Was bedeutet die "neue Welt" für Faust?

1 Antwort

Beziehst du dich auf eine oder gar mehrere konkrete Textstellen? Wahrscheinlich könnte man dann genauer und ggf. hilfreicher darauf antworten.

Reichtum/Geld und Macht sind sicherlich Aspekte, die z.B. in Fausts 'neuer Welt' am Ende des zweiten Dramenteils eine wesentliche, wenn auch nicht alleinige Rolle spielen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – diverse Seminare und Lektüre
GFuser15 
Fragesteller
 13.11.2021, 10:19

Ich möchte die neue und die alte Welt von Faust vergleichen. Dazu hab ich die Szene "Vor dem Palast" gelesen.

Das Problem ist, dass ich keine prägnante Zitate oder Textstellen finden kann, die meine Aussagen nachweisen bzw.unterstützen.

Dann hab ich eine Interpretation geschrieben. Da hab ich gemerkt, dass ich sehr oft diese zwei Wörter: "Reichtum" und "Macht" angewendet habe. Sehr oft.

Deswegen möchte ich wissen, was alles zu seiner neuen Welt gehört außer Macht und Geld.

Ich suche nach Ideen. Was kann ich noch mit reinnehmen, wenn ich seine alte und neue Welt vergleichen möchte?

Diese Szene hat mich sehr beeindruckt, dass Faust Philemon und Baucis Hütte durch Brand zerstört hatte für seinen eigenen Vorteil.

Was zeigt das? Ist er gewalttätig? Was noch?

Meine Formulierung ist sehr schlecht. Ich brauche ein Paar Schlüsselwörter.

1
GrinsiKleinpo  13.11.2021, 18:46
@GFuser15

Okay, ich versuche einfach mal, ein paar Gedanken von mir dazu halbwegs strukturiert darzustellen. :D

Bei der Handlung um Philemon und Baucis kommt es m.E. sehr auf die Details an. So sagt Faust z.B.: "Tausch wollt' ich, wollte keinen Raub".  Der Landtausch entpuppt sich - durch Mephistos Zutun - als Raubmord und die angeblich intendierte Umsiedlung als imperiale Gewalttat [dazu Brodbeck: Faust und die Sprache des Geldes]. Gleichwohl spielt die Gewalt im Verlauf des zweiten Dramenteils eine stetig zunehmende Rolle und kulminiert dann im fünften Akt, wo sie fast schon selbstverständliche Grundlage von Fausts Reich ist. P&B sind da nur ein stellvertretendes Beispiel; auch der Handel - als finanzielle Basis des neugeschaffenen Reiches - wird z.B. zu Piraterie pervertiert. Hinzu kommt die offensichtliche Gewalt, nicht zuletzt im Krieg und dargestellt durch die drei Gesellen.

Weiter hat die neue Welt offensichtlich deutliche Züge zeitgenössischer Kolonisierungsprojekte, nicht zuletzt jener in Amerika. Goethe kannte solche Kolonien, z.B. auch aus dem Tagebuch der Amerikareise von Bernhard von Sachsen-Weimar-Eisenach in den Jahren 1825/26. In solchen Kolonisationsgesellschaften - etwa der Harmony-Gesellschaft um Georg Rapp - sind oft zwei Dinge zentral: zum einen eine relativ ausgeprägte Gleichheit der Angehörigen bzgl. ihrer Rechte und Pflichten (als Gegenmodell zur Aristokratie in der alten Heimat), zum anderen ein Fokus auf die Arbeit, auf eine kontinuierliche und der Gesellschaft zuträglichen Arbeit. Manch einer interpretiert die unbedingt notwendigen Instandhaltungsarbeiten am Deich der Faustschen Kolonie in exakt dieser Tradition. Somit ist die neue Welt eigentlich eine bürgerliche. Faust symbolisiert dabei als machttheoretisches Zwitterwesen eines bürgerlichen Quasi-Kaisers sowohl den gesellschaftlichen Wandel als auch fortlaufende strukturelle Ähnlichkeiten der alten und neuen Herrschaftsformen.

Die Sorge, die am Ende des Dramas auftritt, kann hier erweiternd hinzugenommen werden. Der Blick des Besorgten (Faust) ist stets in die Zukunft gerichtet und findet keinen Abschluss. Folgt man dem, trägt die neue Welt einen deutlichen Prozesscharakter, trägt den Nimbus des Ewigen. [Ist hier wohl nicht allzu schnell und deutlich genauer darstellbar.] Generell birgt die neue Kolonie sicherlich auch Fausts Hoffnung, etwas dauerhaft Beständiges geschaffen zu haben; etwas das bleibt, wenn Faust längst nicht mehr ist.

Generell halte ich den Vergleich zwischen alter und neuer Welt für eine tolle Idee, denn er markiert sehr wahrscheinlich einen Bruch in Goethes Alterswerk [dazu Meier: Gesellschaftliche Modernisierung in Goethes Alterswerken 'Wilhelm Meisters Wanderjahre' und 'Faust II']. Fast automatisch stellt sich dann natürlich auch die Frage, was denn die alte Welt ausmacht?

0