Was ist eure Meinung zur Gentechnik in Lebensmitteln?

2 Antworten

Gentechnik hat ein sehr großes Potenzial, die Umweltprobleme in der Nahrungsmittelproduktion zu lösen. Mit genverändernden Verfahren kann man Nutzpflanzen ertragsreicher und widerstandsfähiger machen, so dass weniger Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Flächen benötigt werden. Außerdem kann man sie an andere Klimazonen anpassen. Diese Chance sollte man nutzen.

Wenn Gentechnik aber dazu benutzt wird um zu verhindern, dass man einen Teil der Ernte als Saatgut verwenden kann, so dass Bauern gezwungen sind, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen, finde ich das schlecht.

Gentechnik bei Tieren lehne ich persönlich aus ethischen Gründen ab.

HansImGlueck178  27.04.2020, 12:36

"Wenn Gentechnik aber dazu benutzt wird um zu verhindern, dass man einen Teil der Ernte als Saatgut verwenden kann, so dass Bauern gezwungen sind, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen, finde ich das schlecht."

Wobei dafür selten bis nie Gentechnik eingesetzt wird. Das ist schlichtweg ein Nebeneffekt der (konventionellen) Hybridzucht.

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HansImGlueck178  27.04.2020, 12:54
@BerwinEnzemann

Monsanto (und auch die anderen der zehn großen Saatgutanbieter) hat keine einzige durch Gentechnik sterilisierte Sorte je kommerziell vertrieben. Das ist ein Mythos, der sich seit der Entdeckung der Technologie in den 90ern hartnäckig hält und dazu geführt hat, dass die gentechnische Forschung für die Landwirtschaft um Jahre zurückgeworfen wurde.

Die einzigen sterilen Sorten die Monsanto vertrieben hat, waren Hybridsorten die wegen der Hybridzucht aus reinrassigen Inzuchtlinien steril sind.

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BerwinEnzemann  27.04.2020, 12:59
@HansImGlueck178

Ich habe mehrere Dokus gesehen in denen gesagt wurde, dass Monsanto in Indien Verträge abgeschlossen hatte, die die Bauern in den betroffenen Regionen verpflichtete Monsanto-Saatgut zu kaufen das extra so manipuliert wurde, dass man die Ernte nicht wieder zum Aussähen verwenden kann, so dass die Bauern jedes Jahr neues Saatgut kaufen müssen. Die Dokus sind alt, kann man aber noch auf Youtube anschauen.

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HansImGlueck178  27.04.2020, 12:59
@BerwinEnzemann

Für kritische, aber nicht unfaire, Informationen über GMOs kann ich diese Seite empfehlen. Dort werden Argumente beider Seiten gegenübergestellt, statt dass mit Falschinformationen aus ideologischen Gründen Gentechnik verteufelt wird (wie es vor allem in den 2000er Jahren üblich war).

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BerwinEnzemann  27.04.2020, 13:00
@HansImGlueck178

Danke für den Link. Ich persönlich bin ein Befürworter von Gentechnik in der Nahrungsmittelproduktion.

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HansImGlueck178  27.04.2020, 13:10
@BerwinEnzemann

"Die Dokus sind alt, kann man aber noch auf Youtube anschauen."

Sie sind alt und vor allem erwiesenermaßen falsch. Monsanto hat in Indien (und überall sonst auf der Welt) sterile Baumwollhybridsorten verkauft, schon lange. Seit 2002 (in Indien) dann auch solche mit dem sogenannten Bt-Gen für erhöhte Schädlingsresistenz. Steril waren diese Sorten aber wie gesagt vorher schon, wegen der Hybridzüchtung, die gentechnische Veränderung hat nichts mit der Sterilität zu tun. Sie wurden erst recht nicht gezielt sterilisiert.

Monsanto hat auch niemanden gezwungen Bt-Baumwolle zu säen. Monsanto hat jedoch sehr stark dafür geworben, was kleineren Anbietern den Marktzugang schwer gemacht hat. Über die moralischen Implikationen dieses aggressiven Marketings kann man sicherlich streiten. Der indische Staat zumindest hat keine Notwendigkeit gesehen hier regulierend einzugreifen.

Übrigens, weil das oft genannt wird. Es gab seit 2002 in Indien keinen signifikanten Anstieg der Suizidrate und die Suizidrate indischer Farmer ist nicht signifikant höher als die der Gesamtbevölkerung. Die Zahlen sind da ziemlich eindeutig, wer das Gegenteil behauptet lügt schlichtweg.

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HansImGlueck178  27.04.2020, 13:17
@HansImGlueck178

Für fruchtbare Sorten gibt es auch Nachbauverbote (innerhalb der Möglichkeiten des jeweiligen Staates). Darin unterscheidet sich Saatgut aber nicht von anderen Produkten, denn genauso wenig darf ich etwas anderes einfach so nachbauen, dass ich kaufe, wenn es patentrechtlich geschützt ist.

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BerwinEnzemann  27.04.2020, 13:23
@HansImGlueck178

Um sich da eine eindeutige Meinung zu bilden, muss man sich wohl erst mal tiefer gehend informieren. Für mich sind das zunächst mal widersprüchliche Informationen. Wobei die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Gentechnik für mich persönlich auch nicht dadurch relativiert wird, dass sie in der Vergangenheit missbraucht wurde.

Über die (vermeintliche) Selbstmordwelle indischer Bauern gibt es übrigens einen lustigen satirischen Film aus Indien:

https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/live-aus-peepli-irgendwo-in-indien

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HansImGlueck178  27.04.2020, 13:31
@BerwinEnzemann

"Wobei die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Gentechnik für mich persönlich auch nicht dadurch relativiert wird, dass sie in der Vergangenheit missbraucht wurde."

Das ist nochmal eine andere Sache. Schon die theoretische Möglichkeit des Missbrauchs hat in den 90ern und frühen 2000ern dazu geführt, dass es kaum zielführende Forschung gab die aus öffentlicher Hand finanziert wurde.

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BerwinEnzemann  27.04.2020, 13:44
@HansImGlueck178

Ich bin der Meinung, dass die Auflagen für die Markteinführung gentechnisch veränderte Nutzpflanzen zu hoch sind, und sich anhand des aktuellen Standes der Wissenschaft nicht rechtfertigen lassen. Crispr-Cas ist bei Pflanzen angewandt eine Methode die nicht risikohafter ist als jede konventionelle Züchtung. Aber wenn man eine zweistellige Zahl von Jahren auf eine Genehmigung zum Verkauf warten muss, investieren da natürlich nicht viele Firmen. Leider.

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Agronom  27.04.2020, 14:04
@BerwinEnzemann

Genau, das ist ein wichtiger Punkt, aus persönlichen Gesprächen mit Pflanzenzüchtern weiß ich auch, dass viele gern diese Technologien nutzen würden. Bei mittelständischen Unternehmen, die auch international ihre Sorten vertreiben wird auch damit gearbeitet/geforscht, nur eben dann für die außereuropäischen Märkte.

Zu der bisherigen Diskussion kann ich HansImGlück178 nur zustimmen, ich habe auch schon einige solche Dokus gesehen, aber als jemand, der sich mit der Thematik intensiv theoretisch und praktisch beschäftigt hat, fallen immer wieder große Fehler auf. Bei neueren Produktionen kann man glücklicherweise eine zunehmende Objektivität feststellen, aber je älter sie werden, desto einseitiger werden sie und erwecken den Eindruck, dass die Anti-Gentechnik Position Prämisse war.

"Terminatortechnologien" oder andere Sterilitäten bei Saatgut könnte es geben, Monsanto hat soetwas z.B. entwickelt, aber es nie in einem Produkt auf den Markt gebracht. Auch Hybride sind nicht steril, sie spalten nur genetisch in der F2-Generation auf, das liegt einfach an der natürlichen genetischen Struktur, man kann sie zwar weiter vermehren, erhält dann jedoch eine hohe genetische Diversität in den Nachkommen, was für eine landwirtschaftliche Nutzung nachteilig ist.

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Ich wünsche mir einen offeneren und objektiveren Umgang damit in der EU und besonders Deutschland, hier wurden wichtige Grundsteine für die (Pflanzen-)Biotechnologie gelegt und wir waren einmal eine (wissenschaftlich) führende Nation auf diesem Gebiet.

Die Technologien bieten so viele Möglichkeiten und werden hier in der Politik fast vollkommen unterdrückt oder ignoriert, wodurch hier praktisch kaum ein Nutzen daraus gezogen wird.

Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass etliche Anwendungen auch hier sinnvoll eingesetzt werden könnten um die landwirtschaftliche Produktion effizientzer und nachhaltiger gestalten zu können, z.B. Resistenzen gegenüber Viren, die sonst nur präventiv durch Vektorbekämpfung verhindert werden können oder Phytophthora-Resistenz bei der Kartoffel, wobei massiv an Pflanzenschutzmitteln eingespart werden könnte.

Gehen wir über Europa hinaus kommen noch Anwendungen wie die Anreicherung von Spurenelementen wie z.B. Zink dazu, die helfen können Mangelernährung zu bekämpfen.

Viele der Anwendungen sind prinzipiell auch über klassische Züchutngsverfahren machbar, dauern aber deutlich länger und sind teilweise weniger effizient. Warum also sollte man z.B. 10 Jahre auf ein mäßiges Ergebnis warten, wenn man ein besseres ergebnis in der Hälfte der Zeit erreichen könnte.

Seit über 25 Jahren wird Gentechnik in der Landwirtschaft eingesetzt, keine der anfänglichen Befürchtungen ist in einem unkontrollierbaren Maße eingetreten und von einer grundsätzlichen Gefahr durch die Technologien per se ist nicht auszugehen. Ein vernünftig regulierter Umgang ist wichtig und daher wird es Zeit, dass sich die EU an die Anpassung der Getechnikrichtlinien macht um mit dem technologischen und wissenschaftlichen Stand mitzuhalten, ein zentraler Punkt sollte dabei die produktbasierte Bewertung sein (aktuell ist es eine verfahrensbasierte Bewertung), denn relevant ist hier das Endergebnis bzw. -produkt und nicht das Verfahren, mit dem es erzeugt wurde.