Warum wurden in der Romantik gerade Märchen, Sagen und Volkslieder gesammelt?

2 Antworten

In der Romantik besann man sich auf das deutsche Mittelalter (um sich von der Klassik abzusetzen, die die griechische und römische Klassik zum vorbild hatte). Die Volksliteratur (Märchen, Sagen; Lieder) hat ihren Ursprung im Mittelalter, so dass diese Literaturformen in den Fokus rückten.

In ihrer Auseinandersetzung mit der deutschen Klassik waren die deutschen Romantiker bestrebt zu beweisen, dass es nicht nur in der klassischen Antike großartige Literatur gegeben hatte, die als Vorbild für die gegenwärtige Dichtung zu gelten habe, sondern dass viele Nationen, darunter eben auch die deutsche, Bewundernswertes auf künstlerischem Gebiet geleistet haben und zu leisten imstande sind. So suchte man bei fernen Völkern - Indern, Persern, Arabern usw. - und in fernen Zeiten, und man entdeckte und übersetzte recht wahllos eine gewaltige Menge: Hervorragendes, Mittelmäßiges, aber auch ziemlich Wertloses. Seit damals wird in keine andere Sprache so viel übersetzt wie ins Deutsche.

Als man in der eigenen Vergangenheit suchte, wurden der Minnesang und die mittelhochdeutschen Kunstepen entdeckt bzw. z.T. wiederentdeckt und endlich in ihrer Bedeutung erkannt und gewürdigt, und man forschte auch, ob nicht "das Volk" ebenfalls erhaltenswerte künstlerische Erzeugnisse hervorgebracht hatte: Das Nibelungenlied wurde als "Volksepos" gefeiert, Volkslieder wurden von den frühen "Wandervögeln" Wackenroder, Tieck, Brentano und Arnim begeistert gesungen und zusammengetragen, und der reiche Märchen- und Sagenschatz, den ein Wilhelm Grimm z.B. sammelte, war in seiner Gesamtheit ja eben auch der Ausdruck einer produktiven Kreativität von einer Größe, die sich durchaus nicht hinter den Tragödien und Komödien eines antiken Dichters verstecken musste.