Wie kam es eigentlich dazu, dass so viele Juden damals in Deutschland lebten. Woher waren die „hergekommen“ oder waren sie schon immer in Deutschland?

Roentghen  22.10.2021, 14:24

"damals" zur Zeit der Römer? Oder im Mittelalter? Oder 1933?

Nichtsnutz12 
Fragesteller
 22.10.2021, 14:27

1933, also vor 2. Weltkrieg

21 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die ersten Juden kamen mit den Römern. Damals waren die Germanen noch keine Christen. Sie lebten noch in Stämmen und haben sich gegenseitig bekämpft. Die Juden lebten aber nicht in den Dörfern der Germanen, sondern in den Städten der Römer in Germanien. Nach der Vertreibung der Römer blieben die Juden zurück. Sie passten sich auch danach nicht an die einheimische Bevölkerung an und machten sich selbst durch ihre fremdartige Sprache und ihre Kleidung kenntlich. Trotzdem vermischten sie sich stark mit den Germanen. Heute hat ca. jeder zehnte Deutsche auch jüdische Vorfahren. So haben sich die Juden unfreiwillig doch an die Deutschen angepasst.

Bis zum Kaiserreich hatten sich die Juden optisch so weit an die Deutschen angenähert, dass man sie nicht mehr von ihnen unterscheiden konnte. Sie sahen aus wie die Deutschen, sie sprachen wie die Deutschen, sie hatten sogar viele Sitten übernommen. Nur ihre Religion legten sie nicht ab. Viele von denen sprachen noch nicht einmal mehr Hebräisch.

Der Bevölkerung waren diese Juden vollkommen egal, weil sie die nicht unterscheiden konnten. Diese Juden haben im Kaiserreich auf der Seite der Deutschen gegen die Franzosen gekämpft und auf französischer Seite gegen die Deutschen. Sie waren zu Deutschen und Franzosen geworden.

Die Bevölkerung hat sich an ganz anderen Juden gestört. Die kamen zu dieser Zeit in großen Massen aus dem Osten, aus Russland, Polen, Ungarn, Rumänien und so weiter. Diese Juden sahen vollkommen anders aus, als die angepassten deutschen Juden. Sie trugen andere Kleidung, andere Frisuren, sie sprachen kein Deutsch und sie hatten andere Sitten. Diese Juden wurden von den Deutschen auch als Juden wahr genommen.

Dabei wollten diese Juden gar nicht in Deutschland bleiben. Sie kamen aus dem Osten, weil sie dort durch die ständigen Pogrome vertrieben wurden. Dort erschlug man sie auf offener Straße oder hängte sie an die Bäume, weil sie sich einfach nicht anpassen wollten. Sie haben sich selbst kenntlich gemacht durch ihre Andersartigkeit und so bald etwas Schlimmes eintrat, wie eine Dürre oder ein Hagelsturm, dann waren die Juden Schuld. Aber auch wenn jemand sein Land verlor oder wenn jemand einen schlechten Tag hatte, dann waren die Juden schuld. Die waren eigentlich immer Schuld, egal was passierte. Also hat man sie aus diesen Ländern vertrieben, mit einem dauerhaft aufrecht erhaltenen Druck und immer wieder kehrenden Pogromen.

Nur ein paar Jahrhunderte zuvor sind die Vorfahren dieser Juden aus den gleichen Gründen aus Deutschland nach Osteuropa geflohen. Im Mittealter wurden sie nämlich auch hier durch ständige Pogrome verfolgt. Es war so schlimm, dass die meisten Juden Deutschland verlassen haben. In der Zeit des Kaiserreiches kehrten die Nachfahren der Vertriebenen zurück, weil ihnen in Osteuropa genau das Gleiche passierte.

Sie sind nach Deutschland geflohen um von Hamburg und Bremen aus, nach Amerika weiter zu fahren. Allerdings hat es nur ein kleiner Teil der Juden auf die Schiffe geschafft. Viele hatten gar nicht das Geld für eine Überfahrt. Anderen gefiel es so gut in Deutschland, dass sie geblieben sind.

Natürlich haben sie sich auch hier nicht angepasst, sondern sind so herum gelaufen wie sie es gewohnt waren. Das hat selbst die Juden gestört, die schon seit 1700 Jahren hier in Deutschland lebten. Darüber gibt es Augenzeugen Berichte aus dieser Zeit.

Der deutschen Bevölkerung gefiel es natürlich gar nicht, dass die Juden sich jetzt in ihrem Land breit machten. Es gab eine allgemeine Ablehnung, die von der Presse aufgegriffen und sehr verstärkt wurde. Die waren Fremde und Fremde bedeuteten nie etwas Gutes. Die konnten eigentlich nur gekommen sein um sich hier ein feines Leben zu machen, auf Kosten der deutschen Bevölkerung. So wurde es in der Presse dargestellt und so war das Empfinden der Deutschen.

Als dann die Nazis an die Macht kamen, benutzten sie genau diese Juden aus dem Osten als Projektionsfläche, dabei meinten sie aber die Juden, die schon lange angepasst unter den Deutschen lebten. Denn die hatten Geld und politische Macht. Die anderen waren nur arme Bauern aus dem Osten. Die hatten gar nichts.

Diesen Irrtum der eigenen Bevölkerung haben die Nazis nie aufgeklärt. Im Gegenteil! Sie haben alle Juden in einen Topf geworfen und wurden so auch die Juden los, die seit 1700 Jahren unter den Deutschen lebten.

erikbhrdt  22.10.2021, 14:03

Sehr interessant. Ich lese mir so lange Texte eigentlich nie durch, das war aber sehr inhaltlich und aufklärend. Danke, hat Spaß gemacht zu lesen.

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Nefesch  15.01.2022, 22:33
@erikbhrdt

Es war gut geschrieben, gut erklärt und hilfreich - aber Spaß hat es den Millionen, die umgebracht wurden, nicht gemacht. Dir sicher auch nicht!

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erikbhrdt  15.01.2022, 22:47
@Nefesch

Ja selbstverständlich, ich denke aber du weißt was ich mit „Spaß“ gemeint habe ;)

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steefi  22.10.2021, 14:10

Danke für den schönen Abriss, ich haben allerdings noch was vom Geldverleihen der Juden gehört, was Christen irgendwie nicht erlaubt war ?

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Fuchssprung  22.10.2021, 14:23
@steefi

Ja, stimmt! Das Mittelalter habe ich weg gelassen. Dort erging es den Juden in Deutschland ganz genauso wie den Juden in späteren Jahrhunderten im Osten Europas. Im Mittelalter wurden ihnen in Deutschland nur die "unehrlichen" Berufe erlaubt. Das heißt, man zwang sie Geld zu verleihen und damit reich zu werden. Damals waren sie gezwungen sich anders zu kleiden, weil sie den Christen nicht ebenbürtig waren und niemand einen Christen mit einem Juden verwechseln sollte. Es gab auch in Deutschland zu dieser Zeit ständig Pogrome.

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tanztrainer1  23.10.2021, 13:23

Zur Zeit der Weimarer Republik und in der NS-Zeit gab es wohl keine Juden mehr, die nicht assimiliert lebten.

Während der NS-Zeit versuchte man als Jude aus Deutschland zu fliehen, wenn man es sich leisten konnte.

Googelt dazu nach der "Reichsfluchtsteuer".

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Hallo,

ergänzend zur Antwort von Katzenmutti0815, möchte ich hinzufügen, dass wir dieses Jahr 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland feiern - und ich zitiere hierzu: "Am 11. Dezember 321 erlässt der römische Kaiser Konstantin ein Edikt (Gesetz). Das Gesetz besagt, dass Juden städtische Ämter in den Kurien, den römischen Stadträten, bekleiden durften und sollten. Dieses Edikt belegt eindeutig, dass jüdische Gemeinden bereits seit der Spätantike wichtiger integrativer Bestandteil der europäischen Kultur sind. Eine frühmittelalterliche Handschrift dieses Dokuments befindet sich heute im Vatikan und ist Zeugnis der mehr als 1700 Jahre alten jüdischen Geschichte in Deutschland und Europa".

https://2021jlid.de/ueber-uns/

Tatsächlich waren die immer schon dort - denn "Die Juden" waren tatsächlich ganz normale, in Deutschland geborene Menschen - sprich: Sie waren DEUTSCHE!!! Denn "Jude" ist keine Abstammung, sondern eine Religion!

wyooo  22.10.2021, 14:31

Ganz selten wird dieser Punkt, so klar ausgesprochen , wie in deiner Antwort. Danke!

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in diesem Jahr wurden 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland gefeiert. Wo hat es angefangen? Natürlich in Köln.