Warum waren die Slawen nach der Nazi Ideologie nicht Arisch?


16.05.2023, 02:36

Warum wurden diese dann als untermenschen kategorisiert? Es passt doch zum „arischen“ aussehen

6 Antworten

Ich weiß aus meiner Familiengeschichte, dass die Nazis "arisch aussehende" kleine Kinder aus Polen, Ukraine und Russland entführt haben zum "Eindeutschen" . Die wurden dann in Heimen oder von Adoptiveltern (stramm auf Linie!) aufgezogen. Also gingen die Nazis bei den Slawen gar nicht irgendwie vom Genotyp, sondern rein vom Phänotyp aus.

Wirkliche "Untermenschen", verdorben und nicht mehr "zu retten" waren allerdings die Bolschewiken, weshalb der Befehl bestand, sie alle zu töten. :(

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Estländer sind keine Slawen.

Die Nazis hatten eben sehr wirre Ansichten. Japaner, Perser und Italiener galten als Arier, aber z.B Polen oder Russen nicht

Auch vor den Nazis gab es antislawische Diskriminierung im Kaiserreich

sassi357  28.06.2023, 17:54

Falsch. Als Arier galten alle Europäer, sofern sie keine Juden waren. Also nicht nur Deutsche und Italiener, sondern sogar Russen und Ukrainer und so weiter. "Arier" war hier aber kein rassenanthropologischer Begriff, sondern nur eine politische Abgrenzung von Juden, die ja isoliert wurden.

Neuperser und Japaner galten nicht als Arier, da sie keine Europäer waren.

Die alten Iraner des Altertums waren ein von indogermanischen Eroberern (Ariern) bestimmtes Volk. Doch dieses nordische (im 19. Jh. sagte man mit Gobineau noch "arische") Element in den Eliten des alten Persiens ist bereits im Laufe des Altertums annähernd ausgestorben und findet sich um heutigen Iran nur noch in verschwindenden Spuren. Das war bereits um die Jahrhundertwende bekannt und den Nazis sowieso.

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Und wenn du tiefer gräbst, stellst du fest, dass Germanen, Slawen und Latiner alle der indoeuropäischen Kulturgruppe angehören und einen gemeinsamen Ursprung haben.

Die Nazis bzw. deren intellektuelle Vorfahren ab Ende des 19. Jahrhunderts erklärten das damit, dass die Slawen angeblich mehr mit Juden vermischt gewesen sein sollen. Was mir nicht glaubwürdig erscheint, wenn man bedenkt, wie sehr Juden in Osteuropa zu der Zeit noch ausgegrenzt wurden, deutlich mehr als im Westen. Weshalb sie ja auch zu der Zeit in grossen Zahlen gerade von Osten nach Westen flüchteten. Hitler selbst berichtete davon, wie er abgestossen war von den ostjüdischen Flüchtlingen, die er als Jugendlicher in Wien sah.

Aber Ideologien müssen nicht logisch sein. Sie folgen dem Gefühlsleben des Menschen.

Und vom Gefühl her steht der Mensch dem Fremden erstmal skeptisch bis ablehnend gegenüber.

Und Slawen sind vom "germanischen" Mitteleuropäer relativ weit weg. Und scheinen mit ihrer unverständlichen Sprache eher fremd. Umgekehrt ist es übrigens nicht anders, "Opfervölker" sind keine besseren Menschen. Das Wort für Deutsch ist in den slawischen Sprachen von "stumm" abgeleitet (!)

Dazu kommt - vermutlich am wichtigsten, dass die slawische Region verhältnismässig arm war, gegenüber dem hochindustrialisierten Westen. Und Armut lehnt man ab, wenn man rassistisch eingestellt wird. Dazu kannst du sehr aufschlussreich den Historiker Albert Memmi lesen, der fragt, warum Europäer Afrikaner verachte(t)en und nicht umgekehrt.

Der Intellekt bastelt zu diesen Instinkten und Gefühlen dann eine komplizierte Rechtfertigung. Die nach Möglichkeit alles miteinander verbindet, was man ablehnt, damit es einfach und stimmig wird. Darum steckten aus Hitlers Sicht hinter allen, die er ablehnte, irgendwie die Juden. Ob nun slawische Untermenschen oder heimtückische Kommunisten - war alles vom Juden gemacht...

Die Ideologie erscheint immer nur dem merkwürdig, der dieselbe Instinktlage nicht teilt und dann nur sehr gezielt auf die Widersprüche schaut.

Wer einer Ideologie folgt, will die Widersprüche aber nicht bemerken, weil er sie ja braucht. Der Gegner tut das zwar sehr hellsichtig, bemerkt aber dafür die Widersprüche seiner eigenen Ideologie nicht :)

So sind wir, weil wir keine Computer sind.

Plapparat  30.06.2023, 18:09

Das mit der Armutsthese hat zweifellos viel für sich. Das treffendste Beispiel für mich ist die absolute Verachtung der Briten (bzw. genauer deren angelsächsisch-normannisch-sephardischer Eliten in England) für den als paläolithisch gedachten Iren, die ebenfalls pseudowissenschaftlich unterlegt wurde:

https://images.huffingtonpost.com/2015-10-19-1445270127-9617283-Scientific_racism_irish.jpg

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DocPsychopath  30.06.2023, 18:14
@Plapparat

...und die er sogar nach Amerika mitnahm, so dass die Amerikaner irenfeindlich starteten. Und mit den Iren auch noch die katholische Religion verachteten bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Die Bilderserie ist grässlich und passt in den Stürmer.

Die Armutsheorie ist auch nicht von mir, sondern von Memmi, der Araber und Jude war, den Kolonialismus der Franzosen in Nordafrika erlebt hatte und sein Leben lang darüber grübelte, warum sie ihn verachteten. Der hat da deutlich mehr überlegt als wir beide vermutlich zusammen. Ich kann ihn sehr empfehlen.

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Plapparat  30.06.2023, 18:28
@DocPsychopath

Naja konkretisieren wir einmal, indem wir sagen, die angelsächsischen Eliten in Neuengland und den späteren USA starteten iren- (und übrigens auch deutschen-)feindlich. „Amerikaner“ waren ja von Anfang an nicht nur Angelsachsen.

Übrigens beleidigen diese Karikaturen nicht nur die Iren, sondern indirekt auch die Spanier (und damit im Grunde alle Kontinentaleuropäer), die ja nach dieser Anschauung dieselben Vorfahren wie die Iren haben. (Was anthropologisch so aber gar nicht haltbar ist, aber das ist ja oft bei Rassentheorien der Fall.)

Werde mal schauen, ob sich was vom Memmi finden lässt als pdf im Netz. Er scheint die Sache verhältnismäßig objektiv zu sehen.

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DocPsychopath  30.06.2023, 18:33
@Plapparat

Was für ein Zufall... über diese Deutschenfeindlichkeit las ich gerade heute morgen was. Das war wohl auch immer eine Minderheitsmeinung ohne real grosse Auswirkung.

Die Iren und Italiener wurden wohl sehr handfest ausgegrenzt.

Memmi hat mich beeindruckt, dass er über das Thema, das ihn sicherlich emotional so massiv berührte, so eisern rational diszipliniert denken und schreiben konnte. Ganz anders als das heute in dieser woken Betroffenheitskultur z.B. üblich ist.

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Plapparat  30.06.2023, 18:43
@DocPsychopath

Die deutschstämmigen Siedler in Neuengland haben sich im späten 17. Jh. bereits unbeliebt gemacht, weil sie die einzigen waren, die lautstark ihre Stimme erhoben gegen die damals beginnende Versklavung von Schwarzen. Später hat man die deutschen Katholiken (ähnlich Iren und Italienern) aufgrund ihrer Konfession ausgegrenzt, weniger wohl die Lutheraner. Richtig umfassend wurde aber der Antigermanismus aber erst mit dem Weltkrieg, so ab 1916/17.

Ja, nach Wikipedia scheint Memmi die Sache neutral zu betrachten, wenn er auch die heutigen Zustände in Frankreich kritisch betrachtet. Ein 20jähriger algerischstämmiger Franzose kann ja die frühere brutale Unterdrückung Algeriens durch die französischen Kolonialherren sowie die französischen Brutalitäten während des algerischen Unabhängigkeitskrieges nicht zum Anlass nehmen, die heutigen Franzosen dafür zu attackieren. Weder ist er selbst ein Opfer der Brutalitäten von damals noch sind die jungen Franzosen von heute die damaligen Täter. Versöhnung kann es eigentlich nur geben, wenn der französische Staat und die französische Intelligenz nach, sagen wir deutschem Vorbild, die eigene Vergangenheit aufarbeitet, gegebenenfalls Entschädigungen zahlt usw. (wobei Geld allein Geschehenes nicht wirklich wieder gut machen kann). Das mag auch geschehen, aber über die genaue Situation in Frankreich weiß ich zu wenig Bescheid. Offenbar werden dort aber große Fehler gemacht, wie die aktuellen Ereignisse zeigen.

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DocPsychopath  30.06.2023, 18:46
@Plapparat

Ja, so ungefähr habe ich das auch gelesen, vermutlich haben wir dieselben Sites studiert. Wobei diese Antisklaverei auch mehr ein oder zwei Dokumente sind und keienswegs die Ansicht ALLER deutschstämmigen Siedler.

In Frankreichs Situation habe ich auch zuwenig Einblick. Ich kenne nur die Lage in Schweden.

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Plapparat  30.06.2023, 18:51
@DocPsychopath

Möglich. Aus Schweden weiß ich nur von diesen unsinnigen Koranverbrennungen, mit denen man die Muslime provoziert, um den Schweden zu schaden. Es brodelt ja überall in Europa und nicht mehr die Vernunft regiert, sondern die Affekte. Die Zukunft könnte hitzig werden und zwar nicht nur klimatisch gesehen. –

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DocPsychopath  30.06.2023, 18:52
@Plapparat

Ja. Ich habe ein Jahr im "Brennpunkt" gearbeitet. Es ist angespannt. Aber eigentlich in Schweden weniger als in D-land oder Frankreich. Mir scheint das Problem ein bisschen aufgeblasen.

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Nach der nationalsozialistischen Ideologie wurden die Slawen aufgrund einer Kombination von Rassentheorien und politischen Motiven, die in dieser Zeit vorherrschend waren, nicht als arisch angesehen. Die nationalsozialistische Rassenideologie beruhte auf dem Glauben an eine hierarchische Rassenordnung, in der die "arische Rasse" als überlegen angesehen wurde. Die Nazis glaubten, dass die arische Rasse, die von alten indoeuropäischen Völkern abstammte, sich durch körperliche und geistige Eigenschaften auszeichnete, die sie anderen Rassen überlegen machten.

Innerhalb dieser Rassenhierarchie stuften die Nazis jedoch slawische Völker, darunter Russen, Polen, Ukrainer und andere, als "untermenschlich" oder rassisch minderwertig ein. Die Nazis betrachteten die Slawen als eine andere rassische und kulturelle Gruppe, die sich von der arischen Rasse unterschied. Sie bezeichneten sie als "Untermenschen", was soviel wie "Untermenschen" oder "minderwertige Wesen" bedeutet.

Für diese Klassifizierung gab es mehrere Gründe. Erstens hielt die nationalsozialistische Rassenideologie die slawischen Völker für rassisch und kulturell minderwertig gegenüber der arischen Rasse. Sie hielten sie für biologisch und intellektuell minderwertig, da ihnen die Eigenschaften fehlten, die die Nazis mit der arischen Rasse verbanden.

Zweitens versuchten die Nazis, ihre Expansionsziele und die Eroberung Osteuropas zu rechtfertigen, indem sie die slawischen Völker als minderwertige Wesen darstellten. Ihr Ziel war es, im Osten ein Reich für die arische Rasse auf Kosten der slawischen Völker zu schaffen, das als "Lebensraum" bezeichnet wurde. Durch die Entmenschlichung der Slawen glaubten die Nazis, ihre Politik der Kolonisierung, Versklavung und Ausrottung leichter rechtfertigen zu können.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Rassenideologie der Nazis nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhte, sondern auf pseudowissenschaftlichen und ideologischen Überzeugungen. Sie wurde als Mittel zur Förderung ihrer politischen Agenda, zur Rechtfertigung von Diskriminierung und zur Begehung weit verbreiteter Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs, einschließlich des Holocausts und anderer Völkermorde, eingesetzt.

Es ist wichtig zu erkennen, dass die Rassenideologie der Nazis und ihre Klassifizierung der Rassen heute weitgehend diskreditiert sind. Der moderne wissenschaftliche Konsens lehnt die Vorstellung von rassischer Überlegenheit oder Unterlegenheit mit überwältigender Mehrheit ab.

Woher ich das weiß:Recherche
sassi357  28.06.2023, 17:52

Es ist aber auch wichtig, die damalige Verwendung der Begriffe "arisch" und "nordisch" korrekt wiederzugeben. Das tust du nicht.

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Die Slawen galten sehr wohl als Arier und zwar nach beiden möglichen Definitionen dieses Begriffes:

 a) anthropologische bzw. kulturelle Definition: Hier war „Arier“ einfach seit dem 19. Jh. das Wort für die Völkergruppe, die wir heute als „Indogermanen“ oder „Indoeuropäer“ bezeichnen. Die Slawen zählen dazu. Linguistisch gesehen werden die slawischen Sprachen allgemein zur östlichen Satem-Gruppe der indogermanischen Sprachen, also mit Balten, Iranern und Indern in einem Boot, während die Germanen, Italiker, Kelten und Griechen zur westlichen Centum-Gruppe zu zählen sind. Bereits die Rassenanthropologen des 19. Jh. waren sich aber bewusst darüber, dass diese grundlegende Zweiteilung der indogermanischen Sprachen keiner anthropologischen entspricht. Auch damals war niemand so weltunkundig, moderne Inder und Esten in einen Topf zu werfen, die den Esten aber nahestehenden Schweden mit den Neugriechen wiederum in einen anderen.

b) politische Definition: Hier wurde der Begriff „Arier“ seit Ende des 19. Jh. als Abgrenzung nichtjüdischer Europäer (oder auch europäischstämmiger Leute in Übersee, etwa US-Amerikaner, Argentinier, Südafrikaner, Australier usw.) von jüdischen Menschen verwendet.

Wie so viele verwechselt auch der Fragesteller „arisch“ mit „nordisch“. Nur letzterer Begriff war noch zu Nazizeiten ein im rassenkundlichen Sinne verwendeter Terminus – wobei blonde Haare und blaue Augen nicht notwendig nordische Rasse bedeuten, sondern gerade in Russland auch Angehörigen der ostbaltischen Rasse zueigen sind.

Schließlich ist es falsch, dass slawische Menschen von den Nationalsozialisten per se als „Untermenschen“ abqualifiziert worden sind. Dieses Wort kommt von der NS-Propagandaschrift „Der Untermensch“, die zwar scharf antisemitisch ist (Juden werden dort als primäre Triebkraft des verderblichen Bolschewismus dargestellt), aber keineswegs rassistisch. Menschen, die traditionell in ihrer bäuerlichen Lebensweise leben und produktive, schöpferische Mitglieder ihres jeweiligen Volkes sind – gleich ob dies nun das deutsche, spanische, italienische, slowakische, finnische, türkische oder sonst ein Volk ist – werden in dieser Schrift sehr geachtet und als bedroht durch den vermeintlich völkervernichtenden Sowjetbolschewismus dargestellt. Dieser wird laut Aussage dieser Schrift zwar von Juden geführt, aber von nichtjüdischen Verbrechertypen aus den Massen der Völker innerhalb des Sowjetstaates getragen. Auf ebensolche Verbrechertypen bezieht sich der in dieser Schrift eingeführte Terminus „Untermensch“. Es wird also nicht einmal gegen die Russen als Volk pauschal gehetzt, sondern lediglich gegen bestimmte Typen innerhalb dieses und anderer sowjetischer Völker, die als Tscheka-Schergen, Folterknechte, Denunzianten usw. die Basis des bolschewistischen Verbrechersystems bilden.

Heute würde man wohl von Psychopathen, Soziopathen und ähnliche in Rechtsstaaten schwierig integrierbare, sehr schnell (schwer)kriminell werdende Typen sprechen. Gegen solche Leute hat die Schrift „Der Untermensch“ gehetzt, auf sie wurde dieses Wort geprägt.