Wenn die Evolution kein Ziel hat, warum ist dann das Leben so komplex?

23 Antworten

Hallo,

sei doch mal ehrlich und tarne deinen Missionierungsversuch nicht als Frage... Meine Güte... Schon die ersten Sätze sind krachend falsch...

Ich höre immer, im Zusammenhang mit der Evolutionslehre, dass Evolution völlig "aus sich selbst heraus" das Leben entwickelt hat.

Klar... auf Kreationisten Seiten hört man sowas häufiger, ist zwar völlig an jeder Realität vorbei, aber Kreationisten haben sich ja eh noch nie darum geschert, was Wahrheit oder Realität ist...

Wie kommt es aber dann in der Biologie zu solch überaus reichhaltigen Informationen und nicht-reduzierbaren (irreduziblen) Komplexitäten? 

Der Mythos der irreduzibelen Komplexität... Bringe doch bitte mal ein konkretes Beispiel und zwar auch zusammen mit den Gegenargumenten der wissenschaftlichen Seite, die du bei deiner sicherlich gründlichen Recherche auch beachtet hast, nicht wahr?...

Wir wissen doch, dass wenn es einen intelligenten Plan gibt mit hochkomplexen Informationen, dann muss es doch auch einen Planer geben?

Aha... Völlig abstrus,aber nehmen wir mal eine Sekunde an, es gäbe einen solchen "Planer", der in der Lage ist hochkomplexe Informationen zu generieren... Woher kommen dann die Informationen für diesen "Planer"? Das "Argument" ist ein intellektueller Schuss ins eigene Knie... Aber auch hier hätte ich gerne mal vor einer weiteren Diskussion eine in diesem Bereich gültige Definition des Begriffs "Information" (den Kreationisten ja gerne mit allen möglichen schwammigen Umschreibungen nach Bedarf umschreiben... ähnlich dem Artbegriff)

Außerdem hat man doch noch niemals beobachtet, wie ein Lebewesen sich spontan zu einem komplexeren Lebewesen entwickelt! 

Definiere "komplexerer"... Die ET sagt NICHT aus, dass sich Lebewesen zwangsläufig zu höherer Komplexität (was auch immer du jetzt darunter verstehen willst) entwickeln müssen, sondern nur zu besser angepassten.

Manche Forscher sagen dann: Es ist genetisch unmöglich, Spezies untereinander zu züchten bzw. andere (höhere) Spezies hervor zu bringen -- auch im Labor nicht! Dafür braucht es Jahrmillionen.

Wer genau soll das sagen und was verstehst du unter "Spezies"? Wie bewertest du dann Hybride?

Wenn die Evolution kein Ziel hat, warum ist dann das Leben so komplex?

Das ist korrekt. Es gibt kein Ziel, auf das die Evolution hinsteuert, aber es gibt eine Triebfeder, die zu immer komplexeren Formen treibt, weil dadurch Energie umso schneller entwertet werden kann. Dazu später noch mehr.

Wir wissen doch, dass wenn es einen intelligenten Plan gibt mit hochkomplexen Informationen, dann muss es doch auch einen Planer geben?

Es gibt keinen Plan und es braucht auch keinen Plan. Es reicht das Bestreben der Energie, sich so schnell wie möglich entwerten zu wollen, also in Wärme umgewandelt zu werden.

Außerdem hat man doch noch niemals beobachtet, wie ein Lebewesen sich spontan zu einem komplexeren Lebewesen entwickelt!

Um das in Echtzeit zu beobachten, ist das menschliche Leben schlichtweg zu kurz. Im nachhinein kann man solche Entwicklungen aber zu Hauf und deutlich nachvollziehen. Das geschieht auch nicht unbedingt sponatn, sondern über lange Zeiträumen oft in kleinen Zwischenschritten.

Wenn es doch unmöglich ist, dann ist es doch auch für alle Zeit unmöglich, oder nicht?

Wenn es bislang durch Menschen innerhalb der Zeitspanne eines menschlichen Lebens nicht möglich ist, haißt das noch lange nicht, dass es der Natur in langen Zeiträumen ebenfalls unmöglich ist. Der obige Schluss ist entsprechend unzuzlässig.

Nun zu den Details:

Man muss in der Tat zwischen den Mechanismen, den Ergebnissen und der „Triebfeder“ der Evolution unterscheiden. Kann das hier nur kurz „populärwissenschaftlich“ andeuten.

Diese Frage, warum die Evolution ständig Neues und Komplexes erschafft, beschränkt sich nicht nur auf das Leben, sondern auf alles, was neu im Universum entsteht. Mit den deterministischen Gesetzen der klassischen Physik ließ sich das nie erklären. Die Antwort darauf hat Ilya Prigogine mit seiner Theorie Dissipativer Strukturen gefunden, für die er 1977 den Nobelpreis erhielt. Diese Theorie durchdringt zur Zeit sehr viele Bereiche der universitären Wissenschaften und hat die größte wissenschaftliche Revolution seit Newton ausgelöst.

Auch wenn er bislang im Bildungsbürgertum kaum bekannt ist, gibt es gute Gründe dafür zu sagen, dass die Relativitätstheorie Einsteins, der Unvollständigkeitssatz Gödels und die Theorie Dissipativer Strukturen die drei bedeutendsten Theorien des letzten Jahrhunderts sind.

In der Theorie Dissipativer Strukturen (TDS) gehts im Prinzip darum:

Aushangspunkt ist der Umstand, dass Energie nicht nur nach ihrer Menge, sondern auch nach ihrer Qualität beurteilt werden kann (siehe 2. Hauptsatz der Thermodynamik). Hochwertige Energie nennt sich Exergie und ist beliebig in andere Energieformen umwandelbar. In der Praxis ist allerdings jede Umwandlung von Energie mit einer Entwertung (Dissipation) derselben verbunden. Dadurch wird aus Exergie Anergie. Anergie ist wertlose Energie, die sich nicht mehr in andere Energieformen umwandelbar ist. Die wertloseste Energie, die zu 100% aus Anergie besteht, ist Wärme bei Umgebungstemperatur. Man könnte auch sagen, Wärme ist der Abfallhaufen der Energie.

Nun hat Energie das prinzipielle Bestreben, sich möglichst schnell zu entwerten. Man könnte sagen, Exergie ist der unstabile Zustand von Energie, während Anergie der stabile Zustand der Energie ist. Dieses Phänomen ist überall im Alltag zu beobachten. „Stromverbrauch“ ist im Prinzip nichts anderes, als aus Exergie (elektrische Energie ist 100% Exergie) Anergie zu machen. Letztlich landet sämtlicher verbrauchter Strom irgendwann als Abwärme in der Umwelt.

Dieses Bestreben der Energie, sich möglichst schnell entwerten zu wollen, ist die eigentliche Triebfeder der Evolution. Prigogine hatte sowohl theoretisch als auch in Versuchen festgestellt, dass Energie sich besonders schnell und effizient in den sogenannten dissipativen Strukturen entwertet. Dissipative Strukturen sind Strukturen, die sich sehr weit vom sogenannten thermodynamischen Gleichgewicht entfernt abspielen und die sozusagen jede Menge Exergie aufsaugen können, um sie in diesen Strukturen schneller als bei jedem anderen Prozess zu entwerten (Prinzip der maximalen Entropieproduktion). Diese maximal schnelle Entwertung hat aber einen erstaunlichen Nebeneffekt. Es entstehen dabei neue komplexere Ordnungsstrukturen, denn diese höheren Ordnungsstrukturen können Exergie noch besser entwerten, als niedrige Ordnungsstrukturen. „Höhere Ordnungsstrukturen“ bedeutet eine Zunahme an Komplexität, sie ist die Grundlagen der Selbstorganisation von Energie, Materie und Information. Die immer höhere Komplexität der bei der Evolution entstehenden neuen Arten ist das sichtbare Ergebnis dieser Vorgänge. Insofern ist es naturgesetzlich, dass sich Einzeller über Mehrzeller bis zum Menschen hin entwickelt haben und dass die umgekehrte Entwicklung praktisch nicht vorkommt. Und dass der Mensch das Lebewesen auf Erden ist, das wertvolle Energie ganz besonders effektiv in Abwärme umwandeln kann, dürfte wohl kaum zu bestreiten sein. Auch die Entwicklung von Zivilisationen beruht auf genau denselben Prinzipien und daher geht auch jede Weiterentwicklung von Zivilisation mit erhöhtem Energieverbrauch (sprich Entwertung von Exergie) einher.

In der Biologie, Evolutionsforschung, Ökosystemforschung, den Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften auf dem aktuellsten Stand geht praktisch gar nichts mehr ohne die TDS. Auch hier hat man über die TDS und das Prinzip der effizienten Energieentwertung die Triebfeder für die überall zu beobachtende Selbstorganisation gefunden. Und weil allem das selbe Prinzip, die selbe Triebfeder zugrunde liegt, ähneln sich die verschiedenen evolutionären Prozesse wie Evolution der Arten, Evolution der Zivilisationen, Evolution der Wirtschaftssysteme oder Evolution der Weltanschauungen so sehr.

Zunächst einmal hat sich das Leben auf der Erde anscheinend ziemlich schnell gebildet. Dann ist es Milliarden Jahre lang auf dem gleichen Niveau stehen geblieben. Das ist eine lange Zeit für sehr viele nicht weiterführende Sackgassen. Möglicherweise bliebe Leben auf den meisten anderen Planeten auf diesem Niveau. Die Tatsache, dass wir darüber nachdenken können, hat ihren Grund darin, dass dann etwas in Gang gekommen ist, was anscheinend nicht sehr wahrscheinlich war. Und dann ist die Kugel ins Rollen gekommen. Dass das menschliche Gehirn das nicht verstehen kann, weil es sich nur für einfache Dinge entwickelt hat, Spuren lesen und Früchte im Wald zu erkennen, ist eine andere Sache.

tst59 
Fragesteller
 19.06.2019, 14:54
Zunächst einmal hat sich das Leben auf der Erde anscheinend ziemlich schnell gebildet...

Oder wurde erschaffen.

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stefanbluemchen  19.06.2019, 23:20
@tst59

Leider stehen wir da ziemlich alleine da. Doch das heißt nicht, dass wir Unrecht haben.

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Wie kommt es aber dann in der Biologie zu solch überaus reichhaltigen Informationen und nicht-reduzierbaren (irreduziblen) Komplexitäten?

Hier sieht man das Problem an Deiner Frage. Um das genauer zu beleuchten, muß ich zunächst man erklären, was „irreduzibel“ in diesem Zusammenhang bedeutet.

Die komplexen Organe, die durch die Evolution gebildet wurden, haben sich in vielen kleinen Schritten gebildet. Da diese Schritte keinem Plan unterliegen, kommt es häufig zur Umwidmung einer Struktur (z.B., daß der Atemweg zur Bildung von Lauten zweck­ent­frem­det wird, oder daß sich ein Schwanz zum Steißbein reduziert). Vom Ingenieurs­standpunkt bedeutet das, daß dauernd gepfuscht, umgebaut und improvisiert werden muß. Das sieht man den fertigen Organen auch an, sie wirken wie von einem Komitee geplant, wobei jedes einzelne Komiteemitglied eine andere Vorstellung davon hatte, wie das Zeug eigentlich funktionieren soll.

Dieses Chaos ist einerseits der Tatsache geschuldet, daß de Evolution eben un­gerich­tet erfolgt, und andererseits der Randbedingung, daß jedes einzelne Indivi­du­um in Deiner Ahnenreihe offensichtlich fit genug war, um sich fortzupflanzen. Vor allem letz­te­rer Punkt ist wichtig, weil er extreme Kompromisse für die möglichen Designs erfordert.

Echte Ingenieursarbeit sieht anders aus — da gibt es eine Vision, wie der fertige Haar­trockner aussehen soll, und dann wird er entsprechend zusammengebaut. Er muß keine Haare trochnen können, bevor er fertig ist.

Die Evolutionsnichtversteher nennen solche „Ingenieursarbeit“, also planvolles De­sign mit Zwischenstufen, die nicht funktionieren, oft „irreduzibel“. Würde man solche ir­redu­zib­len Elemente im Bau der Organe finden, dann könnten sie nur durch einen von der Evo­lu­tion verschiedenen Mechanismus entstanden sein, denn „irreduzib­les“ Design kann man mit rein evolutionären Algorithmen nicht erreichen.

Die Große Frage™ ist nun: Gibt es irreduzibles Design in irgendeinem biologischen Sy­stem? Wenn ja, dann deutet das auf eine schwere Lücke im wissenschaftlichen Ver­ständ­nis. Sowas wurde aber nie gefunden, und Möglichkeiten dazu gäbe es genug: Z.B. haben alle Tetrapoden (Amphibien, Reptilien, Säuger) fünf Finger an den Händen und fünf Zehen an den Füßen. Viele Arten haben die Anzahl vermindert und bilden zuerst die Standard-Fünf während der Embryonalentwicklung zuerst aus und bauen dann ein oder zwei davon wieder ab (ein typisches Beispiel eines reduziblen Merk­mals). Aber kein Tetrapode hat mehr als 5 Finger oder Zehen. Warum? Weil der letz­te ge­mein­sa­me Vorfahr aller Tetrapoden eben zufällig 5 Finger hatte (Fische ha­ben typi­scher­weise viel mehr Strahlen in ihren Flossen), und die späteren haben es geerbt.

Die Komplexität des Lebens wird weltweit von sehr vielen Biologen untersucht. Würde einer davon wirklich eine irreduzible Eigenschaft in irgendeinem Organismus finden, dann wäre er berühmt. Aber keiner findet etwas Entsprechendes, aller Wahr­schein­lich­keit nach, weil nichts Derartiges existiert.

Falsch. Nur weil in einem extrem kurzen Menschenleben kaum veränderungen zu sehen sind, heißt das nicht dass es auf lange Zeit gesehen unmöglich ist. Ich könnte auch sagen „Dieser Berg ist groß und alt, aber weil ich ihn noch nie wachsen gesehen hab war er schon immer da.

außerdem könnten wir Evolution beobachten. Auf den Galapagos Inseln hat sich eine neue Vogelart entwickelt, von den Beobachtern „Big Bird“ genannt.

Oh, und die Evolution hat kein Ziel, da Evolution kein Objekt selbst ist, sondern so wie zb Dienstag kein Objekt ist. Aber die Tiere haben Ziele: Überleben und Paaren. Da die Feinde der einen Tiere komplexer wurden, mussten auch die anderen komplexer werden. Wie ein Zahnrad, das andere andreht.