Wie erhält man als Lehrer die Erlaubnis, Fächer ohne Lehramtsstudium zu unterrichten?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Vorab: Das wird jetzt für den Laien "etwas" skurril klingen, ist aber tatsächlich von vorne bis hinten so passiert.

In Rheinland-Pfalz musst Du dafür überhaupt nichts tun. Außer bestimmte Fächer (Sport weiß ich sicher sicher, afaik auch noch Religion) darfst Du ALLES innerhalb Deiner Schulform fachfremd unterrichten.

Offizielle Begründung: LehrerInnen können sich durch ihr Studium und das Referendariat jegliche Kenntnisse selbst aneignen.

Was wirklich dahinter steckt: Man kann besser die Lüge von der tollen Unterrichtsversorgung aufrecht erhalten.

Das letzte mal, als unsere Unbildungsministerin ins Radio blökte "keine Lehrerstelle im Land ist unbesetzt", fiel exakt auf den Tag, an dem mein Chef sämtlichen unserer Handwerkerklassen den Nachmittagsunterricht streichen musste, mangels qualifiziertem Lehrpersonal. Wir sind tatsächlich voll besetzt, aber unsere Religions- und Deutschlehrer, von denen wir massig haben, können sich auf wundersame Weise allesamt nicht wirklich in Elektro- und Metalltechnik einarbeiten, was hauptsächlich aus Mathe und Physik besteht! (Anmerkung: Ein normal denkender Mensch würde sowas auch nie erwarten. In den Ministerien gibt's davon aber offensichtlich nicht allzu viele).

Ein paar Beispiele, wie das in der Praxis aussieht - ausnahmslos selbst erlebt:

  • Bei uns wird Sozialkunde fast nur von DeutschlehrerInnen unterrichtet. Von denen haben wir nämlich genug. Die, die SK studiert haben, haben fast alle ein technisches Erstfach, in dem sie dringender gebraucht werden.
  • Die wenigen echten Sozialkundelehrer, die nicht durch das Erstfach anderweitig gebunden sind, unterrichten BWL. Immerhin lernt man darüber ein bisschen was im Politikstudium.

Die zwei Beispiele gehen noch. Immerhin ist SK, Deutsch und BWL an der Berufsbildenden Schule einigermaßen verwandt.

Nun zu den etwas heftigeren Beispielen:

  • Wir hatten eine studierte Erdkundelehrerin (fun fact: an unserer Schule wird Erdkunde nicht unterrichtet!), die in den Vorbereitungsklassen und ersten Lehrjahren Mathe unterrichtete.
  • Eine Verwandte, allerdings in BaWü, unterrichtet an einer Grund- und Hauptschule (kann sein, dass die HS bei denen anders heißt, aber vom Prinzip das gleiche) unter anderem Französisch. Studiert hat sie Grundschullehramt in Rheinland-Pfalz. Anzahl der Tage, die sie selbst französisch in Schule, Universität oder sonstwo gelernt hat: Null. Anzahl der Fortbildungen, die ihr Dienstherr ihr dafür gewährt hat: Null. Sie weiß nicht, ob sie darüber lachen oder weinen soll. Inzwischen ist sie zu Sarkasmus übergegangen, ohne den hält diesen Quatsch ja kein Mensch mehr aus.

Willkommen im "Bildungsland Deutschland".

Nachtrag: Man KANN übrigens tatsächlich auch ein Drittfach studieren. Das bringt einem aber außer für's eigene Ego tatsächlich gar nichts, außer es handelt sich um Sport.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – BBS-Lehrer (E-Technik) in Rheinland-Pfalz