was ist ein werkverein?

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Eine Angabe des Zusammenhanges bei der Frage wäre günstig.

Allgemein ist ein Werkverein eine Organisation, in der in einem Werk (ein Betrieb, in dem etwas produziert wird) Arbeitende zusammengeschlossen sind.

Eine frühe Form von Werkvereine waren gewisse Hütten- und Werkvereine in manchen Betrieben in den 1880er und 1890-er, von Unternehmern wie Carl Ferdinand Stumm (seit 1888 Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg) gegründete Arbeitervereine. Autoritäre Beziehungen und Unterordnung und strikter Gehorsam gegenüber dem Unternehmer herrschten.

Werkvereine sind dann geschichtlich Organisationen auf betrieblicher Ebene gewesen, die auf Initiative und mit Förderung von Unternehmern entstanden und eine Art ihnen gegenüber ziemlich willfährige Gewerkschaften darstellten. Ein verbreiteter Begriff ist „gelbe Gewerkschaften“. In Deutschland wurde zuerst 1905 in Augsburg ein solcher Werkverein gegründet. In Frankreich hatten sich 1899 „Gelbe“ („Jaunes“; so benannt nach einer Farbe, die ein Kennzeichen darstellte) gebildet, bei Streiks und Streitigkeiten in den Schneiderwerken von Le Creusot und den Gruben von Montceau-les-Mines.

Von Firmenleitungen wurde den Werkverein gewisse Selbstständigkeit zugestanden und pro forma ein Streikrecht zugebilligt, von dem Gebrauch zu machen sich die Mitglieder jedoch hüteten, weil sie finanziell von den Firmenleitungen abhängig waren. Betriebsatmosphäre mit einem System betrieblichen Wohlfahrtsteinrichtungen, das freilich nicht nur zur Unterstützung der Arbeiter, sondern auch zu ihrer Disziplinierung und einer autoritätsfixierten Erziehung eingesetzt wurde. Der Paternalismus/Patriarchalismus ging mit unbeugsamer Durchsetzung von Ordnung und Autorität einher.

Von Firmenleitungen, Werkverein gewisse Selbstständigkeit zugestanden und pro forma ein Streikrecht zugestanden, von dem Gebrauch zu machen sich die Mitglieder jedoch hüteten, weil sie finanziell von den Firmenleitungen abhängig waren.

Werkvereine gab es vor allem in der Montanindustrie, im Bergbau und der Hüttenindustrie und Teilen der Chemie- und Metallindustrie. Die Unternehmer vertraten einen „Herr-im-Hause-Standpunkt“. Unternehmen wie MAN, Krupp und Siemens hatten ein beachtliches System betrieblicher Wohlfahrtseinrichtungen, das freilich nicht nur zur Unterstützung der Arbeiter, sondern auch zu ihrer Disziplinierung und autoritätsfixierten Erziehung eingesetzt wurde. Der Paternalismus ging mit unbeugsamer Durchsetzung von Ordnung und Autorität einher. Die Werkvereine lehnten Klassenkampf und Streiks ab (außer der Theorie nach als äußerste Notwehr) und hatten eine Mitwirkung in den betriebsbezogenen Werkseinrichtungen. Ein freundliches Verhältnis zu den Arbeitgebern wurde anstrebt, was auf weitgehende Arbeitgeberhörigkeit hinauslief.

Werkvereine waren nur im Rahmen eines Unternehmens tätig. Weltanschaulich standen sie in Gegensatz zu den sozialistischen/sozialdemokratischen („roten“) Gewerkschaften (scharfe Aussagen gegen die Sozialdemokratie standen in Satzungen), gegen die sie als Konkurrenz mit teilweisem Ersatzcharakter dienten. Als Ziel galt die Verwirklichung einer Werkgemeinschaft in einer berufsständischen Ordnung. Die Werkvereine waren „wirtschaftsfriedlich“ (Streikgegner) und „national“.

In einem Abkommen zwischen den wichtigsten Arbeitgeberverbändern und Gewerkschaftsverbänden (Freie Gewerkschaften, Christliche Gewerkschaften, Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine) am 15. November 1918 (Stinnes-Legien-Abkommen), in der Zeit der Novemberrevolution, erklärten sich die Unternehmer (die für weitgehendes Stillhalten der Gewerkschaftsführungen und Verzicht auf Sozialisierung Zugeständnisse machen) bereit, die Unterstützung der Werkvereine einzustellen (vgl. Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik. 7., durchgesehene und erweiterte Auflage. Oldenbourg : München, 2009 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 16), S. 14).

Ziffer 3 des Abkommens: „Die Arbeitgeber und die Arbeitgeberverbände werden die Werkvereine (die sogenannten wirtschaftsfriedlichen Vereine) fortan vollkommen sich selbst überlassen und sie weder mittelbar noch unmittelbar unterstützen.“

Nach dem Ende der damit begründeten Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (ZAG) kam es wieder zu Unterstützung und Förderung von Werkvereinen.

In Büchern gibt es Informationen, z. B.:

Klaus J. Mattheier, Die Gelben : nationale Arbeiter zwischen Wirtschaftsfrieden und Streik. Düsseldorf : Schwann, 1973 (Geschichte und Gesellschaft). ISBN 3-7895-0196-4

Albrecht  08.07.2011, 02:21

Volker Berghahn, Das Kaiserreich : 1871 - 1914 ; Industriegesellschaft, bürgerliche Kultur und autoritärer Staat. Stuttgart : Klett-Cotta, 2003 (Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte. Zehnte, völlig neu bearbeitete Auflage. Band 16), S. 83:
„Andere Firmen, die gewerkschaftsfeindlich blieben, versuchten sich zugänglichere Werkvereine (»Gelbe Gewerkschaften«) zu schaffen. Die Werkvereins-Bewegung kam um so mehr in Gang, je mächtiger die Freien Gewerkschaften vor 1914 wurden. Es ist für die damalige Polarisierung, die auch andere Bereiche als die industriellen Beziehungen betraf und die sich in den großen Streikbewegungen der Zeit ausdrückte, bezeichnend, daß die Unternehmerverbände es 1910 zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben erklärten, arbeitgeberfreundliche Werkvereine aufzubauen. In einzelnen großen Firmen des Schiffs- und Maschinenbaus sowie in der Chemie hatten die Werkvereine im Frühjahr 1914 über 1000 Mitglieder. Dieses Bemühen, das auch in der saarländischen Schwerindustrie stark war, ist zum einen mit der verschärften Frontstellung gegen die anwachsende »sozialdemokratische Gefahr« auch in der Reichspolitik zu erklären; zum anderen deutet es auf eine Tendenz der Konservativen unter den Arbeitgebern hin, die älteren paternalistischen in ständestaatliche Betriebsformen umzuwandeln. Sie strebten über den Umweg einer berufsständischen Politik eine Spaltung und Eroberung der Arbeiterschaft von innen heraus an.“

Walther Müller-Jentsch , Arbeit und Bürgerstatus : Studien zur sozialen und industriellen Demokratie. 1. Auflage Wiesbaden : VS, Verlag für Sozialwissenschaften, 2008, S. 135 - 136:
„Dass es um die Jahrhundertwende gleichwohl zur Bildung reiner Betriebsgewerkschaften kam, war mehr den Unternehmerinteressen als Arbeiterinitiativen zuzuschreiben. Unter der Bezeichnung Fabrik- oder Werkverein bildeten sich – mit finanzieller und personeller Hilfe privatwirtschaftlicher Unternehmer – wirtschaftsfriedliche Verbände, die betriebsloyale Arbeiter organisierten. Gemeinsam war ihnen das Ziel, nichtorganisierte Arbeiter gegen Kampfgewerkschaften im allgemeinen und sozialdemokratische Koalitionen im besonderen zu „schützen“. Die „gelbe“ oder wirtschaftsfriedliche Arbeiterbewegung umfasste mehr als Fabrik- und Werkvereine (es gab „vaterländische“ und „ordnungsliebende“ Arbeitervereine auf lokaler und nationaler Ebene ebenso wie wirtschaftsfriedliche Berufsverbände); gleichwohl bildeten die Werkvereine den Kern dieser „Bewegung“. Im Gegensatz zu den anderen Vereinigungen und Gruppierungen hatte sie neben ihrer ideologischen Orientierung auch eine materielle Interessengrundlage. Mitglieder von Werkvereinen wurden in der Regel bei Aussperrungsmaßnahmen positiv diskriminiert, indem ihnen der Lohn weitergezahlt wurde, sie bevorzugt wieder eingestellt wurden und Rechte auf betriebliche Pensionen nicht verloren. […].

Nach dem Ersten Weltkrieg verloren die wirtschaftsfriedlichen Werkvereine an Bedeutung. Im „Stinnes-Legien-Abkommen“ vom November 1918 verpflichteten sich Arbeitgeber und die Arbeitgeberverbände, diese Vereinigungen fortan „weder mittelbar noch unmittelbar“ zu unterstützen. Die durch den verlorenen Krieg und die aufkommende Rätebewegung veränderte Machtkonstellation zwang die Unternehmer, sich mit den freigewerkschaftlichen Organisationen zu arrangieren und die Werkvereine fallen zu lassen.“

Petra Weber, Gescheiterte Sozialpartnerschaft – gefährdete Republik? : industrielle Beziehungen, Arbeitskämpfe und der Sozialstaat ; Deutschland und Frankreich im Vergleich (1918 - 1933/39). München : Oldenbourg, 2010 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte ; Band 77 ), S. 61 – 74 und S. 193 – 194

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Oder allgemein auch unter der Bezeichnung Werksgemeinschaft geläufig. In der Arbeiterbewegung der Versuch neben den Gewerkschaften andere Interessensvertretungen zu schaffen.