Was bedeutet dieses Zitat von "Erich Fried"?

5 Antworten

Es ist ein Spiel mit dem Wort "herrschen".

Im Prinzip hätte es gereicht, hätte er gesagt: "Freiheit herrscht nicht." Nur dann wäre der Spruch nicht so cool geworden.
Wenn Freiheit herrschen würde, würden wir von ihr beherrscht werden und wären somit unfrei. Es ist ein Paradoxon.

Es bedeutet, dass der Herr Fried hier geschickt mit den mehreren Bedeutungen von "herrschen" spielt. Denn wenn man sagt: "es herrscht Freiheit", dann steht "herrschen" eher im Sinne von "vorherrschen", d.h. Geltung haben vor anderen Dingen. Im hinteren Satzteil macht er den Gegensatz von "herrschen" als "beherrschen" gegen Freiheit als Zustand des "Nicht-Beherrschtseins" auf.

Problematisch ist aber, dass er dafür ganz bestimmte Begriffe von Freiheit und Herrschaft voraussetzen muss. Er hat dann einen negativen Begriff von Freiheit, der sich darin ausdrückt keinem Zwang zu unterliegen. Das ist der klassische bürgerlich-liberale Freiheitsbegriff nach der französischen Revolution. Und ich würde vermuten, dass er sich Herrschaft in einem sehr starren Konzept von Macht und Souveränität vorstellt, worin die einzelnen Individuen von außen mit Zwang beherrscht werden.

In seiner Konzeption sind alle Individuen immer schon vereinzelt und die Freiheit eines jeden reicht nur bis zu den Grenzen der Freiheit der anderen. Er kann sich keinen Begriff von Freiheit machen, in dem Freiheit immer schon die Wechselwirkung der Einzelnen ist, worin das Beherrschtsein des Einzelnen durch Andere - in Form von sozialen Praktiken und Normen - gerade die Voraussetzung für Freiheit ist.

fechi333  26.11.2013, 18:36

Hierzu weiterführend: Isaiah Berlin: "Zwei Freiheitsbegriffe" und die Einleitung aus den "Grundlinien der Philosophie des Rechts" von Hegel

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NanniAnne98 
Fragesteller
 26.11.2013, 19:57
@fechi333

Die Antwort war sehr hilfreich, danke :) Somit kommt aber schon meine nächste Frage :D Sorry, aber das interessiert mich grade sehr. Glauben sie, das Freiheit uns vielleicht doch "beherrscht"?

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fechi333  26.11.2013, 21:21
@NanniAnne98

Eigentlich hatte ich eine längere Antwort geschrieben, die hat aber das System geschluckt: also kürzer:

Ja Freiheit beherrscht uns auf mehreren Ebenen:

  • zuerst muss man unterscheiden zwischen Willens-, Handlungs-, politische Freiheit usw.
  • wenn wir auch glauben im politischen Sinne frei zu sein, bedeutet dies nur einen Schutz von äußerer Beherrschung( und das nicht einmal unbedingt), aber nicht Schutz von innen her
  • wir werden auch durch Normen, Werte, soziale Praktiken, Gesellschaft im weitesten Sinne von innen her beherrscht
  • und noch schlimmer, diese Normen und sozialen Praktiken bilden erst die Bedingungen unserer Freiheit
  • d.h. die Dinge die uns unfrei machen, sind die Bedingung für unsere Freiheit
  • das zeigt, es gibt keine Schwarz-weiß-Malerei zwischen unfreien und freien Zuständen, es besteht eine dynamische Wechselwirkung zwischen ihnen
  • wichtig ist: Die** Vorstellung unserer politischen Freiheit** worauf sich viele emphatisch berufen, verdeckt die gesellschaftlichen Bedingungen unserer individuellen Unfreiheit

Fazit: Freiheit beherrscht uns nicht unmittelbar, aber Freiheit ist immer gesellschaftlich vermittel und somit beherrscht uns Freiheit auf vermittelter Weise

weiterführend hierzu: Foucault: Sexualität und Wahrheit und Adorno: Zur Lehre der Geschichte und der Freiheit

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hier geht es um den "fokus" besser gesagt das wort "herrschen"... was grundlegend "negativ" ist, während FREIHT was gutes; positives ist.

Freiheit kann nicht herrschen.....das ist ein Widerspruch. es geht also nicht um den Inhalt des Satzes sondern um das Paradoxon

Fried meint, daß "Herrschaft" und "Freiheit" sich gegenseitig widersprechen.