Warum wechseln sexsüchtige ihre Partner?

3 Antworten

Da ist einiges durcheinander. Also der Reihe nach:

Warum wechseln sexsüchtige ihre Partner?

Zunächt einmal: "Sexsucht" ist, wie der Bruder im Ungeiste: "Pornosucht", keine anerkannte Krankheit/Diagnose.

Das ist eine aus den USA mittlerweile rübergeschwappte "Modekrankheit", propagiert von erzkomservativem Religiösen ohne seriösen Hintergrund: Psychologie: Schlacht am Venushügel

Die dahinterstehende Behauptung, Sex (bzw. Pornos) würden "süchtig" machen, konnte nie belegt werden - im Gegenteil. Die Fachmediziner fanden diese Idee ohnehin nie stimmig (wir sind durch Millionen Jahre der Evolution darauf optimiert, Sex zu haben - gerne auch viel Sex), und ohne Belege bzw. sogar bei dem widersprechenden Belegen ...

Die Religiösen wie auch geldgeile Suchttherapeuten (ggf. in Personalunion) wollten diese angeblichen "Suchterkrankungen" dennoch unbedingt anerkannt haben, und auch die WHO hat das für das neue ICD-11 (weltweit verbindliche Liste aller Krankheiten und Störungen) letztlich aber mit deutlichen Worten abgelehnt. Also nichts mit "Dopamin-Kicks" oder "wirkt wie eine Droge".

Warum müssen Menschen mit hypersexualität ständig die sexualpartner wechseln ?

Hypersexualität hingegen war anerkannt und "betraf" verschiedene Fälle - von Menschen, die ein tatsächlich pathologisches/schädliches Sexualverhalten hatten, bis Menschen, die einfach gerne viel Sex haben - ohne irgendwelche tatsächlichen Schädigungen.

Die "Hypersexualität" hat die WHO dann bei der Gelegenheit auch gestrichen, bzw. im ICD-11 ersetzt durch "zwanghaftes Sexualverhalten", was aber streng reglementiert wurde und deswegen praktisch noch nicht diagnostiziert wird (man weiß noch nicht, wann bzw. warum überhaupt).

Zwanghaftes Sexualverhalten ist definiert als Impulskontrollstörung, nicht aber als Suchterkrankung. Alle sonstigen Störungen, die zu exzessivem Verhalten führen können (auch exzessivem Sexualverhalten), müssen jetzt unter der eigentlichen Störung diagnostiziert werden - und da sind mehrere möglich.

Entsprechend ...

(Und sind dementsprechend auch in Beziehungen untreu)

... gibt es hier auch mehrere mögliche Antworten.

Z.B. könnte eine Depression vorliegen, und der exzessive Sex dient der "Weltflucht". Oder eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, und die betroffene Person denkt nur an sich. Oder sie kann aufgrund einer Erkrankung oder weil sie es nie gelernt hat ihre Impulse nicht kontrollieren. usw. usf.

Es kann aber auch sein, dass die fremdgehende Person einfach nur einen deutlich stärkeren Sexualtrieb hat - eventuell absolut, auf jeden Fall aber relativ zum Lebenspartner. Das wäre früher ebenfalls unter Hypersexualität gelaufen, nun gilt es nicht mehr als krankhaft. Aber es ist dem Partner gegenüber natürlich ggf. dennoch rücksichtslos, also wird man etwas machen wollen, wenn man die Beziehung forführen will.

Der Therapeut muss also jedesmal aufs Neue feststellen, ob und wenn ja woran die betroffene Person konkret erkrankt ist ... und dann eine passende Therapie beginnen:

"Wenn wir unbehandelte Depressionen, Angstzustände oder andere psychische Probleme feststellen, behandeln wir diese - oft mit einer Kombination aus Therapie und Medikamenten.

Mit allen anderen machen wir eine Therapie. Wir helfen Menschen, oft ganz erheblich.

Wenn wir fertig sind, sind sie keine lebenslangen Süchtigen in lebenslanger Genesung. Es sind Erwachsene, die eine andere Sicht auf sich selbst haben, die sich menschlich fühlen, deren Impulse nicht so dringend sind, die bessere Entscheidungen treffen, die nicht perfekt sind - und die das akzeptieren können. Sie sind nicht durch Scham verkrüppelt, verfügen über mehr Integrität und halten ihre Versprechen weitaus eher. Sie empfinden ihre Sexualität nicht mehr als gefährlich.

Sie sind geheilt. Sie sind keine Süchtigen mehr.

Das waren sie nie." (Quelle: Why There's No Such Thing As Sex Addiction - and Why It Matters)

Weil sie den Dopamin-Kick suchen. Das Gehirn verlangt danach. Bekanntes "kickt" nicht mehr so gut wie neues. Ein ähnlicher Mechanismus steckt auch hinter Online Porno Sucht. Auch hier verlangt das Hirn ständig nach neuem und dank Online Pornoseiten lässt sich auch die Schlagzahl der "Belohnungen" immer weiter steigern.

Libertinaerer  03.12.2023, 19:10

Weil das schlicht falsch ist, hat nun auch die WHO "Sexsucht" und "Pornosucht" nicht anerkannt.

Und bei der Gelegenheit hat auch die WHO die im ICD-10 noch aufgeführte "Hypersexualität" ebenfalls gestrichen.

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Paratus  03.12.2023, 19:15
@Libertinaerer

Interessante Information. Vermutlich ist die Verhaltensstörung durch andere Indikationen schon abgedeckt? Was die WHO sonst an- oder nicht anerkennt spielt allerdings keine Rolle, da die Verhaltensstörung damit ja nicht verschwindet und die Mechanismen dahinter bleiben die selben.

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Libertinaerer  03.12.2023, 20:36
@Paratus
Vermutlich ist die Verhaltensstörung durch andere Indikationen schon abgedeckt?

Jein. Es gab und gibt natürlich exzessives Sexualverhalten, das pathologisch ist. Das wurde früher ggf. als Hypersexualität diagnostiziert, aber "viel Sex ohne Schaden" eben auch.

Die "moralischen Wertungen" hat man aus dem neuen ICD-11 grundsätzlich entfernt (auch bei den Paraphilien) und exzessives Verhalten, auch sexueller Natur, fällt "nur noch" unter die eigentlich ursächliche Erkrankung (Depression, bipolare Störung, Angstzustände, ...).

Deswegen war die Hypersexualität überflüssig und wurde gestrichen. Sie wurde aber sicherheitshalber durch "Zwanghaftes Sexualverhalten" ersetzt, allerdings mit einer Vielzahl an Einschränkungen, so dass man aktuell noch nicht weiß, bei WAS man das diagnostizieren soll (im DSM-5 wurde bereits vorher Hypersexualität gestrichen, aber halt ersatzlos).

Was aber eine, je nach Standpunkt erhoffte bzw. strikt abgelehnte Störung als Verhaltenssucht angeht (also, dass Sex bzw. Pornos tatsächlich süchtig machen könnten - mit "Dopamin-Kicks" oder was auch immer), DAS ist vom Tisch.

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Libertinaerer  03.12.2023, 20:53
@Paratus
Was die WHO sonst an- oder nicht anerkennt spielt allerdings keine Rolle

Nun ja, die Ärzte müssen den gesetzlichen Kassen die ICD-Kennziffer ihrer Diagnose mitteilen, und wenn sie da etwas behandeln, was nicht anerkannt ist, und sie es unter einer anderen Kennziffer abrechnen, dann sind wir beim Abrechnungsbetrug.

Die WHO hat, wie vorher schon die APA beim DSM-5, "Sexsucht" und "Pornosucht" ausdrücklich verworfen, und auch unmissverständlich klar gemacht, wann man den Ersatz für Hypersexualität NICHT diagnostizieren darf.

Und darunter fällt praktisch alles, was heute so unter den Schlagwörtern "Sexsucht" und "Pornosucht" behandelt wird.

Und damit sind natürlich nicht die tatsächlich pathologischen Klassiker gemeint (Depression etc.), sondern gezielt "Ich halte mich für pornosüchtig" bzw, "ich habe ein moralisches Problem mit Pornos", ohne dass tatsächlich ein pathologisches Verhalten vorliegt. Halt die US-amerikanischen Modekrankheiten.

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Paratus  03.12.2023, 21:08
@Libertinaerer

Hi, danke für die ausführlichen Beiträge. In dem Satz kam auch eher meine negative Haltung zur WHO zum Ausdruck ;)

Im Bekanntenkreis habe ich jemanden der "sexsüchtig" ist. Er sucht zwanghaft immer und immer wieder nach Gelegenheiten und zwar in einer Art und Weise, dass es seinem gesamten restlichen Leben oft sehr schadet, gesundheitlich aber auch finanziell, beruflich. Also er ordnet dem alles unter und schädigt sich dabei massiv. Wenn er bekommen hatte was er wollte, war wieder eine kurze Zeit Ruhe und er bedauerte dann auch oft was er tat, weil es objektiv unvernünftig war, aber er macht es halt immer wieder.

Und der hatte mir eben erklärt, dass er einfach ständig was neues braucht und das aber nach einem oder höchstens zweimal für ihn langweilig wird. Dann muss wieder was neues her. So geht das ständig. Er sagt dass er das dann nicht mehr aufregend findet, wenn er das schon mal hatte.

Und wenn er "es" dann doch mal nicht bekommt, dann werden häufig Substanzen mißbraucht. Nach einigen Tagen , spätestens Wochen wird der richtig ungenießbar und depressiv, bis er dann wieder einen Treffer landet. Er ist regelrecht getrieben. Man kommt aber auch nicht an ihn ran so recht. Er sieht ein dass das was er tut nicht gut ist und ihm schadet, er bedauert danach auch häufig, aber dann geht es wieder von vorne los. Dabei geht er auch gesundheitlich große Risiken ein.

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Libertinaerer  03.12.2023, 21:59
@Paratus

Schlimm, aber eben keine Sucht im medizinischen Sinne.

Aber man kann davon ausgehen, dass ihm eine Therapie helfen würde, glücklicher zu sein ...

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Denke weil sie den Reiz brauchen, immer wieder etwas neues zu haben.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Erfahrung gesammelt