Was sind Lebenserfahrungen? und wann sind sie nur eine Illusion?

7 Antworten

Die Wirklichkeit ist zumindest nicht komplett subjektiv, wer aus dem Fenster springt, wird unten ankommen - egal, was er sich vorstellt oder nicht. Subjektiv sind unsere Wertvorstellungen und Ansichten, die physikalische Realität kann sehr unerbittlich sein. Und dieser sind wir unterworfen.

Und klar sind Lebenserfahrungen auch subjektiv. Zumindest die Bewertungen, die wir an die Erfahrungen knüpfen. Zu versuchen, andere zu verstehen, ist sinnvoll, denke ich. Es erleichtert das Zusammenleben.

Hallo Marwin388,

das Objektive wie auch das Sujektive sind in meinen Augen Teil unseres Lebens: was wir wahrnehmen und fühlen kann beides sein, was wir denken und wie wir handeln mag objektiv sein, was andere wieder subjektiv wahrnehmen.

So dürfen Lebenserfahrungen beides beinhalten, ob jemand da explizit unterscheiden mag oder nicht, ob es überhaupt immer unterscheidbar ist oder auch nicht.

Es existieren Menschen - und sind mir auch schon begegnet - die sich weder hinterfragen noch versuchen, andere Menschen zu verstehen. Sie machen ihr Ding und hinterlassen häufig so manchen Kollateralschaden. Aber sie mögen sich auch - vielleicht subjektiv - Erfolge verbuchen, somit Lebenserfahrungen sammeln.

Abhängig von der Menge an Information, die uns nur über einen gewissen Zeitraum rüberkommt, mögen wir erste Eindrücke haben, die subjektiv wie objektiv einordnen, sie mit umso mehr Informationen und eigenen Intentionen relativieren oder bestehen lassen.

Es wird mit dem Beginn eines Informationsflusse zu einer Sache oder Person immer ein erster Eindruck entstehen. Manche Menschen mögen ihn auch gleich verwerfen und weiter abwarten.

Man kann jetzt auf eine Metaebene gehen und fragen, ob nicht alles, was wir wahrnehmen, immer in sich eine Illusion ist. Das mag so im Raum stehen, aber wir nehmen es einfach wahr, womit es keine Illusion ist.

Eine Illusion könnte sein, auf irgendetwas hin etwas anderes verwirklichen zu wollen, was entweder einem nicht möglich ist oder nicht zugänglich gemacht wird. Der geäußerte Gedanke über eine solche Sache ist dann keine Illusion, da er geäußert ist.

Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – langjährige Lebenserfahrung und persönliche Anschauung
Marwin388 
Fragesteller
 05.09.2023, 15:09

Aber wenn meine wirklichkeit eine ganz andere ist als jemand anderen, zählen dann seine Erfahrungen für mich nicht ? sonderen eher nur Menschen die eine ähnliche Wirklichkeit wie ich haben ( Denkweise ) ?

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EarthCitizen20  05.09.2023, 15:22
@Marwin388

Zunächst darf alles als individuelle Wirklichkeit zählen, was wir selbst wahrnehmen und fühlen wie auch außern oder darin handeln.

Nehmen wir eine Menge von Personen an, die alle wieder solche Mengen von individuellen Wirklichkeiten haben. Äußern sie sich und werden damit auch Wahrnehmungen und Gefühle mitgeteilt, haben wir an diesen Wirklichkeiten wieder teil, wobei das Teilhaben als eigene individuelle Wirklichkeit zählt. Der Inhalt bleibt die Wirklichkeit der jeweils andren Person.

Wir können aber entscheiden, einen solchen Inhalt auch als eigene Wirklichkeit aufzunehmen.

Würde ein*e Architekt*in aus eigenem Gefühle und eigenen Wahrnehmungen ein Haus konzipieren und vorstellen, wäre die Präsentation, der wir beiwohnen, eine individuelle Wirklichkeit für uns. Das Haus würde individuelle Wirklichkeit, wenn wir es bauen (lassen) wollten, um darin zu leben.

Eine Person spricht von intensiven Gefühlen, die uns den Bauch kribbeln lassen. Das ist wohl das Erzählen wie auch die Gefühle selbst, die uns erreichen, damit auch zur individuellen Wirklichkeit auf der Transport- wie Inhaltsebene werden.

Sind individuelle Wirklichkeiten - sagen wir mal - zu der ein und selben Sache unterschiedlich, bleiben sie es auch. Erst wenn wir die Wirklichkeiten einander annehmen oder sogar integrieren, werden sie zu individuellen Wirklichkeiten auch für uns.

Eine Person A trägt vor, bei Gewitter immer einen Unterschlupf zu suchen, um sich vor Blitzschlag und ggf. Hagel zu schützen. Eine Person B hingeben liebt es, bei Gewitter draußen zu sein und das Naturschauspiel live zu erleben. Wir haben damit unterschiedliche individuelle Wirklichkeiten.

Dann erzählt A, wie neben ihr der Blitz in einen Baum ist und die Teile geflogen kamen. Die Wirklichkeit, sich vor Gewitter schützen zu müssen, kommt zu B rüber und wird auch zu B's individueller Wirklichkeit. Beide könnten ihre Wirklichkeiten insofern integrieren, dass sie sich beide schützen und doch zuschauen.

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Es kommt drauf an wie man lebt.

Erfahrung ist Erfahrung, gibt keine eingebildete Erfahrung. Oder villt. auf Drogen wäre es eine Illusion. Aber durch Erfahrung kann man ahnen wieso jemand so und so macht, weil man ja das bekannte Muster sieht. Ältere können auf jeden Fall was von Erfahrung quatschen. Ist ja auch logisch eig.

Aber es gibt halt auch DIE Erfahrung wo ab einem bestimmtem Alter alle zustimmen, wie: niemand hat was zu verschenken, niemand will dich oben sehen, dass Vertrauen fatal sein kann usw.

Marwin388 
Fragesteller
 05.09.2023, 15:16

Aber selbst bei älteren gibt es da manchmal darüber Streitigkeiten

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"Echte" Erfahrungen sind definitiv nicht Ereignisse, die von manchen Erwachsenen Jüngeren gegenüber mit "ja da musst du halt auch durch" beschrieben werden.

Eine Erfahrung macht man dann, wenn man etwas erlebt, das einen in irgendeiner Weise nachhaltig prägt. Was genau das ist und wie es einen prägt, ist extrem individuell.

Das Wort Lebenserfahrung mag ich überhaupt nicht. Es suggeriert, dass man einen bestimmten Grad an Erfahrung automatisch bekommt, weil man eine gewisse Zeit lang gelebt hat, und das ist schlicht falsch.

Da nehme ich meist mein Lieblingsbeispiel zur Hand, um besser zu verdeutlichen, was ich meine:

Meine Großmutter wurde von ihrem Vater extrem verwöhnt, dann mit 18 verheiratet (weil sie im achten Monat schwanger war) und ihr erster Mann, mein Großvater, hatte absolut kein Verständnis für ihre Lebensweise und die Dinge, die sie als Probleme empfand, weil seine Probleme darin bestanden, damit klarzukommen, dass sein Vater nicht aus dem Krieg heimkam und seine Mutter zwei Jobs hatte, während sie sich um alle Kinder kümmerte. Dann musste er eben sehr früh beginnen, hart zu arbeiten, um ihr zu helfen.

Er war meiner Mutter und ihren Geschwistern gegenüber ein wundervoller, liebevoller Vater, aber es war ihm auf Dauer viel zu anstrengend, das Leben mit meiner Großmutter auszuhalten, weil er sie nicht permanent verhätscheln konnte und wollte.

Als meine Mutter 12 war, ließen sie sich scheiden. Der zweite Ehemann meiner Großmutter, der erst vor wenigen Jahren starb, "verhätschelte" sie wieder, war aber eigentlich sehr toxisch und kontrollierend. Somit verlernte sie alles, was sie zuvor hatte lernen müssen, weil sie nichts mehr tat außer ein bisschen putzen, kochen und sich von ihm ausführen lassen.

Nun zum Vergleich: Ich wurde in eine dysfunktionale, emotional instabile Familie geboren. Seit ich denken kann, sind meine Beziehungen zu anderen Menschen ambivalent. Die ersten Personen in meinem Leben, die mir Vertrauen hätten beibringen sollen, brachten mir stattdessen bei, alleine zu überleben, besonders auf emotionaler Ebene gesehen.

Da ich nie wusste, wie meine Eltern sich im nächsten Moment verhalten würden - ob ich das sprichwörtliche Zuckerbrot oder die sprichw. Peitsche bekommen würde - entwickelte ich mit wenigen Jahren eine sehr gute Menschenkenntnis (und andere Fertigkeiten). Ich kann erkennen, wie es jemandem geht und wie ich mich verhalten muss, um mich möglichst an diese Person anzupassen - innerhalb von Sekunden. Ich analysiere das Verhalten jeder Person mir gegenüber innerhalb von Sekunden, weil ich gelernt habe, dass die einzige Art des Überlebens das Anpassen ist, in a way. Ich wurde, modern gesagt, zum People Pleaser Nummer 1.

Viele Menschen denken, meine Großmutter müsse viel mehr Lebenserfahrung haben wie ich, weil sie deutlich älter ist. Aber woher?

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – i believe in god; optimistic nihilist
Marwin388 
Fragesteller
 06.09.2023, 13:45

Wow. Krass . Hast Recht. Aber du hast dich ja selbstreflektiert , ohne Selbstreflexion hättest du diese "Lebenserfahrung" nicht im so ein Maß kennenlernen können. Oder wie siehst du das ?

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SakuraPeachie  07.09.2023, 09:16
@Marwin388
Aber du hast dich ja selbstreflektiert , ohne Selbstreflexion hättest du diese "Lebenserfahrung" nicht im so ein Maß kennenlernen können.

Klar, aber nur, weil ich in Therapie kam, als ich in der Unterstufe im Gymnasium war, weil man mein Sozialverhalten auffällig fand. Da war ich etwa 12 Jahre alt, also hatte ich mein Trauma durch systemische emotionale Gewalt ja schon jahrelang.

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Marwin388 
Fragesteller
 07.09.2023, 13:35
@SakuraPeachie

Gute Besserung erstmal. Aber dann heißt dass dass die "Qualität" der Lebenserfahrung von der "Qualität" der Selbstreflektion abhängt ?

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SakuraPeachie  08.09.2023, 12:04
@Marwin388
Gute Besserung erstmal.

Danke

Aber dann heißt dass dass die "Qualität" der Lebenserfahrung von der "Qualität" der Selbstreflektion abhängt ?

Natürlich. Wie soll ich denn aus etwas lernen, wenn ich nicht einmal genau weiß, was da passiert ist und wie es mich unmittelbar beeinflusst hat?

Es gäbe bestimmt viel im Leben meiner Großmutter, woraus sie lernen könnte. Aber Lernen will gelernt sein.

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Lebenserfahrungen sind die Beulen, die man sich holt bei falschen Entscheidungen. Würdest du instinktiv alles richtig machen, würdest du keine eigenen Erfahrungen sammeln, sondern müsstest die der anderen anschauen wie ein Film. Und so ist es tatsächlich: Um solche Erfahrungen schmerzlos zu "geniesen", wurde das Buch und der Film erfunden. Du kannst sie nicht alles selbst machen, ebensowenig kannst du alle Inseln bereisen. Davon unterscheiden sich nun gute von schlechten Filmen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung