Was versteht unter Genstammbäume (Molekulare Verwandtschaft)?

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Die Abb. zeigt die Evolution der Hämoglobingene. Hämoglobin hat eine wichtige Funktion im Körper, es transportiert Sauerstoff im Blut und seine Gene sind stammesgeschichtlich alt. Man kann sie zurückverfolgen, über ca. 500 Millionen Jahre. Ausgehend von einem "Ur-Globin-Gen" ("ursprüngliches myoglobin-ähnliches Protein"), vor ca. 500 Millionen Jahren, kam es zu einer Verdopplung der Hämoglobingene ("Duplikation") und einer Aufteilung der verdoppelten Gene, in zwei Genfamilien ("Gen-Cluster"), einer alpha-Globin-Genfamilie (hellblau: alpha-Ketten, zeta-Ketten) und einer beta-Globin-Genfamilie (grün: epsilon-, gamma-, delta-, beta-Ketten).

Heutiges menschliches Hämoglobin ist ein Protein aus vier Untereinheiten, aus zwei alpha- und zwei beta-Ketten. Das ist rechts gezeigt, in blau und grün. Alpha- und beta-Ketten eines Proteins, dem Hämoglobin, werden also von zwei getrennten alpha-/beta-Globin-Genfamilien codiert. Das ist recht interessant. Dass es daneben auch noch andere Kettennamen, wie gamma, epsilon, zeta gibt, liegt daran, dass in jungen Menschen, im embryonalen Stadium und als Fötus, andere Hämoglobine verwendet werden, als im Erwachsenenalter, die den alpha- und beta-Ketten ähnlich sind. D.h. es ist zudem noch eine zeitliche Abfolge verschiedener Genaktivitäten in den Hämoglobin-Genfamilien, im sich entwickelnden Menschen (oder Tier) zu beobachten. Man kann also sagen, dass das ursprüngliche Myoglobingen sich über einen Zeitraum von 500 Mio. Jahren, in zahlreiche Gene entwickelt hat, die für Proteinketten stehen, die das Hämoglobin heutiger Tierarten, einschließlich des Menschen, in verschiedenen Lebensphasen, bilden.

Sobald Genfamilien im Erbgut voneinander getrennt werden, durch Verdopplung und Unterbringung auf zwei verschiedenen Chromosomen, wie bei den alpha- und beta-Globin-Genfamilien (hellblau/grün), entwickeln sie sich fortan unabhängig voneinander weiter und beginnen sich mit der Zeit, langsam auseinander zu entwickeln. Weil es, unabhängig voneinander, zu Mutationen in den DNA-Sequenzen für die Globine kommt und daher die Globin-Sequenzen anfangen voneinander abzuweichen. Das erklärt die untere Sprechblase links.

Je größer die Zahl der festgestellten Abweichungen zwischen den ehemals gleichen Globinen ist, desto weiter zurück liegt der Zeitpunkt ihrer Trennung. Oder mit anderen Worten, der Grad der Abweichung der DNA-Sequenzen zwischen ehemals gleichartigen Genen, die getrennt wurden, steht in Zusammenhang mit der Länge des durch Verzweigungen angedeuteten Zeitraums im Stammbaum.

Weil die Wahrscheinlichkeit, mit der es zu einer bestimmten Anzahl von Veränderungen in der DNA kommt, ca. bekannt ist, kann man es in ca. Mio. Jahren umrechnen. Gene, die sehr früh getrennt wurden, wie das Myoglobingen (gelb) von den Hämoglobin-Genfamilien, vor rund 500 Mio. Jahren, zeigt 257 Abweichungen in seiner DNA-Sequenz. Gene, die erst in jüngerer Zeit aufgespalten wurden, wie die delta- von der beta-Kette, vor ca. 100 Mio. Jahren, zeigt nur 9 Abweichungen in seiner DNA-Sequenz. Man kann die Entwicklung der Hämoglobingene in so einem Stammbaum daher als eine Art "Evolutionsuhr" betrachten. Wenn man Hämoglobingene und deren Anordnung im Erbgut verschiedener Tierarten vergleicht, kann man daraus Verwandtschaftsbeziehungen ableiten. LG