadenersatz und Schmerzensgeld vom Täter einklagen. Das kannst Du auch machen, wenn die Straftat nicht vor Gericht verhandelt wurde - das Zivilgericht muss die Fakten im Zweifel selbst ermitteln.

Was ist genau Dein Ziel? Möchtest Du Genugtuung, Rache oder möchtest Du nur weitere Taten verhindern? Bedenke: es kann sehr gut sein, dass Du Dein Ziel nicht erreichst. Kommst Du damit klar?

Lass mich aber auch die andere Seite nennen. In keine Deliktgruppe ist die Zahl der Falschanzeigen so hoch wie bei den sexuell motivierten Straftaten. Ich spare es mir, Gründe dafür zu nennen, aber die Konsequenzen sind wichtig. Kommt es nicht zu einer Verurteilung des Täters, so wird der Täter zum Opfer und Du möglicherweise zur Täterin. Das kann von Gegenanzeigen wegen Verleumdung oder falscher Anschuldigung bis hin zu einer Zivilklage auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gegen Dich reichen. Die Folgen einer Falschanschuldigung aufgrund einer Sexualstraftat wiegt extrem schwer und kann ein Leben zerstören. Dementsprechend teuer kann es für Dich werden. Google dazu mal den Fall Kachelmann.

Mein Tipp: hole dir neben Deinem Therapeuthen auch einen Rat von einem Anwalt ein. Er kann Dir das Verfahren und die möglichen Konsequenzen besser erklären. Auch über Prozesskostenbeihilfe für das Opfer wird er Dich beraten - das steht Dir zu wenn Du Dir nicht selbst einen Anwalt leisten kannst.

Viel Glück auf Deinem Weg!

hanwithbun 
Fragesteller
 27.12.2021, 11:03

ganz lieben Dank für eine ausführliche Antwort. Ich möchte damit eventuelle Opfer schützen. Selbst wenn er nicht verurteilt wird, weiß er dass er gerade so davon gekommen ist. Falls es doch nochmal zu einer Tat kommt steht wenigstens in seiner Akte dass schonmal so etwas angezeigt wurde.

Danke für deine tollen Worte

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Cwmystwyth  27.12.2021, 11:05
@hanwithbun

Bitte geh zur einer Anwältin und lasse sie die Anzeige erstatten. Dein Motiv ist edel und ich würde es nur ungern sehen, dass es auf Dich zurückfällt.

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Ich kann nur für NRW sprechen.

Hier ist es so, dass es einen Erlass zur Bearbeitung von Sexualdelikten gibt. Demnach wird bei der Anzeigenaufnahme nur das gröbste Erfragt was zum fertigen der Anzeige nötig ist.

Die genaue Vernehmung erfolgt durch extra beschulte Beamte im Zuständigen Fachkommissariat. Nach dem Erlass ist es auch möglich eine Vertrauensperson dabei zu haben.

Bei Interesse hier nachzulesen.

Tut mir leid was dir passiert ist! Besorg dir seelischen beistand wenn du das brauchst, keine Angst davor. Erstmal kannst du dir ja überlegen wo du Anzeige erstatten möchtest, bei der Polizei, Staatsanwaltschaft oder beim Amtsgericht (158 (1) StPO. Es wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet um festzustellen, ob genug Anhaltspunkte vorliegen für die Erhebung einer Anklage, natürlich müsstest du dann noch befragt werden bezüglich des Tatgeschehens.

Geh auf jeden Fall zum Frauenarzt, die dich diesbezüglich untersuchen wird (oder ist es länger her?)

Du brauchst auf jeden Fall keine Angst davor haben, solange du keine falsche Aussage machst.

Mach den Schritt

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
hanwithbun 
Fragesteller
 27.12.2021, 10:22

Danke dir für deine tolle Antwort !

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danny1204  27.12.2021, 10:24

natürlich dann auch keinen Anwalt vergessen. Darf ich fragen wie alt du bist?

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danny1204  27.12.2021, 10:26

Weißt du noch die genau Tatzeit wann das passiert ist?

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Meine Erfahrungen sind folgende:

Bei der Aufnahme deiner Anzeige wird erstmal nur das Gröbste erfragt und später wirst du mit einer weiteren Person sprechen, die dann sehr ins Detail geht. Hier wir sehr genau nachgefragt, sprich z.B. was du gesagt hast, welche Tonlage, welche Kleidung du an hattest etc. und es wird auch sehr genau nach der Tat gefragt.

Der zweite Teil ist oft sehr, sehr schwer für viele und ist daher auch sehr kraftaufwendig! Das steckt man oft nicht einfach so weg, triggert oft und wirft manchmal auch zurück.

Da das Ganze schon 1 Jahr her ist, wird es wohl kaum noch Beweise geben? Außer du hast es direkt jemanden erzählt, der dir ggf. als Zeuge dienen könnte?

Weil dann wird es wirklich Aussage gegen Aussage stehen und wenn er oder du dich am Ende in Widersprüche verstrickt, wird es zu der einen oder anderen Seite ausgehen.

Wenn du diesen Schritt wirklich gehen möchtest, solltest du professionell Begleitet werden und auch nachbetreut werden! Ohne alles würde ich es dir nicht empfehlen!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Klinische Sozialarbeit
hanwithbun 
Fragesteller
 27.12.2021, 10:52

Vielen vielen Dank!

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Im Prinzip ganz einfach. Du gehst zur Polizei und erstattest eine Anzeige. Dann wird die Polizei Ermittlungen einleiten. Sie werden Dich förmlich befragen. Und den Vergewaltiger. Und andere Beweise - sofern vorhanden - zusammentragen.

Das Verfahren wird von der Staatsanwaltschaft gesteuert. Wenn die Staatsanwaltschaft denkt, dass sie eine Chance haben wird, dem Vergewaltiger die Tat nachzuweisen, dann werden sie ein Gerichtsverfahren beantragen. Dann wird vor Gericht nochmal alles zur Sprache gebracht. Du musst dort dann nochmal aussagen, .. Wenn die Tat nachweisbar ist, dann wird es eine Verurteilung geben.

Manchmal weiß die Polizei mehr, als man vermutet. Z.B. wenn es gegen den Vergewaltiger bereits eine Anzeige von einer anderen Frau gegeben hat, ...

Es ist übrigens typisch für Vergewaltigungsopfer, dass eine Tat nicht sofort angezeigt wird. Erst nach einer Phase der Überlegung und Verarbeitung.

Wenn die Staatsanwaltschaft denkt, dass man die Vergewaltigung nicht nachweisen kann, wird sie das Verfahren einstellen. Dann kommt der Vergewaltiger so davon. Allerdings wüßte er dann, dass er nur um Haaresbreite davon gekommen ist, und er in Zukunft so etwas nicht mehr machen sollte. Ein Schuss vor den Bug, sozusagen.

Eine solche Prozedur ist für Vergewaltigungsopfer meist sehr anstrengend und schwer. Manche Juristen sagen, der eigenen Tochter würde man es nicht empfehlen, sich das Verfahren anzutun. Andererseits wäre es wichtig, dass der Täter einer Vergewaltigung belangt wird. Schon deswegen, weil zu befürchten ist, dass er in Zukunft andere Frauen ebenfalls schädigen könnte.