Was ist der Unterschied zwischen Demokratie und Timokratie (nach Aristoteles)?

4 Antworten

Eine genaue Untersuchung erfordert das Lesen von Textabschnitten aus Werken, in denen etwas zum Thema steht:

Aristoteles, Nikomachische Ethik ( Ἠθικὰ Nικομάχεια [Ethika Nikomacheia]; lateinischer Titel: Ethica Nicomachea)

Aristoteles, Politik ( Πολιτικ [Politika]; lateinischer Titel: Politica)

Aristoteles verwendet die Bezeichnung »Timokratie« Nikomachische Ethik 8, 12 – 13 für eine bestimmte Verfassungsform. Meistens verwendet er aber die Bezeichnung »Politie«.

Aristoteles, Nikomachische Ethik 8, 12 – 13 ist ein Schema mit 6 Verfassungsformen zugrundgelegt. Es gibt eine Einteilung nach der Anzahl der an der Herrschaft/am Regieren Beteiligten (eine Person, wenige Personen, viele Personen) und dazu jeweils eine Unterteilung in eine gute und eine schlechte Form. Die schlechte Form (bei Wikipedia „Verfallsform“ genannt) nennt Aristoteles Abweichung/Fehlform/Entartungsform/Ausartung (παρέκβασις [parekbasis]).

Die guten Verfassungsformen sind Königtum (βασιλεία), Aristokratie (ἀριστοκρατία) und Timokratie (τιμοκρατία), die Abweichungen/Fehlformen/Entartungsformen/Ausartungen (παρεκβάσεις [parekbaseis]) Tyrannis (τυραννίς), Oligarchie (ὀλιγαρχία) und Demokratie (δημοκρατία).

Normativ beurteilt ist der Unterschied bei Aristoteles: Timokratie ist eine gute Verfassungsform einer Herrschaft der Menge/Mehrheit/Vielen, Demokratie eine schlechte Verfassungsform einer Herrschaft der Menge/Mehrheit/Vielen.

Maßstab/Kriterium bei dieser Unterscheidung von Verfassungen sind:

1) Allgemeinwohl/gemeinsamer Nutzen

2) Gesetzlichkeit/Regieren nach dem Gesetz

Schlechte Formen der Herrschaft sind durch eigensüchtiges Streben der Herrschenden nur nach ihrem eigenen Vorteil und Ungesetzlichkeit gekennzeichnet.

Den Unterschied zwischen Timokratie und Demokratie hält Aristoteles für nicht sehr groß, indem Timokratie seiner Einschätzung nach die am wenigsten gute unter den richtigen Verfassungsformen und Demokratie die verhältnismäßig am wenigsten schlechte unter den schlechten Verfassungsformen ist. Die Abweichung hat hier den geringsten Grad.

Von den Bestimmungen her liegt der Unterschied darin, daß die Timokratie auf einer Abstufung nach Schatzung, also einer Einstufung nach Vermögen/Besitz/Einkommen/Steuerleistung beruht. Es ist ein Mindestvermögen nötig, um volles Bürgerrecht (dazu gehört, am Regieren/an der politischen Herrschaft teilzuhaben/mitzuwirken) und/oder volles (aktives und passives) Wahlrecht zu haben. Das erforderliche Mindestvermögen ist allerdings verhältnismäßig niedrig (sonst würde es sich um eine Oligarchie handeln). Gegenüber einer Demokratie besteht eine Einschränkung, weil in der Timokratie nicht jeder freie männliche Erwachsene volle politische Rechte (Aristoteles erwähnt als Mitwirkung/Teilhabe an politischer Herrschaft: Beratung und Gesetzgebung in Volksversammlung und Rat(sversammlung), Ausübung politischer Regierungsämter und Rechtspflege) hat, auch wenn er zur Gemeinschaft gehört.

An der Textstelle Aristoteles, Nikomachische Ethik 8, 12, geht es anscheinend um ein erforderliches (verhältnismäßig niedriges) Mindestvermögen, um volles Bürgerrecht zu haben.

Die Annahme, daß sich so Bürger mit Kompetenz (Fähigkeit, Sachverständnis) und Vernunftsinn für eine "Herrscherposition" qualifizieren, ist anfechtbar. Aristoteles scheint allerdings anzunehmen, auf diese Weise Menschen mit zu wenig Bildung, Tüchtigkeit und Vernünftigkeit auszuschließen.

Aristokratie in wahrem Sinn bedeutet in seiner Theorie nicht Herrschaft des Adels/der Menschen mit vornehmer Herkunft, sondern Herrschaft der Besten (einer Elite), durch Tugend/Vortrefflichkeit (ἀρετή [arete]) Herausragenden.

Aristoteles, Nikomachische Ethik 8, 12, 1160 a 30 - 34

Aristoteles, Nikomachische Ethik. Übersetzt und erläutert von Franz Dirlmeier. 10., gegenüber der 6., durchgesehenen, unveränderte Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 1999 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 6), S. 184:  

„Es gibt drei Arten von Polisverfassung und eine gleiche Anzahl von Abarten, man kann auch sagen Zerstörungen (der Grundformen). Die Grundformen sind: das Königtum, die Aristokratie und an dritter Stelle die auf der Einstufung nach Vermögen beruhende, für die der Name Timokratie angebracht erscheint, obwohl die meistens sie einfach als Politie (Verfassungsstaat) bezeichnen. Von diesen dreien ist die beste das Königtum, die schlechteste die Timokratie.“

8, 12, 1160 b 15 - 21

Aristoteles, Nikomachische Ethik. Übersetzt und erläutert von Franz Dirlmeier. 10., gegenüber der 6., durchgesehenen, unveränderte Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 1999 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 6), S. 184 – 185:  

„Aus der Timokratie entwickelt sich die Demokratie: die beiden grenzen aneinander. Eine Herrschaft der Mehrheit will ja ihrem Wesen nach auch die Timokratie sein, und alle Angehörigen der Vermögensklassen gelten als gleich. Am wenigsten tief steht (unter den Abarten) die Demokratie, da sie nur in einem geringen Grade von der Form der Politie abweicht. Das also sind die Hauptformen der Veränderung von Polis-Verfassungen, denn so entwickeln sich die Etappen des Übergangs ganz unmerklich und ohne besondere Gewaltsamkeit.“

Aristoteles, Nikomachische Ethik 8, 13, 1161 a 25 - 31

Aristoteles, Nikomachische Ethik. Übersetzt und erläutert von Franz Dirlmeier. 10., gegenüber der 6., durchgesehenen, unveränderte Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 1999 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 6), S. 186:  

„Die Freundschaft zwischen Brüdern gleicht der zwischen Kameraden. Sie sind einander gleichgestellt und Altersgenossen: dies aber bedeutet in der Regel Gleichheit des Empfindens und Gleichheit des Charakters. Dieser Freundschaft ist auch die ähnlich, die es in der Timokratie gibt: das Wesen dieser Verfassung erfüllt sich in Bürgern, die gleichgestellt und trefflich sind. Sie führen die Herrschaft abwechselnd und auf gleicher Basis und dementsprechend gestaltet sich auch ihre Freundschaft. Dagegen ist in den entarteten Verfassungen entsprechend dem geringen Umfang des Rechts auch nur wenig Freundschaft zu finden, am wenigsten natürlich in der schlechtesten: In der Tyrannis gibt es wenig oder gar keine Freundschaft, denn wo zwischen Herrscher und Beherrschten keinerlei Gemeinsamkeit besteht, da gibt es auch keine Freundschaft; es gibt hier ja auch kein Recht.“

Aristoteles, Nikomachische Ethik 8, 13, 1161 b 8 - 10

Aristoteles, Nikomachische Ethik. Übersetzt und erläutert von Franz Dirlmeier. 10., gegenüber der 6., durchgesehenen, unveränderte Auflage. Berlin : Akademie-Verlag, 1999 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 6), S. 187:  

„In bescheidenem Umfang gibt es also auch unter der Tyrannenherrschaft freundschaftliche Beziehungen und Rechte, in der Demokratie dagegen in weiterem Ausmaß, denn wo die Bürger einander gleichgestellt sind, gibt es viele Gemeinsamkeiten.“

Politie hat bei Aristoteles zwei unterschiedliche Bedeutungen:

1) gute/richtige Form der Herrschaft der Menge/Mehrheit/Vielen (gutes Gegenstück zur Demokratie als schlechter Form der Herrschaft der Menge/Mehrheit/Vielen)

2) Verfassung mit einer Mischung aus Elementen/Bestandteilen (vor allem demokratischen und oligarchischen), wobei es für die Mischung mehrere Möglichkeiten gibt

Was Aristoteles „(äußerste/extreme) Demokratie“ nennt, ist nach seinem Urteil eine Herrschaft der vielen Freien und Armen, zu Ungunsten der Tüchtigen und Wohlhabenden/Reichen. In der Demokratie sind im Vergleich zur Politie die Gleichheit und die politische Macht der Armen größer.

Aristoteles, Politik 3, 7 – 13 und 3, 18 (kurze Zusammenfassung) bietet eine Darstellung des Schemas mit 6 Verfassungsformen. Anderswo unterscheidet Aristoteles Unterformen unter anderem von Demokratie (Politik 4, 4) und Oligarchie, wobei einige demokratischer bzw. oligarchischer sind als andere. Dabei gelten Demokratie und Oligarchie nicht pauschal als Abweichungen/Fehlformen einer guten/richtigen Grundform (nach einem Gesichtspunkt der Anzahl). Es kommen in seiner Untersuchung auch Formen der Demokratrie vor, bei dem ein geringes Mindestvermöpgen erforderlich ist, um Bürgerrecht und/oder Wahlrecht zu haben. Aristoteles, Politik 4, 8 – 9 ist eine Darstellung zur Politie.

Bei der politischen Lehre des Aristoteles ist zu unterscheiden:

1) bester Staat in den meisten Fällen hinsichtlich gegebener konkreter Bedingungen/Verhältnisse/Umstände (Politik Buch 4)

2) bester Staat, der überhaupt zu verwirklichen ist (Politik Buch 7 – 8)

Für die beste Verfassung überhaupt (von konkreten Umständen unabhängig betrachtet) hält Aristoteles eine an Allgemeinwohl und Gesetzlichkeit orientierte Herrschaft einer Elite (des Besten bzw. der Besten), also eine Monarchie oder Aristokratie (Buch 7 und 8).

Aristoteles überlegt, welche Verfassung unter gegebenen Verhältnissen in der Praxis am geeignetsten und stabilsten ist. In dieser Hinsicht ist die beste Verfassung für die Mehrzahl der Staaten und Menschen eine Mischverfassung, die „Politie“ genannt wird (agriechisch πολιτεία, was „Verfassung“ bedeutet und damit der Oberbegriff ist; diese Verfassungsform hat also im Grunde keinen besonderen eigenen Namen; das Wort könnte auch mit „Bürgerstaat“ oder „Verfassungsstaat“ wiedergegeben werden). Die Politie hält Aristoteles nicht für eine ideale Verfassung, die beste Staatsform überhaupt, aber für die unter dem Gesichtspunkt praktischer Verwirklichung meistens empfehlenswerte. Die Politie kombiniert nach seiner Aufassung bei der Einrichtung der politischen Funktionen (Besetzung von Ämtern und Ähnliches) klug Elemente/Bestandteile der einzelnen Verfassungen.

Die Politie ist in der Hauptsache eine Mischung aus den Grundformen Demokratie (Herrschaft des Volkes) und Oligarchie (Herrschaft weniger). Die Beamten/Amtsinhaber sollen gewählt werden, nicht für die meisten Ämter unter allen Bürgern ausgelost wie in der Demokratie. Das Wahlrecht soll nicht oder nur geringfügig eingeschränkt sein (z. B. durch die Anforderung eines Mindestbesitzes). Die Politie ist eine Verfassung mit einiger Bandbreite, weil die genaue Art der Mischung unterschiedlich sein kann. Der Tendenz nach geht die Mischung eher mehr in Richtung Demokratie als Oligarchie.

Die Politie sucht den Ausgleich zwischen einer reichen Führungsschicht und einer armen Menge, fördert zu diesem Zweck die Mittleren (eine Bezeichnung, die eine sozialen Gesichtspunkt hat, bei dem die Mittleren eine Mittelschicht sind, und eine ethischen Gesichtspunkt, bei die Mittleren die auf die richtige Mitte ausgerichteten Leute sind) und ist eine auf Freundschaft beruhende Gemeinschaft freier Menschen mit der Mitte als maßgebender Richtlinie (4, 11- 13).

Timokratie (τιμοκρατία [timokratia] ist bei Aristoteles in dieser Theorie keine eigenständige Verfassungsform, sondern sie wird der der Demokratie oder der Oligarchie zugeordnet (je nachdem, wie hoch die Vermögensanforderungen für politische Rechte sind). Für weitgehend timokratisch hält Aristoteles die Verfassungen der Lakedaimonier (Spartaner), der Kreter und der Karthager, die er als gemischte Verfassungen einschätzt.

Aristoteles, Politik 4, 8 , 1293 b 33- 38

Aristoteles, Politik. Band 3: Buch IV – VI. Übersetzt und eingeleitet von Eckart Schütrumpf. Erläutert von Eckart Schütrumpf und Hans-Joachim Gehrke Berlin : Akademie-Verlag, 1999 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 9), S. 25:  

„Allemein gesagt ist die Politie eine Mischung von Oligarchie und Demokratie. ES ist aber weitverbreitet, (Misch-)verfassungen mit Neigung zur Demokratie Politien zu bezeichnen, dagegen (Misch-)verfassungen mit einer Neigung eher zur Oligarchie Aristokratien, weil Bildung und edle Geburt sich eher bei Männer mit größeren Vermögen finden. Außerdem glaubt man, daß die Begüterten die Dinge schon besitzen, die sich Leute, die Unrecht begehen, erst durch Unrecht aneignen wollen. Aus diesem Grund nennt man die Reichen auch Männer von vornehmer und guter Wesensart und Angesehene.“

Aristoteles, Politik 4, 8 , 1294 a 15 – 25

Aristoteles, Politik. Band 3: Buch IV – VI. Übersetzt und eingeleitet von Eckart Schütrumpf. Erläutert von Eckart Schütrumpf und Hans-Joachim Gehrke Berlin : Akademie-Verlag, 1999 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 9), S. 26:  

„In den meisten Staaten herrscht nun eine Verfassungsform vor, die Politie genannt wird; denn (in ihnen) zielt die Mischung nur auf Wohlhabende und Arme, auf Vermögen und Freiheit. Bei den meisten scheinen nämlich die Begüterten die Stelle einzunehmen, die Männern von vornehmer und guter Wesensart zusteht. Es gibt aber (in Wirklichkeit) drei Qualitäten, mit denen man Anspruch auf Gleichheit in der Verfassung erheben kann: Diese sind freie Geburt, Besitz und hervorragende persönliche Qualität. Danach ist klar, daß man eine Mischung von zwei der so beschriebenen (Gruppen), nämlich von Vermögenden und Armen, als Politie bezeichnen muß, dagegen als Aristokratie - nach der wahren und ersten Aristokratie - am ehesten von allen Verfassungen die Mischung von allen drei.“

Aristoteles, Politik 4, 13, 1297 b 22 – 25 Aristoteles, Politik. Band 3: Buch IV – VI. Übersetzt und eingeleitet von Eckart Schütrumpf. Erläutert von Eckart Schütrumpf und Hans-Joachim Gehrke Berlin : Akademie-Verlag, 1999 (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach, herausgegeben von Hellmut Flashar ; Band 9), S. 36:

„Als dann die (Bevölkerung in den) Staaten zunahm und diejenigen, die schwere Waffen trugen, stärkeren Einfluß gewannen, erhielt eine größere Anzahl Bürgerrechte - aus diesem Grunde verwendeten die Männer früherer Generationen für die Verfassungen, die wir jetzt Politien nennen, die Bezeichnung Demokratien.“

Albrecht  17.04.2016, 10:47

Winfried Schmitz, Reiche und Gleiche: Timokratische Gliederung und demokratische Gleichheit der athenischen Bürger im 4. Jahrhundert v. Chr. In: Die athenische Demokratie im 4. Jahrhundert v. Chr. : Vollendung oder Verfall einer Verfassungsform? ; Akten eines Symposiums 3. - 7. August 1992, Bellagio. Herausgegeben von Walter Eder. Stuttgart : Steiner, 1995, S. 575 – 576:

„In der Staatstheorie des 4. Jhs. galt hingegen sowohl die Abhängigkeit des Bürgerrechts von einem Mindestvermögen als auch die Bestellung der Ämter nach Schatzungsklassen als oligarchisches Moment. Das Regelungsinstrument der Schatzung gilt für Aristoteles geradezu als entscheidendes Element, eine Verfassung insgesamt als Oligarchie zu bezeichnen, bzw. verschiedene Formen der Oligarchie voneinander abzugrenzen, und auch als losgelöstes Element einer Verfassung ist die Schatzung bei Aristoteles als oligarchisch apostrophiert. Dies zeigt sich besonders deutlich bei der Behandlung der 'Politie', einer Mischung aus demokratischen und oligarchischen Elementen. Demokratisch sei es, die Beamten zu losen und dabei kein Mindestvermögen vorauszusetzen, In der 'Politie' solle man daher das oligarchische Moment der Wahl statt der Losung vorziehen, die Ämter aber nach demokratischem Verständnis unabhängig von einer Schätzung halten. Detaillierter unterscheidet Aristoteles bei den verschiedenen Ausformungen einzelner Verfassungen. Eine Verfassung ist umso demokratischer, je geringer eine Schatzungsvoraussetzung ist, und am demokratischsten, wenn keine Schatzungsvoraussetzung besteht; Bei dieser differenzierteren Einteilung ist also auch diejenige Verfassung als demokratisch bezeichnet, die ein minimales Mindestvermögen beim Bürgerrecht oder bei der Ämterbesetzung fordert.

In der Nikomachischen Ethik hat Aristoteles die Timokratie als der Demokratie nahestehend bezeichnet, weil alle, die die Schatzungsvoraussetzung erfüllen, gleich (ἴσοι) sind. Grundsätzlich wird die Ausübung staatlicher Macht von Aristoteles als Herrschaft über Freie und Gleiche definiert. Gleichheit und Freiheit sind in der Demokratie weitestgehend verwirklicht und zwar in einer solchen, in der niemand wegen seines Reichtums einen Vorrang hat und alle hat und alle vollkommen ebenbürtig (ὅμοιοί) sind. Aus der Sicht der Demokraten sei ein Wesenszug der Demokratie und das politische Ziel dieser Verfassung, dass alle an der Freiheit vollkommen teilhaben. Gleichheit und Freiheit sind dann vollkommen verwirklicht, wenn alle an der Regierung teilhaben, nämlich durch Wechsel von Regierenden und Regierten. Der vollkommenen Gleichheit entspricht das Prinzip des regelmäßigen Alternierens von Regieren und Regiertwerden und zwar ausnahmslos aller Bürger. In der Verfassungswirklichkeit bezeichnet Aristoteles allerdings auch die Verfassung als Demokratie, in der einige Ämter, die Erfahrungen verlangten, durch Wahl besetzt werden und in der die Ämter von einer sehr niedrigen Schatzung abhängen. Diese Einschränkung hielt er mit dem Grundsatz, dass alle Ämter aus allen Bürgern besetzt werden und alle über alle abwechselnd herrschen, durchaus vereinbar.“

Das Ziehen von Parallelen ist legitim, wenn wirklich welche vorhanden sind und dies zutreffend/sachlich angemessen geschieht.

Für ein Zensuswahlrecht gibt es in der Neuzeit Beispiele (nicht nur das preußische Dreiklassenwahlrecht). Demokratisch ist dies aber nicht, es kann höchstens gegenüber einem vorausgegangenm Zustand ein gewisser Fortschritt zu mehr Teilhabe sein.

Heutige (echte) Demokratien schließen nicht ihre Bürger(innnen) wegen mangelnden Besitzes mit rechtlichen Bestimmungen von politischen Rechten aus. Dafür, wie fähig, sachkundig vernünftig und auf ethische gute Werte und Ziele ausgerichtet Volksvertreter sind, gibt es keine Garantie. Untersucht werden kann auch, inwieweit Reichtum größere politische Einflußnahme und Aufstiegschancen ermöglicht. Dabei ginge es aber wohl weniger um timokratische als um oligarchische oder plutokratische Tendenzen.

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Aristoteles bezieht sich in seiner politie ausdrücklich auf die Besten, die besonnensten und die Vernünftigsten eines Staates. Der Terminus ist "arete" eine gewisse Art "Vertrefflichkeit".

Er und auch sein Lehrer Platon haben das eigentlich nur den Philosophen zugetraut.

Das Denken als höchste Form menschlichen Seins.

Wo genau siehst Du das in der heutigen parlamentarischen Demokratie Deutschlands verwirklicht? Bei Merkel? Bei Gabriel? 

Von den anderen "sogenannten" Demokratien wie der Türkei ganz zu schweigen, oder??

OliverJay 
Fragesteller
 16.04.2016, 18:10

Danke für deine Antwort. 

Ich sehe die Parallelen darin, dass das Volk aus qualifizierten Personen wählt (bei uns zumindest in der Theorie ;) ). 

Aber wenn Aristoteles ganz andere Ansprüche an eine solche Qualifikation hatte (wie Du meinst, am ehesten hohe und gelehrte Philosophen) als wir es heute haben, dann ist das also als ein fundamentaler Unterschied zu verstehen?


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authumbla  16.04.2016, 19:33
@OliverJay

Das würde ich so sehen. Denn bei uns wählt das Volk die Volksvertreter nicht nach deren objektiver Qualifikation aus sondern diese werden (indirekt, weil parlamentarische Demokratie) nach völlig anderen Kriterien ausgewählt.

Allen voran: Aussehen, Medienpräsenz, rhetorische Fähigkeiten, politische Seilschaften, u.s.w.

Die Schwierigkeit bei der Forderung des Aristoteles transportiert in die Gegenwart sehe ich darin: Hätte ein Volksvertreter nach diesen Kriterien ausgewählt, heute überhaupt eine Chance?

Ich befürchte, nein.

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Eine Timokratie gab es auch in Preußen undbedingt auch noch im kaiserlichen Deutschland.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Innerhalb meines Studiums hatte ich viel mit Politik z utun

Demokratie = Herrschaft des Volkes

Timokratie = Herrschaft der Besitzenden/Angesehenen

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